§ 21 Die Stammväter der Wittenburger Linie - Wipert und seine
Söhne
Neben den genannten drei Brüdern Hermann, Heinrich
und Ulrich von Blücher, erscheint unter den Vasallen des Grafen Nicolaus
1I. von Schwerin, der bei der Landestheilung mit seinem älterer Bruder
Helmold III. 1282 die Lande Wittenburg, Boizenburg und Sellesen (mit der
Stadt Crivitz) empfangen hatte, noch ein Ritter Namens Wipert von Blücher.
Seine Lebenszeichen sind freilich nicht eben häufig und keineswegs
unzweideutig; ja er ist der Vewechselung noch fast mehr ausgesetzt als
jene Gebrüder, feierlich nicht der Vewechselung mit einem Vetter seines
Geschlechts, wohl aber der mit einem andern Ritter Wipert; und zweifelsüchtige
Kritiker könnten sogar seine ganze Existenz bekämpfen, wenn nicht
der Bischof Konrad von Ratzeburg am 7. November 1287 ganz ausdrücklich
den "Ritter Herrn Wipert genannt von Blücher" erwähnt hätte.
Jener andere Wipert, der Zeitgenosse Wiperts I.
von Blücher, den wir aus mehr als einem Grunde näher ins Auge
fassen müssen, war bis 1273 der Besitzer des Dorfes Melenteke bei
Wittenburg, das später untergegangen und unter dem Namen Neuhof wieder
aufgebauet ist; im Jahre 1273 verkaufte er aber dieses Gut an das Dom-Capitel
zu Ratzeburg Es muss dies sein Stammgut gewesen sein, von dem er
den Namen Wipert von Melenteke führte; und jener Wigmann, der 1231
den Zehnten aus Melenteke vom Bischof zu Lehn trug, wird sein Vater gewesen
sein. Daneben aber muss Wipert von Melenteke auch ein Burglehn zu
Wittenburg besessen haben oder dort wenigstens Burgmann gewesen sein, denn
er wird nicht selten auch Wipert von Wittenburg genannt. Dass diese
beiden Namen: Wipert von Melenteke und Wipert von Wittenburg Benennungen
nur eines Ritters sind, bleibt gar nicht zweifelhaft. Denn seit 1254
wird er in den Urkunden der Grafen von Schwerin gar häufig genannt,
er nimmt an ihrem Hofe eine hervorragende Stelle unter ihren Räthen
ein. Oft steht er neben den von Blücher, und zwar nicht mir, wo es
sich um fremde Angelegenheiten handelt, sondern auch in solchen Fällen,
dass main in ihm einen Verwandten vermuthet; z. B. zog ihn der Bischof
Ulrich voll Blücher zu seiner schon erwähnten Memorienstiftung
vom Jahre 1277 zu. Vielleicht zeugt auch der Uebergang des Namens Wipert
auf die Familie von Blücher voll einer Verwandtschaft derselben mit
der von Melenteke, doch müsste dann wohl der erste Wichmann - dessen
Name eigentlich Wigbert gewesen sein wird - als Gevatter des ersten Wipert
von Blücher angesehen werden, denn der Ritter Wipert von Melenteke,
welcher uns jetzt beschäftigt, wird nicht eben viel älter als
jener Wipert von Blücher und kaum schon dessen Oheim gewesen sein.
