Der erste Mann, welcher in den uns erhaltenen oder
zugänglich gewordenen Urkunden den Namen von Blücher trägt,
ist der „Ministerial“ Ulrich von Blücher, der Zeuge war, als im Jahre
1214 der Abt Bernhard zu St. Michaelis an die Herzögin Helena, die
Witwe Herzog Wilhelms und die Mutter des schon erwähnten Herzogs Otto,
einige Hufen aus einem Dorfe bei Lüneburg verkaufte. Sein Name steht
hier unter denen lüneburgischer Ministerialen. Es war auch nicht etwa
ein zufälliger Aufenthalt in Lüneburg, der einen schwerinschen
Lehnmann in die Gesellschaft lüneburgischer Ministerialen geführt
hätte; vielmehr trifft man ihn im nächsten Jahre wiederum im
Gefolge des jungen Herzogs Otto von Lüneburg. Er war nämlich
Zeuge bei einer Schenkung, welche Otto zu Helmstedt dem Templerorden machte
2. Der Herzog bezeichnet alle Zeugen ausdrücklich als seine Ministerialen.
Zum dritten Mal sehen wir den "lüneburgischen
Ministerialen" Ulrich von Blücher zwölf Jahre später unter
traurigen politischen Verhältnissen wieder. Der Herzog Otto
hatte, wie bemerkt, schon 1225 zur Befreiung seines Oheims, des Königs
Waldemar, dem Grafen Albrecht von Orlamünde seinen Beistand geliehen,
auch 1227 zog er dem Könige zu, geriet aber am 22. Juli in die Gefangenschaft
des Grafen von Schwerin. Dieses für Lüneburg so traurige
Ereignis wird die große Zusammenkunft auf der Wiese bei Lauenburg
an der Elbe veranlasse haben, wo von der einen Seite der Herzog Albrecht
von Sachsen, der junge Graf Günzel von Schwerin mit seinem Oheim,
dein Domherrn Friedrich, dem Grafen Heinrich von Waldenberg u. s. w., von
der andern der Bischof Iso von Verden mit seinem Domherrn Lüder (dem
späteren Bischof), dem Abt Johann von Lüneburg und "einigen Ministerialen
von Lüneburg", darunter auch Ulrich von Blücher und Konrad vom
Broke, erschienen. Wahrscheinlich blieb die Unterredung ohne Erfolg; sicher
hatte sie nicht den, dass der Herzog seine Freiheit schon wiedererlangte.
Bevor ihm diese zu Teil ward, diente Ulrich von Blücher noch einmal
als Zeuge und vermutlich auch als Geschäftsträge und Vermittler,
als nämlich am 10. 10. Mai 1228 der Bischof Iso von Verden auf die
Bitte der Herzogin Helena ihrem noch in der Gefangenschaft schmachtenden
Sohne die Lohen verlieh, welche vormals der Pfalzgraf Heinrich vom Stift
Verden getragen bitte.
Dann aber, nachdem der Herzog endlich 1229 aus der
Haft freigekommen war, gab er noch "in dem Jahre seiner Befreiung",
zu Lüneburg, den Teilhabern an den Salzgütern daselbst ein Privilegium,
und zwar nach der Sitte der Zeit vor einer großen Versammlung „seiner
Getreuen“ (fideles nostri); auch unter diesen steht Ulrich von Blücher.
Endlich im Jahre 1234 nennt Herzog Otto in der Urkunde, welche er dem
Michaeliskloster zu Lüneburg über eine Schenkung zu Almosen an
den Todestagen seiner Eltern gab, in einer langen Zeugenreihe und insonderheit
unter „seinen Ministerialen“ (ministeriales nostri) wiederum Ulrich von
Blücher.
Also nicht in der Umgebung der Grafen von Schwerin,
wo man es zunächst vermuten möchte, begegnet uns ein von Blücher
zuerst, sondern in Lüneburg; und nicht als Lehnmann des Grafen von
Schwerin, der doch zu jener Zeit der rechtmäßige Herrscher über
das Land Boizenburg war, erscheint der erste Träger jenes Namens,
sondern als ein Ministerial des Herzogs von Lüneburg, und zwar zu
einer Zeit, da soeben der Graf und der Herzog in einem blutigen Treffen
einander gegenüber gestanden hatten, in einer Versammlung, Wo Ulrich
von Blücher nicht schwerinsche, sondern lüneburgische Interessen
vertreten sollte. Überhaupt aber sieht man diesen Ministerialen
immer unter Umständen, die eine enge Beziehung, ein vertrauliches
Verhältnis zum lüneburgischen Hofe vermuten lassen.
