§ 2 Der Stammvater

    Der erste Mann, welcher in den uns erhaltenen oder zugänglich gewordenen Urkunden den Namen von Blücher trägt, ist der „Ministerial“ Ulrich von Blücher, der Zeuge war, als im Jahre 1214 der Abt Bernhard zu St. Michaelis an die Herzögin Helena, die Witwe Herzog Wilhelms und die Mutter des schon erwähnten Herzogs Otto, einige Hufen aus einem Dorfe bei Lüneburg verkaufte. Sein Name steht hier unter denen lüneburgischer Ministerialen. Es war auch nicht etwa ein zufälliger Aufenthalt in Lüneburg, der einen schwerinschen Lehnmann in die Gesellschaft lüneburgischer Ministerialen geführt hätte; vielmehr trifft man ihn im nächsten Jahre wiederum im Gefolge des jungen Herzogs Otto von Lüneburg.  Er war nämlich Zeuge bei einer Schenkung, welche Otto zu Helmstedt dem Templerorden machte 2. Der Herzog bezeichnet alle Zeugen ausdrücklich als seine Ministerialen.
    Zum dritten Mal sehen wir den "lüneburgischen Ministerialen" Ulrich von Blücher zwölf Jahre später unter traurigen politischen Verhältnissen wieder.  Der Herzog Otto hatte, wie bemerkt, schon 1225 zur Befreiung seines Oheims, des Königs Waldemar, dem Grafen Albrecht von Orlamünde seinen Beistand geliehen, auch 1227 zog er dem Könige zu, geriet aber am 22. Juli in die Gefangenschaft des Grafen von Schwerin.  Dieses für Lüneburg so traurige Ereignis wird die große Zusammenkunft auf der Wiese bei Lauenburg an der Elbe veranlasse haben, wo von der einen Seite der Herzog Albrecht von Sachsen, der junge Graf Günzel von Schwerin mit seinem Oheim, dein Domherrn Friedrich, dem Grafen Heinrich von Waldenberg u. s. w., von der andern der Bischof Iso von Verden mit seinem Domherrn Lüder (dem späteren Bischof), dem Abt Johann von Lüneburg und "einigen Ministerialen von Lüneburg", darunter auch Ulrich von Blücher und Konrad vom Broke, erschienen. Wahrscheinlich blieb die Unterredung ohne Erfolg; sicher hatte sie nicht den, dass der Herzog seine Freiheit schon wiedererlangte.  Bevor ihm diese zu Teil ward, diente Ulrich von Blücher noch einmal als Zeuge und vermutlich auch als Geschäftsträge und Vermittler, als nämlich am 10. 10. Mai 1228 der Bischof Iso von Verden auf die Bitte der Herzogin Helena ihrem noch in der Gefangenschaft schmachtenden Sohne die Lohen verlieh, welche vormals der Pfalzgraf Heinrich vom Stift Verden getragen bitte.
    Dann aber, nachdem der Herzog endlich 1229 aus der Haft freigekommen war, gab er noch  "in dem Jahre seiner Befreiung", zu Lüneburg, den Teilhabern an den Salzgütern daselbst ein Privilegium, und zwar nach der Sitte der Zeit vor einer großen Versammlung „seiner Getreuen“ (fideles nostri); auch unter diesen steht Ulrich von Blücher.
Endlich im Jahre 1234 nennt Herzog Otto in der Urkunde, welche er dem Michaeliskloster zu Lüneburg über eine Schenkung zu Almosen an den Todestagen seiner Eltern gab, in einer langen Zeugenreihe und insonderheit unter „seinen Ministerialen“ (ministeriales nostri) wiederum Ulrich von Blücher.
    Also nicht in der Umgebung der Grafen von Schwerin, wo man es zunächst vermuten möchte, begegnet uns ein von Blücher zuerst, sondern in Lüneburg; und nicht als Lehnmann des Grafen von Schwerin, der doch zu jener Zeit der rechtmäßige Herrscher über das Land Boizenburg war, erscheint der erste Träger jenes Namens, sondern als ein Ministerial des Herzogs von Lüneburg, und zwar zu einer Zeit, da soeben der Graf und der Herzog in einem blutigen Treffen einander gegenüber gestanden hatten, in einer Versammlung, Wo Ulrich von Blücher nicht schwerinsche, sondern lüneburgische Interessen vertreten sollte.  Überhaupt aber sieht man diesen Ministerialen immer unter Umständen, die eine enge Beziehung, ein vertrauliches Verhältnis zum lüneburgischen Hofe vermuten lassen.