Bis zum Jahre 1282 lässt sich dieser Wipert
von Melenteke oder von Wittenburg ganz unzweifelhaft nachweisen. Dann aber
erheben sich Schwierigkeiten. Freilich hat nach seinem Tode seine
Gemahlin Alburgis dem Kloster Eldena zu seinem Seelenheil eine Hebung aus
dein Dorfe, Glasin überwiesen, aber leider haben der Propst und die
Priorin des Klosters ihrer Quittung kein Datum beigefügt, aus dem
sich ja sonst das Ableben Wiperts wenigstens annähernd hätte
bestimmen lassen. Die Schwierigkeit, Wipert unzweideutig zu erkennen,
erwächst für uns daraus, dass er schon in früheren Urkunden
nicht immer Wipert von Melenteke oder Wipert von Wittenburg, sonder mitunter
auch schlichtweg "Ritter Wipert" (ohne den Zusatz "von Melenteke" oder
"von Wittenburg") genannt wird. Wenn nun am l8. September 1282 vom Grafen
Nicolaus als Zeugen : "Graf Helmold, unser lieber Bruder, Wipert, Hermann
von Blücher, Anton von Trebbow, . . . . , Ritter", genannt werden,
so kann man im ersten Augenblick, zweifeln, ob wir auch hier den alten
"Wipert" - von Melenteke - vor uns sehen; erwägt man aber, dass derselbe
Graf wenige Monate vorher, am 27. Juli, eine Urkunde gab deren Zeugenreihe
so anhebt :"Wipert von Melenteke, Hermann von Blücher, Anton von Trebbow,
........ Ritter"; so wird man doch nicht anstehen, sich für den alten
Wipert von Melenteke zu entscheiden.
Fünf Jahre später, am 5. November 1287
fand bei der Boisser Mühle eine Verhandlung statt, deren Gegenstand
an sich unbedeutend war (der Knappe Markward von Zecher verkaufte nämlich,
wie schon erwähnt ist, dem Ratzeburger Dom-Capitel seine Fischereigerechtigkeit
zu Boissow), die uns aber hier doch in hohem Grade interessiert. Der Verkäufer
leistete nämlich dem Dom-Capitel Gewähr, und zwar zu Händen
"der Ritter Wipert, Ulrich Heinrich von Blücher", und mit dem Verkäufer
bürgten "Wipert und Friedrich von Blücher", Amelung genannt Huxit,
.... Friedrich von Melenteke, Hermann von Blücher, Engelbert von Lassan,
Knappen". Mit den Worten: "Ich Wipert, ich Ulrich, ich Heinrich, genannt
(dicti) von Blücher", bezeugen die Beauftragen des Dom-Capitels dem
Empfang der Gewähr. Hier würden wir, auch wenn wir von der Existenz
eines Ritters Wipert von Blücher sonst noch nichts wüssten, doch
durch die Gleichförmigkeit des Ausdrucks genöthigt, den Namen
von Blücher auch auf Wipert zu beziehen, und nur zwei Tage später
findet diese Deutung ihre Bestätigung, indem der Bischof Konrad von
Ratzeburg in der Urkunde, mittels welcher er dem Kloster Zarrentin den
Zehnten aus Püttelkow, den es von Ulrich von Blücher dem Dicken
erworben hatte, bestätigte, denselben "Ritter Wipert genannt von Blücher"
als Zeugen aufführt.
Eine dritte Urkunde, in der Wipert von Blücher
auftritt, ist eine Bestätigung, die der Graf Nicolaus von Wittenburg
am 25. Febr. 1289 dem Kloster Zarrentin ausstellte. Unter den weltlichen
Zeugen
des Grafen stehen die Ritter: "Burkhard von Jesow, Anton von Trebbow,
Johann Balch, Wipert, Ulrich, Hermann von Blücher, Johann von Lützow".
Wäre der alte Wipert von Melenteke hier noch erschienen und schlechtweg
als "Ritter Wipert" aufgeführt, so eröffnete er sicher die Reihe
der Ritter.
Endlich kommt hier noch eine Urkunde in Betracht, jene oft angezogene,
welche der Graf
Nicolaus I. am 13. Mai 1296 zu Wittenburg gegeben hat.
Unter den geistlichen Zeugen finden wir
Männer aus den beiden Familien von Blücher und von Melenteke:
die Domherren Hermann von Blücher zu Ratzeburg, Hermann von Blücher
zu Bremen und Lüder von Melenteke zu Schwerin; und die Reihe der Laienzeugen
hebt so an: "Wipert der ältere (Wipertus senior), Burkhard von Jesow.......