Dieses Auftreten des Stammvaters der Familie von
Blücher zu Lüneburg unter den angegebenen Verhältnissen
hat allerdings etwas Rätselhaftes. Darf man annehmen, daß
Ulrich zugleich lüne- burgischer Ministerial und schwerinscher Lehnmann
war? Oder war er selbst vielleicht nicht der Inhaber des Lehns Blücher,
sondern des damaligen Lehnmannes Sohn oder Bruder, der am lüneburgischen
Hofe Ministerial geworden wir? Oder sollte er etwa, wie die oben
erwähnten Familien von Boizenburg und Schack von Boizenburg sein Lehnsverhältnis
zu dem Grafen von Schwerin aufgegeben haben und zu dem Fürstenhause
zurückgekehrt sein, dem er oder seine Vorfahren als Ministerialen
angehört hatten ? Solche Fragen drängen sich auf. Bevor wir aber
eine Antwort erteilen, werfen wir einen Blick auf die damaligen Zustände
des Adels.
Mann kann, wo die Rede auf Ministerialen kommt,
bekanntermaßen nicht behutsam genug den Ort und die Zeit betrachten,
wo die in Betracht zu ziehenden Personen auftreten. Hier genügt es,
kurz auf folgende Punkte hinzudeuten.
Der Stand der Ministerialen hatte sieh aus unfreien
Leuten gebildet, welche die Geistlichen und weltlichen hohen Herren zu
würdigerer und glanzvollerer Gestaltung ihres Hofwesens und Herstellung
einer Kriegsmannschaft, die nicht wie die Vasallen nur zu beschränkter
Dienstleistung verpflichtet war, aus ihren Leuten aussonderten, mit Beneficien
ausstatteten, zu Ross dienen liessen und mit den Waffen der Freien schmückten.
Wie aber das Gefolgewesen schon zu Tacitus Zeit leicht den Freigelassenen
zu dem Bange des Freigeborenen, ja über diesen erhob, und wie im Frankenreiche
der königliche Dienst nicht selten die edle Herkunft in Schatten stellte,
so verdunktelte späterhin die Ehre, welche die Dienstmanrien in den
Kriegen und airi Hofe ihres Herrn erwarben, leicht die Ehre der Freiheit.
Der Ministerial konnte seit dem12. Jahrhundert die Ritterwürde erlangen
wie der Freie, er hatte so gut wie dieser das Recht zum Zweikampfe und
zur Fehde, er gründete ein rittermässiges Geschlecht wie der
freie Ritter, und seine Lehen wurden eben so wohl erblich, wie die anderen.
Daneben war sein Verhältniss zu seinem Herrn ein viel innigeres und
vertraulicheres, als das des freien Landadels, der für sein Lehn bloss
zu gemessenen Kriegsdieiisten verpflichtet war, in Friedenszeiten aber,
wenn er nicht zu Hoftagen berufen ward, dem Fürsten ferne stand.
Jener hatte, sei es als Vorsteher, sei es als untergeordneter Beamter eines
der Hofämter, dem seine Familie erblich angehörte, eine bestimmte,
ehrenvolle Stellung am Hofe und genoss daneben noch mancherlei Beneficien,
Einkünfte u. s. w. Die Genossenschaft der Ministerialen ward zur Berathung
der
Staatsangelegenheiten gezogen; Sie bildete eine geschlossene Körperschaft,
die im Dienstreelit nicht nur ihre Pflichten und Beschränkungen, donern
auch gegenseitigen Schutz, selbst gegen Uebergriffe des Fürsten, fandl.