    Dieses Auftreten des Stammvaters der Familie von Blücher zu Lüneburg unter den angegebenen Verhältnissen hat allerdings etwas Rätselhaftes.  Darf man annehmen, daß Ulrich zugleich lüne- burgischer Ministerial und schwerinscher Lehnmann war?  Oder war er selbst vielleicht nicht der Inhaber des Lehns Blücher, sondern des damaligen Lehnmannes Sohn oder Bruder, der am lüneburgischen Hofe Ministerial geworden wir?  Oder sollte er etwa, wie die oben erwähnten Familien von Boizenburg und Schack von Boizenburg sein Lehnsverhältnis zu dem Grafen von Schwerin aufgegeben haben und zu dem Fürstenhause zurückgekehrt sein, dem er oder seine Vorfahren als Ministerialen angehört hatten ? Solche Fragen drängen sich auf. Bevor wir aber eine Antwort erteilen, werfen wir einen Blick auf die damaligen Zustände des Adels.
    Mann kann, wo die Rede auf Ministerialen kommt, bekanntermaßen nicht behutsam genug den Ort und die Zeit betrachten, wo die in Betracht zu ziehenden Personen auftreten. Hier genügt es, kurz auf folgende Punkte hinzudeuten.
    Der Stand der Ministerialen hatte sieh aus unfreien Leuten gebildet, welche die Geistlichen und weltlichen hohen Herren zu würdigerer und glanzvollerer Gestaltung ihres Hofwesens und Herstellung einer Kriegsmannschaft, die nicht wie die Vasallen nur zu beschränkter Dienstleistung verpflichtet war, aus ihren Leuten aussonderten, mit Beneficien ausstatteten, zu Ross dienen liessen und mit den Waffen der Freien schmückten. Wie aber das Gefolgewesen schon zu Tacitus Zeit leicht den Freigelassenen zu dem Bange des Freigeborenen, ja über diesen erhob, und wie im Frankenreiche der königliche Dienst nicht selten die edle Herkunft in Schatten stellte, so verdunktelte späterhin die Ehre, welche die Dienstmanrien in den Kriegen und airi Hofe ihres Herrn erwarben, leicht die Ehre der Freiheit.  Der Ministerial konnte seit dem12. Jahrhundert die Ritterwürde erlangen wie der Freie, er hatte so gut wie dieser das Recht zum Zweikampfe und zur Fehde, er gründete ein rittermässiges Geschlecht wie der freie Ritter, und seine Lehen wurden eben so wohl erblich, wie die anderen.  Daneben war sein Verhältniss zu seinem Herrn ein viel innigeres und vertraulicheres, als das des freien Landadels, der für sein Lehn bloss zu gemessenen Kriegsdieiisten verpflichtet war, in Friedenszeiten aber, wenn er nicht zu Hoftagen berufen ward, dem Fürsten ferne stand.  Jener hatte, sei es als Vorsteher, sei es als untergeordneter Beamter eines der Hofämter, dem seine Familie erblich angehörte, eine bestimmte, ehrenvolle Stellung am Hofe und genoss daneben noch mancherlei Beneficien, Einkünfte u. s. w. Die Genossenschaft der Ministerialen ward zur Berathung der
Staatsangelegenheiten gezogen; Sie bildete eine geschlossene Körperschaft, die im Dienstreelit nicht nur ihre Pflichten und Beschränkungen, donern auch gegenseitigen Schutz, selbst gegen Uebergriffe des Fürsten, fandl.  Die Schutzbedürftkeit in gefaihrvollen Zeiten und jene Begünstigungen bewogen  schon früh auch freie Leute, welchen es an grossem Besitze fehlte, sich in die Ministerialität eines Stiftes oder eines Fürsten aufnehmen zu lassen; ja es werden mitunter sogar "freie Ministerialen" ausdrücklich erwähnt, und selbst Edle verschmähten es nicht, ein Hofamtt bei einem Stifte zu führen, wennschon sie sonst natürlich von den Beschränkungen des Dienstrechtes frei blieben.  Es lässt sich daher in einzelnen Fiillen oft gar nicht bestimmen, ob eine Familie, welche wir unter den Ministerialen eines Hochstifts oder eines Herzogs antreffen, ursprünglich aus der Unfreiheit zu dieser bevorzugten Stellung gelangt, oder ob die Freien durch die Vortheile und Vorziüge, welche ihnen die Ministerialität verhiess, bewogen waren, mit Aufopferung ihrer Freiheit in die Dienstmannschaft eines Hochstifts oder eines hochgestellten Fürstern einzutreten.  Z. B. liessen sich noch im Jahre 1257 die Gebrüder von Barmstede, Ritter, unter ausdrücklicher Verzichtleistung auf Nobilität (nobilitas) und Freiheit (libertas) unter die Ministerialen des Erzbischofs von Bremen aufnehmen.