Hermann von Ziggelmark, Friedrich Wiperts Sohn, Ulrich von Blücher
der jüngere, Ritter".
Hier würde man allerdings nicht abgeneigt sein,
sich unter dem "älteren Wipert" den Ritter Wipert von Melenteke zu
denken, wenn die Urkunde 15 Jahre früher gegeben wäre; aber 1296
waren schon 42 Jahre verflossen, seitdem wir diesen zuerst als Rath der
Grafen von Schwerin kennen lernten, und 14 Jahre, seitdem er uns zuletzt
begegnete. Wir verstehen daher auch hier Wipert von Blücher,
und bemerken, dass er seitdem aus unserm Gesichtskreise verschwindet. Wir
haben ihn nur im Wittenburgischen angetroffen, und wo er mit Ulrich und
Heinrich von Blücher zusammen genannt wird, geht er ihnen voran.
War er, wie wir aus allen Verhältnissen, unter denen er auftritt,
schliessen, ihr Bruder, so dürfte er älter als Hermann, Heinrich
und Ulrich gewesen sein.
Wohl konnte Wipert I. von Blücher 1296 schlechtweg
als der "alte Wipert" bezeichnet werden; denn es nahm auch schon ein junger
Wipert von Blücher damals an Regierungsgeschäften Theil.
Die neue (4.) Generation kündigt sich zuerst in der erwähnten
Urkunde Markwards von Zecher vom 5. November 1287 an. Wir werden
sie aber vielleicht am besten kennen lernen, wenn wir uns die Mühe
nicht verdriessen lassen, die Wittenburger Ritter und Knappen zu mustern,
welche seit 1287 im Gefolge des Grafen Nicolaus I. auftraten. Es bürgten
also 1287 für Markward von Zecher: "Wipert und Friedrich von Blücher,
Amelung Huxit, Heinrich von Weltzow und Herrn Johann von Lützow, Friedrich
von Melenteke, Hermann von Blücher,........, Knappen. Am 25. Februar
1296 stellten Burkhard von Jesow, Johann Lützow, Friedrich von Scarzin
(Schosin) und Hermann von Blücher, Ritter, mit den Rathsmännern
von Wittenburg gemeinschaftlich ein Zeugniss aus. Am 23. Mai 1296 zu Wittenburg,
nennt der Graf Nicolaus I. unter seinen Zeugen, und zwar nach den Geistlichen
: Wipert d.ä., Burkhard von Jesow und seinen Bruder Heinrich, Johann
von Lützow, Heinrich von Marsow, Hermann von Ziggelmark, Friedrich
Wiperts Sohn, Ulrich von Blücher d.j., Ritter. Und wiederum am 28.
April 1297, als derselbe Graf dem Kloster Zarrentin den freien Besitz mehrerer
Dörfer, Güter und Zehnten verkaufte, waren die Rittern zugegen:
Burkhard von Jesow und sein Bruder Heinrich....., Johann von Lützow,
Friedrich von Schossin und Hermann von Ziggelmark. - Wir müssen aber,
bevor wir aus den im Druck ausgezeichneten Namen einen Schluss wagen, noch
einige spätere Urkunden herbeiziehen. Am 21. December 1298 befanden
sich bei dem Grafen Nicolaus zu Lübeck "seinen Ritter": Burkhard von
Jesow, Johann Lützow, Friedrich von Schossin, Hermann von Blücher
und Gerhard von Doren. Im nächsten Jahre, 1299, war um denselben Grafen
fast dieselbe Umgebung, die Ritter Johann von Lützow, Burkhard von
Jesow, Hermann von Blücher, Wipert von Blücher, Dithard von Balge,
Heinrich von Jesow, Friedrich von Melenteke. Endlich, als am 11. Mai 1301
der Graf Nicolaus I. sein für den Fürsten Nicolaus II. von Werle
wegen 1500 Mark fein bei dem Herzoge Otto von Braunschweig und dessen Schwester
Mechthild (der unglücklichen Wittwe des von seiner Söhne Hans
gefallenen Heinrich I. von Werle) verbürgte, stellte er fünf
Ritter als Mitbürgen, und zwar Burkhard von Jesow, Johann von Lützow,
Hermann und Wipert Gebrüder von Blücher und Heinrich von Marsow.