Die Schutzbedürftkeit in gefaihrvollen Zeiten und jene Begünstigungen
bewogen schon früh auch freie Leute, welchen es an grossem Besitze
fehlte, sich in die Ministerialität eines Stiftes oder eines Fürsten
aufnehmen zu lassen; ja es werden mitunter sogar "freie Ministerialen"
ausdrücklich erwähnt, und selbst Edle verschmähten es nicht,
ein Hofamtt bei einem Stifte zu führen, wennschon sie sonst natürlich
von den Beschränkungen des Dienstrechtes frei blieben. Es lässt
sich daher in einzelnen Fiillen oft gar nicht bestimmen, ob eine Familie,
welche wir unter den Ministerialen eines Hochstifts oder eines Herzogs
antreffen, ursprünglich aus der Unfreiheit zu dieser bevorzugten Stellung
gelangt, oder ob die Freien durch die Vortheile und Vorziüge, welche
ihnen die Ministerialität verhiess, bewogen waren, mit Aufopferung
ihrer Freiheit in die Dienstmannschaft eines Hochstifts oder eines hochgestellten
Fürstern einzutreten. Z. B. liessen sich noch im Jahre 1257
die Gebrüder von Barmstede, Ritter, unter ausdrücklicher Verzichtleistung
auf Nobilität (nobilitas) und Freiheit (libertas) unter die Ministerialen
des Erzbischofs von Bremen aufnehmen.
Um das Jahr 1200 waren die Ministerialen mit dem
freien Landadel aber noch nicht völlig verschmolzen; Lehnrecht und
Hofrecht bestanden noch in ihrer Verschiedenheit. Der Vasall konnte
sein Verhältniss zum Lehnsherrn durch den Verzicht auf das Lehn lösen,
der Ministerial bedurfte der Freilassung von Seiten des Herrn und konnte
ohne dessen Willen auch kein fremdes Lehn annehmen; selbst die Formen des
Tausches und der Schenkung von Vasallen für den Uebergang derselben
in eine andere Ministerialität kommen noch in einzelnen vor.
Eine Vermählung des Ministerialen ausser dem Kreise welchem er selbst
angehörte, erforderte noch die Genehmigung seines Fürsten; und
wenn aus des ministerialen Ehe mit einer Freien Kinder hervorgingen, so
folgten diese der ärgeren Hand. Der staatsrechtlichen Theorie
nach stand also der freie Landadel immer noch um eine Stufe über den
Ministerialen; in Wirklichkeit aber nahmen die Letzteren oft eine viel
geehrtere und einflussreichere Stellung ein, als in der Regel jener.
Aber was im Allgemeinen galt, das erlitt unter örtlichen
Umständen doch grosse Modificationen. Die unruhige Zeit Herzog
Heinrichs des Löwen gab gerade den sächsischen Ministerialen
nicht nur die beste Gelegenheit, in den Wendenkriegen neuen Ruhm - und
neue Lehen zu erwerben, sondern es mehrten sich auch die Verbindlichkeiten
des Herzogs gegen seine Dienstmannen in dem furchtbaren Unglück, welches
über ihn hereinbrach, in den Kriegen um die Rettung, dann um die Wiedererlangung
seiner Herzogswürde, die er nur durch die Treue der Seinigen zu einem
glücklichen Ende hinauszuführen hoffen durfte. Und die
Regierungszeit seiner Söhne und seines Enlkels Otto war nicht geeignet,
die Entwickelung in dem Staude der Ministerialen aufzuhalten. Wer
die lüneburgischen Urkunden unbefangen durchgeht und die thatsächlichen
Verhältnisse mehr als die historischen Rechte ins Auge fasst, gewahrt
damals in der That in Niedersachsen nur noch zwei Stufen des Adels; auf
der höheren stehen die Edelherren (nobiles), auf der zweiten die ritterbürtigen
Ministerialen und von den freien Rittern solche, die eben nicht Gut genug
besassen, um zu der ersten Classe zu zählen.
Ein sprechendes Zeugniss hierfür liegt in dem
Umstande, dass das ganze Institut der Ministerialität in Mecklenburg,
als dieses colonisirt ward und die Ritterschaft jedes einzelnen Gebietes
ihre bestimmten Rechte empfing, gar nicht mehr eingeführt ist.
Die Grafen von Ratzeburg, Schwerin und Danneberg selbst zählten zu
den Edlen (nobiles), und alle ihre ritterbürtigen Vasallen machten
eine unterschiedslose zweite Classe aus, die Mannschaften, den Landadel.