    Um das Jahr 1200 waren die Ministerialen mit dem freien Landadel aber noch nicht völlig verschmolzen; Lehnrecht und Hofrecht bestanden noch in ihrer Verschiedenheit.  Der Vasall konnte sein Verhältniss zum Lehnsherrn durch den Verzicht auf das Lehn lösen, der Ministerial bedurfte der Freilassung von Seiten des Herrn und konnte ohne dessen Willen auch kein fremdes Lehn annehmen; selbst die Formen des Tausches und der Schenkung von Vasallen für den Uebergang derselben in eine andere Ministerialität kommen noch in einzelnen vor.  Eine Vermählung des Ministerialen ausser dem Kreise welchem er selbst angehörte, erforderte noch die Genehmigung seines Fürsten; und wenn aus des ministerialen Ehe mit einer Freien Kinder hervorgingen, so folgten diese der ärgeren Hand.  Der staatsrechtlichen Theorie nach stand also der freie Landadel immer noch um eine Stufe über den Ministerialen; in Wirklichkeit aber nahmen die Letzteren oft eine viel geehrtere und einflussreichere Stellung ein, als in der Regel jener.
    Aber was im Allgemeinen galt, das erlitt unter örtlichen Umständen doch grosse Modificationen.  Die unruhige Zeit Herzog Heinrichs des Löwen gab gerade den sächsischen Ministerialen nicht nur die beste Gelegenheit, in den Wendenkriegen neuen Ruhm - und neue Lehen zu erwerben, sondern es mehrten sich auch die Verbindlichkeiten des Herzogs gegen seine Dienstmannen in dem furchtbaren Unglück, welches über ihn hereinbrach, in den Kriegen um die Rettung, dann um die Wiedererlangung seiner Herzogswürde, die er nur durch die Treue der Seinigen zu einem glücklichen Ende hinauszuführen hoffen durfte.  Und die Regierungszeit seiner Söhne und seines Enlkels Otto war nicht geeignet, die Entwickelung in dem Staude der Ministerialen aufzuhalten.  Wer die lüneburgischen Urkunden unbefangen durchgeht und die thatsächlichen Verhältnisse mehr als die historischen Rechte ins Auge fasst, gewahrt damals in der That in Niedersachsen nur noch zwei Stufen des Adels; auf der höheren stehen die Edelherren (nobiles), auf der zweiten die ritterbürtigen Ministerialen und von den freien Rittern solche, die eben nicht Gut genug besassen, um zu der ersten Classe zu zählen.
    Ein sprechendes Zeugniss hierfür liegt in dem Umstande, dass das ganze Institut der Ministerialität in Mecklenburg, als dieses colonisirt ward und die Ritterschaft jedes einzelnen Gebietes ihre bestimmten Rechte empfing, gar nicht mehr eingeführt ist.  Die Grafen von Ratzeburg, Schwerin und Danneberg selbst zählten zu den Edlen (nobiles), und alle ihre ritterbürtigen Vasallen machten eine unterschiedslose zweite Classe aus, die Mannschaften, den Landadel.  Und nicht anders stellte sich das Verhältniss auch in dem Theile Meklenburgs, welcher unter seinen einheimischen Fürsten verblieb.  Diese Fürsten selbst nahm der Kaiser Friedrich I. 1170 unter die "Fürsten seines Landes" auf; hernach aber führten sieden Titel: nobiles domini Magnopol., und in diesem Range verblieben sie dann, wenngleich sie nicht wie jene Grafen ihre Linde von den sächsischen Herzogen zu Lehn nahmen, bis zur Erhebung in den Stand der Herzoge (1348).  Ihre Vasallen aber standen untereinander und mit den Mannen jener Grafen ganz gleich, die durch Ansehen Lind Alter ihres Geschlechts etwa hervorragenden adeligen Wenden. so viele ihrer noch übrig waren, und die eingewanderten ritterbürtigen Deutschen bildeten einen Stand; dieselben Familien sehen wir bald bei den Grafen, bald bei den Fürsten von Meklenburg, als Vasallen, und ausser den Landesherren gab es weder wencdische noch deutsche "Dynasten" in Meklenburg.