Was gewinnen wir durch diese lange Zusammenstellung
der Ritter ? Wir sehen zunächst, dass hier ein Ritter Hermann von
Blücher in ganz anderer Umgebung vorkommt, als früher der gleichnamige
Stammvater der Wittenburger, über den im vorigen Paragraphen gesprochen
ist. Wäre hier aber Letzerer noch aufgetreten, so würde ihm unter
der jungen Ritterschaft gewiss der Ehrenplatz an der Spitze zu Theil geworden
sein.
Ferner führt diese Uebersicht den Leser wohl
zu der festen Ueberzeugung, dass die drei Namen Friedrich von Melenteke,
Friedrich von Schossin und Friedrich, Wiperts Sohn, die immer etwa in gleicher
Stellung vorkommen, nur einen und denselben Mann bezeichnen, den Sohn jenes
alten Wipert von Melenteke, mit dem wir uns vorher beschäftigt haben.
Immerhin könnte man an sich den 1296 genannten "Friedrich, Wiperts
Sohn", auch für den Sohn des damals noch an der Spitze der Zeugenreihe
stehenden alten Wipert von Blücher halten, da 1287 ja wirklich ein
Knappe Friedrich von Blücher vorkam, dessen Vatter wir nicht kennen;
und so gut wie ein Sohn Wiperts von Melenteke, konnte später auch
ein Sohn Wiperts von Blücher schlechtweg Wiperts Sohn heissen. Denn
auch Burkhard von Jesows Sohn Heinrich wird gelegentlich schlechtweg als
Heinrichs Burkhards Sohn bezeichnet. Aber eben die gleiche Stellung
in den verschiedenen Zeugenreihen nöthigt uns, unter Friedrich, Wiperts
Sohn, den Sohn des alten Wipert von Melenteke zu verstehen, zumal Letzterer
vorzugsweise kurzweg Wipert genannt war, und ein zweiter Sohn desselben
1305 auch kurz Markward, Wiperts Sohn, genannt wird. Das Schwanken in den
Benennungen erklärt sich leicht, da der alte Wipert sein Stammgut
Melenteke ja, schon 1273 veräussert hatte. Die Söhne nannten
sich nach den von ihnen (oder vielleicht schon vom Vater) erworbenen neuen
Gütern: Friedrich führte seinen Namen nunmehr von Schossin, Markward
den seinigen von Boddin. Die beiden Ritter Friedrich von Schossin und Markward
von Boddin, welche auch in der schon angführten Urkunde des Grafen
Nicolaus über das Vermächtniss Ulrichs von Blücher des Dicken
an das Kloster Zarrentin vom Jahre 1316 neben den zahlreichen von Blücher
als Zeugen auftreten, erscheinen in der Lehnrolle des Bischofs Markward
von Ratzeburg (die nach seinem Tode 1335 aufgezeichnet ward); sie werden
hier als Brüder bezeichnet und als Vasallen des Bischofs des aufgeführt
wgeen des "Zehnten von 7 Hufen vor der Stadt Wittenburg" und wegen des
Zehnten der Dörfer Schossin und Boddin. Die 7 Hufen werden schon
des Vaters Burglehn gewesen sein, was wir nur anführen zur Erläuterung
unserer auf S.170 geäusserten Annahme, dass dieser wegen seines Burghlehns
"Wipert von Wittenburg" genannt sei. Dass aber Friedrich von Schossin und
Markward von Boddin nicht etwas nur als Halbbrüder (Söhne einer
Mutter, die zuerst an einen von Schossin, später an einen von Boddin
vermählt gewesen) anzusehen sind, ergiebt sich aus den Siegeln ihrer
Familien. Das Siegel Wiperts von Schossin, das aus den Jahren 1326 und
1329 bekannt ist, hat 4, das Siegel Friedrichs von Schossin aus dem Jahre
1326 zeigt 3 Querbalken, das Siegel Lüders von Boddin, das in einem
Abdruck aus dem Jahre 1327 auf uns gekommen ist, hat gleichfalls 4 Querbalken.