Und nicht anders stellte sich das Verhältniss auch in dem Theile Meklenburgs,
welcher unter seinen einheimischen Fürsten verblieb. Diese Fürsten
selbst nahm der Kaiser Friedrich I. 1170 unter die "Fürsten seines
Landes" auf; hernach aber führten sieden Titel: nobiles domini Magnopol.,
und in diesem Range verblieben sie dann, wenngleich sie nicht wie jene
Grafen ihre Linde von den sächsischen Herzogen zu Lehn nahmen, bis
zur Erhebung in den Stand der Herzoge (1348). Ihre Vasallen aber
standen untereinander und mit den Mannen jener Grafen ganz gleich, die
durch Ansehen Lind Alter ihres Geschlechts etwa hervorragenden adeligen
Wenden. so viele ihrer noch übrig waren, und die eingewanderten ritterbürtigen
Deutschen bildeten einen Stand; dieselben Familien sehen wir bald bei den
Grafen, bald bei den Fürsten von Meklenburg, als Vasallen, und ausser
den Landesherren gab es weder wencdische noch deutsche "Dynasten" in Meklenburg.
Die Wenden verdankten diese Gleichstellung mit den
ritterbürtigen Deutschen natürlich zumeist der wendischen Abkunft
ihrer Landesherren, welche sie schützten, ihnen in ihren Burgen Zufluchtsstätten
vergönnten und sie, als das Land sich im 13. Jahrhundert der
Germaniniserung nicht mehr entziehen konnte, zu deutscher Sitte und deutschem
Rechte hinüberführten. Der Westen Meklenburgs aber bis
Schwerin hin erschien schon Helmold (um 1185) als eine deutsche Colonie..
Die grausamen Wendenkriege und die Strenge, welche die Grafen von Schwerin
und Ratzeburg gegen die Ueberreste der Besiegten ausübten, hatten
zur Folge, dass im Bereiche ihrer Herrschaft das Zehntenregister des Bischofs
von Ratzeburg (um 1231) nur noch wenig wendische Dörfer nachweist.
Dass aber in jenem Kampfe auf Tod und Leben die deutschen Grafen wendischen
Edlen ihre Burgen anvertraut und ihnen Burglehen gegeben hätten, das
ist natürlich nicht anzunehmen, auch die andern Leben fielen nach
der Lage der Sache der dleutschen Ritterschaft (militia) zu, die für
geleistete Kriegsdienste belohnt und zu ferneren Diensten verpflichtet
werden musste und deren Existenz mit der ihrer Lehnsherren auf gleichem
Grunde ruhete. Die wendischen grösseren Grundbesitzer waren
theils im Kampfe für ihres Landes Unabhängigkeit lind für
die Götter geblieben, theils hatten sie sich zum Fürsten Niclot
und seinen Söhnen zurückgezogen, ihre Güter waren herrenlos.
Wenn man nun aber sieht, wie die Deutschen nicht einmal in einem Dorfe
mit den Ueberresten wendischer Bevölkerung wohnen mochten, sondern
diese lieber auf den schlechtesten Theil der Feldmark (das Wendfeld) verbannten
und in einem neuen Dorfe für sich wohnen liessen, - wie viel mehr
werden sich die siegestrunkenen deutschen Ritter gesträubt haben,
wendischen Adel unter ihrer Genossenschaft zu sehen. In der That
finden wir im südwestlichen Meklenburg gegen den Ausgang des 12. Jahrhunderts
unter ritterbürtigen Leuten nur einen Mann genannt, der durch seinen
Namen seine wendische Abkunft verräth, den Dargemoyzle von Kloddram;
dagegen steht, in dem schon erwähnten Zehntenregister unter den bischöflichen
Zehnt-Vasallen in den Ländern Schwerin, Gadebusch und Wittenburg kein
einziger wendischer Name.