    Die Wenden verdankten diese Gleichstellung mit den ritterbürtigen Deutschen natürlich zumeist der wendischen Abkunft ihrer Landesherren, welche sie schützten, ihnen in ihren Burgen Zufluchtsstätten vergönnten und sie, als das Land sich im 13.  Jahrhundert der Germaniniserung nicht mehr entziehen konnte, zu deutscher Sitte und deutschem Rechte hinüberführten.  Der Westen Meklenburgs aber bis Schwerin hin erschien schon Helmold (um 1185) als eine deutsche Colonie..  Die grausamen Wendenkriege und die Strenge, welche die Grafen von Schwerin und Ratzeburg gegen die Ueberreste der Besiegten ausübten, hatten zur Folge, dass im Bereiche ihrer Herrschaft das Zehntenregister des Bischofs von Ratzeburg (um 1231) nur noch wenig wendische Dörfer nachweist.  Dass aber in jenem Kampfe auf Tod und Leben die deutschen Grafen wendischen Edlen ihre Burgen anvertraut und ihnen Burglehen gegeben hätten, das ist natürlich nicht anzunehmen, auch die andern Leben fielen nach der Lage der Sache der dleutschen Ritterschaft (militia) zu, die für geleistete Kriegsdienste belohnt und zu ferneren Diensten verpflichtet werden musste und deren Existenz mit der ihrer Lehnsherren auf gleichem Grunde ruhete.  Die wendischen grösseren Grundbesitzer waren theils im Kampfe für ihres Landes Unabhängigkeit lind für die Götter geblieben, theils hatten sie sich zum Fürsten Niclot und seinen Söhnen zurückgezogen, ihre Güter waren herrenlos.  Wenn man nun aber sieht, wie die Deutschen nicht einmal in einem Dorfe mit den Ueberresten wendischer Bevölkerung wohnen mochten, sondern diese lieber auf den schlechtesten Theil der Feldmark (das Wendfeld) verbannten und in einem neuen Dorfe für sich wohnen liessen, - wie viel mehr werden sich die siegestrunkenen deutschen Ritter gesträubt haben, wendischen Adel unter ihrer Genossenschaft zu sehen.  In der That finden wir im südwestlichen Meklenburg gegen den Ausgang des 12. Jahrhunderts unter ritterbürtigen Leuten nur einen Mann genannt, der durch seinen Namen seine wendische Abkunft verräth, den Dargemoyzle von Kloddram; dagegen steht, in dem schon erwähnten Zehntenregister unter den bischöflichen Zehnt-Vasallen in den Ländern Schwerin, Gadebusch und Wittenburg kein einziger wendischer Name.