Nicht ohne Absicht haben wir dieser Familie die
Aufmerksamkeit des Lesers zugewandt. Wir werden noch zu erzählen haben,
dass nach dem Erlöschen derselben zu Anfang des 16. Jahrhunderts ein
von Blücher, der Gemahl der letzten Tochter jenes Hauses, in den Besitz
des Stammgutes Boddin gelangte und ein neues Blüchersches Haus darauf
gründete, dessen Nachkommen jetzt auf Wietow (bei Wismar) sitzen.
Wir wissen ferner, dass schon Friedrich und Markward mit der Familie von
Blücher verschwägert waren; denn der Ritter Wipert von Lützow
nannte (1320) den Propst Lüder von Blücher und gleichzeitig auch
den Ritter Markward von Boddin seine Ohme, Verwandte von mütterlicher
Seite (avunculi).
Endlich aber darf man, ermuntert durch das an Friedrich
von Melenteke sichtbare Beispiel, sich für die oben nur als Möglichkeit
hingestellte annahme entscheiden, dass Hermann von Blücher und Hermann
von Ziggelmark, die neben ihm abwechselnd vorkommen, eine und dieselbe
Person waren. D.h. wir finden 1287 einen Knappen Hermann von Blücher,
der seit 1296 als Ritter betitelt, und bald nach dem Stammhause Blücher,
bald nach seinem Hause Ziggelmark benannt ward.
Von grosser Wichtigkeit für die Genealogie
der von Blücher ist nun die Urkunde vom 11. Mai 1301, in welcher,
wie erwähnt, dieser Ritter Hermann von Blücher mit seinem Bruder,
dem Ritter Wipert, zusammen auftritt. Schon in der Urkunde vom 5. November
1287 erschien auch Wipert von Blücher als Knappe, dort mit Friedrich
von Blücher zusammengestellt, und von Hermann durch mehrere andere
Knappen getrennt. Sehr wahrscheinlich war Friedrich nicht ihr Bruder,
da er dort, wo er unmittelbar mit Wipert zusammengestellt ist, nicht
so bezeichnet wird, sondern ihr Vetter und wohl ein Bruder des Geistlichen
Hermann von Lehsen, der in den Jahren 1296 und 1297 als Caplan des Grafen
Nicolaus, und am 21. December 1305 unter den "Geistlichen, Pfarrern
und Priestern" vorkommt. Nach dem, was oben an andern Beispielen
gezeigt ist, wird diese Vermuthung nun um so weniger auffallen, als (nach
S. 161) im Mittelalter eine ritterbürtige Familie von Lehsen sonst
unbekannt ist. Mögen nun aber der Knappe Friedrich und sein
muthmasslicher Bruder, der Geistliche Hermann, Söhne jenes Ritters
Hermann, den wir im vorigen Paragraphen zu den Stammvätern der Wittenburger
Linie rechneten, oder seines Bruders Heinrich gewesen sein: wir erklären
uns den Zusammenhang der anscheinend so verwirrten Angaben wohl am besten
durch die Annahme, dass nach dem frühen Tode des Knappen Friedrich
dessen Lehn zu Lehsen an seinen Oheim Wipert (I.) von Blücher, der
bis dahin vielleicht nur Ziggelmark besessen hatte, gefallen ist, dass
Wiperts I. Sohn Hermann von seinem Wohnsitze Ziggelmark benannt ward, um
ihn von seinem gleichnamigen Vetter, dem Geistlichen Hermann aus dem Lehsener
Hause, zu unterscheiden, und dass der Knappe Wibert von Lehsen, der nur
ein einziges Mal, in der Urkunde vom 28. April 1297 erwähnt
wird, kein anderer ist als eben jener Wipert von Blücher, der 1287
als Knappe vorkam, 1299 aber bereits Ritter war und sich uns 1301 als ein
Bruder jenes Hermann von Ziggelmark zu erkennen giebt.