Der gräflich schwerinsche Lehnmann auf Blücher
im Lande Boizenburg war hiernach ohne Zweifel ein Deutscher und konnte,
insofern lüneburgische Ministerialen diesseits der Elbe in den Grafschaften
Lehen zu erwerben pflegten, recht wohl ein lüneburgischer Ministerial
geblieben sein, zumal wenn er etwa in seiner Familie der erste Erwerber
jenes Lehns war. Da er indessen von jenem boizenburgischen Lehn schon
seinen Namen führte, so möchte man vermuthen, dass er, gar nicht
mehr der erste Erwerber war, dass dieses Lehn vielmehr schon zur- Zeit
der lüneburgischen Hoheit über Boizenburg, also in der Zeit vor
1180 in Ulrich von Blüchers Vater gegeben und von diesem auf' Ulrich
vererbt ward. Bei dem Uebergange der Lehnshoheit auf die Grafen von
Schwerin blieb dann das enge Band der Ministerialität in seinem Bestande;
nicht am schwerinschen, sondern am lüneburgischen Hofe fand Ulrich
ein Feld seiner Thätigkeit und als sein Lehnsherr, der Graf Heinrich
I., mit dem Herzoge von Lüneburg wegene Königs Waldemars in Streit
gerieth, opferte Ulrich sein Lehn, um seiner Ministerialenpflicht zu genügen.Dieselbe
Entscheidung trafen aber auch andere Ministerialen; denn der schon oben
erwähnte Konrad vom Broke (de Palude) erscheint im Jahre 1220 mit
den wohlbekannten boizenburgischen Vasallen und Rittern Dietrich Scherf
und Reinhold von Gülz bei dem vermuthlich eben seinen Tod erwartenden
Grafen Günzel II. von Schwerin; und 1227 trafen wir ihn mit Urlich
von Blücher und anderen als lüneburgischen Ministerialen in der
Versammlung auf der Elbwiese bei Lauenburg; wiederum aber erschien er 1228
bei dem Grafen Heinrich I. von Schwerin in dessen letzten Tagen, desgleichen
1237 unter anderen Vasallen des Grafen Günzel III. von Schwerin.
Oder sollen wir, um nicht Ulrich von Blücher
vor dieselbe Alternative wie Konrad von Broke zu stellen, etwa Aushülfe
suchen in der Vermuthung, Ulrich sei wohl der Bruder des damaligen Lehnsmannes
auf Blücher gewesen ? Zu solcher Hypothese liegt sicher kein Anlass
vor, und jedenfalls ist Ulrich als der Vater der drei zunächst auftretenden
Ritter Ludolf, Hermann und Johann von Blücher anzusehen, da in der
dritten Generation nicht weniger als drei Männer den Namen Ulrich
führten und wenigstens zwei von ihnen die ältesten Söhne
ihres Hauses waren.
Dass Blücher das Hauptgut
der Familie war, kann nicht zweifelhaft sein, sie führte nach demselben
ja den Geschlechtsnamen. Es fragt sich aber, ob, nachdem dieses Lehngut
unter schwerinsche Landeshoheit gekommen war, der lüneburgische Ministerial
nicht auch noch ein lüneburgisches Lehen inne hatte. Im Herzogthum
Lüneburg ist ein solches nun freilich noch nicht bekannt geworden,
und niemals erscheint fortan unter der lüneburgischen Ritterschaft
der amen und Blücher; aber die Frage will doch erwogen sein.
Denn die ältesten Verhältnisse der Teldau,
vor welcher das Gut Blücher belegen ist, sind wenig bekannt. Seit
dem Mittelalter läuft die Grenze Meklenburgs an dieser Stelle schon
so wie heute; es kann aber sein, dass die Grafen von Schwerin den jetzt
meklenburgischen Antheil an dieser Niederung erst später erworben
haben, als das Land Boizenburg. Als der Herzog Wilhelm von Lüneburg
der neu zu gründenden Stadt "Löwenstadt" (Bleckede) das Stadtrecht,
die Weichbildgrenzen, Weide und Holzberechtigung am 28. August 1209 verlieh,
fügte er hinzu: "Ausserdem haben mir denselben (Einwohnern) das Recht
verliehen, welches wir in der Wiese genannt Teltow gehabt haben".
Und als der Markgraf Johann von Brandenburg am 28. Febr. 1258 zwischen
dem Herzoge Albrecht von Braunschweig und dem Herzoge Albrecht von Sachsen
einen Vergleich über die zwischen ihnen streitigen Gebiete an der
Elbe vermittelte, ward auch folgende Bestimmung eingereihet: "Zur Befestigung
grösserer Freundschaft hat der Herzog von Braunschweig die Hälfte
der sogenannten Teldau dem Herrn Herzog von Sachsen gegeben, und von diesem
die Hälfte des Zehnten für die Zeit, wo das genannte Land Teldau
zum Anbau ausgethan sein wird, wiederempfangen. Wenn aber Etliche
in dem genannten Moor Teldowe Besitzungen haben
und dieselben um einen Preis überlassen wollen, oder die genannten
Fürsten sie entfernen wollen, so werden sie es mit gleichen Kosten
und gleichem Willen thun".