    Der gräflich schwerinsche Lehnmann auf Blücher im Lande Boizenburg war hiernach ohne Zweifel ein Deutscher und konnte, insofern lüneburgische Ministerialen diesseits der Elbe in den Grafschaften Lehen zu erwerben pflegten, recht wohl ein lüneburgischer Ministerial geblieben sein, zumal wenn er etwa in seiner Familie der erste Erwerber jenes Lehns war.  Da er indessen von jenem boizenburgischen Lehn schon seinen Namen führte, so möchte man vermuthen, dass er, gar nicht mehr der erste Erwerber war, dass dieses Lehn vielmehr schon zur- Zeit der lüneburgischen Hoheit über Boizenburg, also in der Zeit vor 1180 in Ulrich von Blüchers Vater gegeben und von diesem auf' Ulrich vererbt ward.  Bei dem Uebergange der Lehnshoheit auf die Grafen von Schwerin blieb dann das enge Band der Ministerialität in seinem Bestande; nicht am schwerinschen, sondern am lüneburgischen Hofe fand Ulrich ein Feld seiner Thätigkeit und als sein Lehnsherr, der Graf Heinrich I., mit dem Herzoge von Lüneburg wegene Königs Waldemars in Streit gerieth, opferte Ulrich sein Lehn, um seiner Ministerialenpflicht zu genügen.Dieselbe Entscheidung trafen aber auch andere Ministerialen; denn der schon oben erwähnte Konrad vom Broke (de Palude) erscheint im Jahre 1220 mit den wohlbekannten boizenburgischen Vasallen und Rittern Dietrich Scherf und Reinhold von Gülz bei dem vermuthlich eben seinen Tod erwartenden Grafen Günzel II. von Schwerin; und 1227 trafen wir ihn mit Urlich von Blücher und anderen als lüneburgischen Ministerialen in der Versammlung auf der Elbwiese bei Lauenburg; wiederum aber erschien er 1228 bei dem Grafen Heinrich I. von Schwerin in dessen letzten Tagen, desgleichen 1237 unter anderen Vasallen des Grafen Günzel III. von Schwerin.
    Oder sollen wir, um nicht Ulrich von Blücher vor dieselbe Alternative wie Konrad von Broke zu stellen, etwa Aushülfe suchen in der Vermuthung, Ulrich sei wohl der Bruder des damaligen Lehnsmannes auf Blücher gewesen ? Zu solcher Hypothese liegt sicher kein Anlass vor, und jedenfalls ist Ulrich als der Vater der drei zunächst auftretenden Ritter Ludolf, Hermann und Johann von Blücher anzusehen, da in der dritten Generation nicht weniger als drei Männer den Namen Ulrich führten und wenigstens zwei von ihnen die ältesten Söhne ihres Hauses waren.
        Dass Blücher das Hauptgut der Familie war, kann nicht zweifelhaft sein, sie führte nach demselben ja den Geschlechtsnamen. Es fragt sich aber, ob, nachdem dieses Lehngut unter schwerinsche Landeshoheit gekommen war, der lüneburgische Ministerial nicht auch noch ein lüneburgisches Lehen inne hatte. Im Herzogthum Lüneburg ist ein solches nun freilich noch nicht bekannt geworden, und niemals erscheint fortan unter der lüneburgischen Ritterschaft der amen und Blücher; aber die Frage will doch erwogen sein.
    Denn die ältesten Verhältnisse der Teldau, vor welcher das Gut Blücher belegen ist, sind wenig bekannt. Seit dem Mittelalter läuft die Grenze Meklenburgs an dieser Stelle schon so wie heute; es kann aber sein, dass die Grafen von Schwerin den jetzt meklenburgischen Antheil an dieser Niederung erst später erworben haben, als das Land Boizenburg. Als der Herzog Wilhelm von Lüneburg der neu zu gründenden Stadt "Löwenstadt" (Bleckede) das Stadtrecht, die Weichbildgrenzen, Weide und Holzberechtigung am 28. August 1209 verlieh, fügte er hinzu: "Ausserdem haben mir denselben (Einwohnern) das Recht verliehen, welches wir in der Wiese genannt Teltow gehabt haben".  Und als der Markgraf Johann von Brandenburg am 28.  Febr. 1258 zwischen dem Herzoge Albrecht von Braunschweig und dem Herzoge Albrecht von Sachsen einen Vergleich über die zwischen ihnen streitigen Gebiete an der Elbe vermittelte, ward auch folgende Bestimmung eingereihet: "Zur Befestigung grösserer Freundschaft hat der Herzog von Braunschweig die Hälfte der sogenannten Teldau dem Herrn Herzog von Sachsen gegeben, und von diesem die Hälfte des Zehnten für die Zeit, wo das genannte Land Teldau zum Anbau ausgethan sein wird, wiederempfangen.  Wenn  aber Etliche in dem genannten Moor Teldowe Besitzungen haben
und dieselben um einen Preis überlassen wollen, oder die genannten Fürsten sie entfernen wollen, so werden sie es mit gleichen Kosten und gleichem Willen thun".