Jedenfalls gewinnt diese Combination in den späteren
Besitzen einen kräftigen Halt. Rücksichtlich des Dorfes
Ziggelmark wissen wir, dass es noch am Ende des 14. Jahrhunderts (und länger)
in Blücherschen Händen war; und in Betreff Lehsens geben gerade
die folgenden Nachrichten über das Bruderpaar Hermanns und Wipert
weitere Aufschlüsse, wie sich bald zeigen wird.
Einen bedeutenden Wirkungskreis haben diese beiden
Männer nicht gefunden; die Verhältnisse ihres Lehnsherrn, des
Grafen Nicolaus I. von Wittenburg, boten dazu auch kaum Gelegenheit.
An Fehden und Bündnissen fehlte es allerdings nicht; doch treten die
von dabei nicht oft namentlich hervor. Dass aber Hermann dennoch
zu den angesehensten Rittern am Wittenburger Hofe gehörte,
ergiebt sich aus einen Vertrage, der am 17. Februar 1307 zu Schwerin
abgeschlossen ward. Die Grafen Gunzelin C. und sein Bruder Heinrich III.,
welche ihrem 1295 oder 1296 verstorbenen Vater Helmold III. in der Schweriner
Linie gefolgt waren, schlossen mit ihrem Oheim, dem Grafen Nicolaus I zu
Wittenburg, und dessen ältestem Sohn, Günzel VI., ein Bündniss
zu gegenseitigem Beistande, und bestellten eine Schiedsgericht von 8 Vasallen
zum Austrage der zwischen ihnen selbst etwa ausbrechenden Streitigkeiten;
diese sollten solche innerhalb 4 Wochen auf dem Wege der Güte oder
des Rechts schlichten. Die vier Ritter, welche von wittenburgischer
Seite dazu ernannt wurden, waren Arnd von Wosten, Johann von Lützow,
Hermann von Blücher und Heinrich Sprengel.
Um den Grafen Nicolaus, sehen wir beide Brüder
sonst noch oft, so zu Wittenburg am 21. Decbr. 1305 beide, am 13.
Decbr. 1,307 zu Boizenburg Hermann, am 2. April 1309 waren wiederum beide
mit dem Grafen zu Zarrentin; im September 1310 begleitete Wipert die beiden
Grafen Nicolaus I. von Wittenburg und Heinrich III. von Schwerin auf einer
Fahrt über die Elbe, wie Urkunden des Klosters Lüne zeigen. Als
am 21. October 1313 zu Salem der Graf Gerhard von Holstein seiner Gemahlin
Anastasia, einer Tochter des Grafen Nicolaus I. von Wittenburg, das Leibgedinge
verschrieb, war mit dem Jungen Grafen Günzel VI. auch Wipert von Blücher
zugegen. Am 31. October 1315 war wieder Hermann Zeuge einer zu Wittenburg
gegebenen gräflichen Urkunde und derselbe war am 10. August 1316 in
Zarrentin, als Nicolaus dort seines muthmasslichen Oheims, Ulrichs des
Dicken, schon erwähntes Vermächtniss an das Kloster aus der Tüschower
Mühle bestätigte. - Man darf daraus den Schluss ziehen, dass
beide Brüder tüchtige Männer waren und sich der Achtung
ihres Lehnsherren erfreueten. In den Streitigkeiten mit seinem ältesten
Sohne, dein Grafen Günzel VI., welche die letzten Lebensjahre Nicolaus
des I. trübten, werden die Brüder von Blücher nicht genannt;
doch waren sie damals noch am Leben, sie haben diesen Grafen, der ihnen
so viel Gunst und Vertrauen geschenkt hatte, noch vor sich hinsterben im
Frühling des Jahres 1323.