Hier weiss man in der That nicht, ob, wie im ersten
Falle, wo unzweifelhaft nur von dem jetzt zum Fürstenthum Lüneburg
gehörigen, nicht mieklenburgischen Antheil der Teldau die Rede ist,
so im zweiten Theile auch nur wieder die Hälfte des lüneburgischen
Antheils an der Teldau gemeint ist, oder ob hier die Teldau in einem weiteren
Sirine, verstanden wird. Nimmt man an, dass die jetzt meklenburgische
Teldau 1258 erst an die Herzöge von Sachsen-Lauenburg und von diesen
späterhin weiter an die Grafen von Schwerin gekommen sei, so fehlt
doch jede Andeutung von sächsischen Hoheitsrechten in dieser Gegend;
und es ist zu erwägen, dass dieses Gebiet ein ganz isolirtes gewesen
wäre, da der Derzing (das heutige Amt Neuhaus) zu jener Zeit noch
den Grafen von Dannenberg gehörte. Welche Vermuthungen man aber hierüber
auch hege, immer bleibt es unwahrscheinlich, dass die von Blücher
in der meklenburgischen Teldau ein lüneburgisches Lehn besessen haben
sollten. Denn einmal ist die meklenburgische Teldau erst allmählich,
gegen Ende des Mittelalters, durch mühsame Deichbauten entwässert
worden und für den Anbau gewonnen, mit grösserem Erfolge gar
erst seit dem 17. Jahrhundert. Im 13. Jahrhundert konnten sicher nur die
höher gelegenen Marschgüter südlich und südöstlich
von Blücher in Betracht kommen; und wenn diese oben gemeint sein sollten,
so geht aus derselben Urkunde doch auch hervor, dass sie damals eben noch
nicht ausgebauet, als auch noch keine selbständigen Rittergüter
waren. Ferner besass die Familie von Blücher freilich eine Wiese in
der Teldau, einen Theil des heutigen Gutes Klein Tinkenburg, das im 16.
Jahrhundert aus dem Wiesenantheilen mehrerer wittenburgischen Vasallen
gebildet ist und damals Teldau hiess; aber diese WIese hatte bei weitem
nicht den Umfang eines Lehngutes und gehörte gar nicht zum Gute Blücher,
sondern zum Gute Waschow in der Vogtei Wittenburg, wie denn Klein Tinkenburg
noch heutiges Tages zum Amte Wittenburg gerechnet wird. Das Gut Gross Tinkenburg
aber, welches zwischen Klein Tinkenburg und Blücher liegt, erscheint
zuerst (im 16. Jahrhundert) im Besitze der Familie Sprengel. Diese hat
auch, wie schon der Name andeutet, den Sprengelshof in der Teldau angelegt,
und Niendorf in der Teldau erscheint (um 1500) gleichfalls als ihr Gut;
sie wird vorzugsweise die Urbarmachung jener Gegend betrieben haben. Die
Sprengel waren nun allerdings, spätestens schon im 15. Jahrhundert
in den besitz der einen Hälfte des Dorfes Blücher gelangt; aber
es ist nicht wahrscheinlich, dass dazu jene Teldaugüter gehörten,
denn Reimar von Blücher, dem doch die andere Hälfte jenen Dorfes
zustand, besass ursprünglich nicht in diesen. Der Hauptsitz der Sprengel
im Boizenburgischen war Gresse, sie besassen aber auch die bei Blücher
belegenen Dörfer Bandekow und Niendorf; es ist unentschieden, ob sie
von hier aus dem Ausbau der Teldau unternahmen, oder ob sie vom Lüneburgischen
aus durch die Teldau vordrangen.
Wenn überall ein lüneburgisches Lehn der
Familie Blücher in jenen Gegenden zu suchen ist, so möchte das
dorf Krusendorf zunächst ins Auge zu fassen sein, weil merkwürdiger
Weise die Capelle dieses lüneburgischen Dorfes nach dem meklenburgischen
Kirchdorfe Blücher eingepfarrt ist. Diese Vermuthung würde
aber annehmlicher erscheinen, wenn irgendwie angedeutet wäre, dass
die von Blücher Burgmänner in dem nahen Bleckede gewesen seien;
Ulrich von Blücher begegnete uns jedoch vorzugsweise in Lüneburg,
und nie in Bleckede. Vermuthlich hatte also Ulrich, der in so nahen Beziehungen
zur herzoglichen Familie erscheint, bei Lüneburg auch sein Lehn, und
seine Söhne veräusserten es, weil sie des Vaters Verhältniss
zum lüneburgischen Hofe nicht fortzusetzen gedachten.