    Hier weiss man in der That nicht, ob, wie im ersten Falle, wo unzweifelhaft nur von dem jetzt zum Fürstenthum Lüneburg gehörigen, nicht mieklenburgischen Antheil der Teldau die Rede ist, so im zweiten Theile auch nur wieder die Hälfte des lüneburgischen Antheils an der Teldau gemeint ist, oder ob hier die Teldau in einem weiteren Sirine, verstanden wird.  Nimmt man an, dass die jetzt meklenburgische Teldau 1258 erst an die Herzöge von Sachsen-Lauenburg und von diesen späterhin weiter an die Grafen von Schwerin gekommen sei, so fehlt doch jede Andeutung von sächsischen Hoheitsrechten in dieser Gegend; und es ist zu erwägen, dass dieses Gebiet ein ganz isolirtes gewesen wäre, da der Derzing (das heutige Amt Neuhaus) zu jener Zeit noch den Grafen von Dannenberg gehörte. Welche Vermuthungen man aber hierüber auch hege, immer bleibt es unwahrscheinlich, dass die von Blücher in der meklenburgischen Teldau ein lüneburgisches Lehn besessen haben sollten. Denn einmal ist die meklenburgische Teldau erst allmählich, gegen Ende des Mittelalters, durch mühsame Deichbauten entwässert worden und für den Anbau gewonnen, mit grösserem Erfolge gar erst seit dem 17. Jahrhundert. Im 13. Jahrhundert konnten sicher nur die höher gelegenen Marschgüter südlich und südöstlich von Blücher in Betracht kommen; und wenn diese oben gemeint sein sollten, so geht aus derselben Urkunde doch auch hervor, dass sie damals eben noch nicht ausgebauet, als auch noch keine selbständigen Rittergüter waren. Ferner besass die Familie von Blücher freilich eine Wiese in der Teldau, einen Theil des heutigen Gutes Klein Tinkenburg, das im 16. Jahrhundert aus dem Wiesenantheilen mehrerer wittenburgischen Vasallen gebildet ist und damals Teldau hiess; aber diese WIese hatte bei weitem nicht den Umfang eines Lehngutes und gehörte gar nicht zum Gute Blücher, sondern zum Gute Waschow in der Vogtei Wittenburg, wie denn Klein Tinkenburg noch heutiges Tages zum Amte Wittenburg gerechnet wird. Das Gut Gross Tinkenburg aber, welches zwischen Klein Tinkenburg und Blücher liegt, erscheint zuerst (im 16. Jahrhundert) im Besitze der Familie Sprengel. Diese hat auch, wie schon der Name andeutet, den Sprengelshof in der Teldau angelegt, und Niendorf in der Teldau erscheint (um 1500) gleichfalls als ihr Gut; sie wird vorzugsweise die Urbarmachung jener Gegend betrieben haben. Die Sprengel waren nun allerdings, spätestens schon im 15. Jahrhundert in den besitz der einen Hälfte des Dorfes Blücher gelangt; aber es ist nicht wahrscheinlich, dass dazu jene Teldaugüter gehörten, denn Reimar von Blücher, dem doch die andere Hälfte jenen Dorfes zustand, besass ursprünglich nicht in diesen. Der Hauptsitz der Sprengel im Boizenburgischen war Gresse, sie besassen aber auch die bei Blücher belegenen Dörfer Bandekow und Niendorf; es ist unentschieden, ob sie von hier aus dem Ausbau der Teldau unternahmen, oder ob sie vom Lüneburgischen aus durch die Teldau vordrangen.
    Wenn überall ein lüneburgisches Lehn der Familie Blücher in jenen Gegenden zu suchen ist, so möchte das dorf Krusendorf zunächst ins Auge zu fassen sein, weil merkwürdiger Weise die Capelle dieses lüneburgischen Dorfes nach dem meklenburgischen Kirchdorfe Blücher eingepfarrt ist.  Diese Vermuthung würde aber annehmlicher erscheinen, wenn irgendwie angedeutet wäre, dass die von Blücher Burgmänner in dem nahen Bleckede gewesen seien; Ulrich von Blücher begegnete uns jedoch vorzugsweise in Lüneburg, und nie in Bleckede. Vermuthlich hatte also Ulrich, der in so nahen Beziehungen zur herzoglichen Familie erscheint, bei Lüneburg auch sein Lehn, und seine Söhne veräusserten es, weil sie des Vaters Verhältniss zum lüneburgischen Hofe nicht fortzusetzen gedachten.

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