Seine Lande wurden dann getheilt; der älteste
Sohn, Günzel VI regierte fortan im Lande Wittenburg, dagegen fielen
dessen viel jüngerem (Stief-)Bruder Nicolaus II. die Länder Boizenburg
und Sellesen zu.
Unter Günzels VI., Regierung sehen wir die
beiden "Ritter Wipert d. ä. und Hermann genannt von Blücher"
nur noch einmal thätig, und zwar in einer Familienangelegenheit, welche
für die Genealogie ihres Geschlechtes von grossem Interesse ist.
Am 22. August 1323 bewidmeten sie nämlich zu ihrem und aller
ihrer verstorbenen Verwandten Seelenheile eine Capelle und Vicarei in der
Kirche zu Wittenburg, nachdem sie die Capelle soeben gegründet und
errichtet hatten. Sie schenkten derselben "von den ihnen von Gott
verliehenen Gütern" eine jährliche Hebung von 6 Pfund (Wispeln)
Roggen aus ihrer Mühle zu Lehsen und 7 Hufen in ihrem Dorfe Bekendorf,
mit allem, Recht, mit hohem und niederem Gericht, mit den Hofstätten,
Aeckern u. s. w., kurz mit allem Zubehör; sie wiesen den Vicar an,
seine Hebungen auf Martini aus Bekendorf in Empfang zu nehmen, und gaben
ihm hier wie in Betreff der Mühlenhebung aus Lehsen die Befugniss
der Pfändung. Das Patronatrecht über diese Vicarei behielten
die beiden Stifter ihren echten und rechten Erben vor. Der Pfarrer
zu Wittenburg ertheilte zu der Gründung seine Zustimmung; Graf Günzel
VI. verlieh der Vicarei das Eigentum jener Güter, d. h. er befreiete
sie vom Lehnsverbande; und der bei der Bewidmung gleichfalls anwesende
Bischof von Ratzeburg, Markward von Jesow, bestäthigte sie.
Ueber diese Familiencapelle der von Blücher
in der Kirche zu Wittenburg, welche also später als die Boizenburger
und die Gadebuschern, und früher als die Vicarei der pommerschen Linie
zu Rellin gegründet ist, giebt es noch Nachrichten aus dem 16. und
dem 17. Jahrhundert; sie hiess damals die Johanniscappelle. Messen wurden
in derselben bis zur Einführung der Reformation gelesen. 1554, vernehmen
wir, hatten, die von Blücher, ohne Zweifel weil sie zum Lutherthum
übergetreten waren und als Patrone. den Gottesdienst an diesem Nebenaltar
aufgehoben hatten, die Kelche an sich genommen und wollten sie nicht hergeben.
Die Cappelle diente fortan noch zur Begräbnisstätte der Familie
von Blücher, bis sie im 30jährigen Kriege völlig wüste
ward. Heinrich von Blücher, der letzte Spross des Hauses Lehsen, bemühte
sich vergeblich bei seinen Vettern um die Wiederherstellung. Da die Familie
damals die Umgegend von Wittenburg verliess, hat sie diese alte Familienstiftung
nicht wieder aufgerichtet, und im Jahre 1682 stürzte die Capelle ein,
welche an der nördlichen Seite der Kirche, anscheinend in einem Kreuzflügel
derselben, lag.
Dies ist also die erste urkundliche Nachricht vom
Blücherschen Besitze in Lehsen, welche unsere obigen Schlusse bestäthigt.
Gehörte den beiden Brüdern die Mühle daselbst als ein Lehn,
so werden wir, zumal hier drei Jahrhunderte lang keine anderen Besitzer
als die von Blücher vorkommen, auch das ganze Gut für ihren Besitz
ansehen dürfen - mit Ausnahme zweier Hufen, welche schon 1319, und
anscheinend zum Theil wenigstens schon 1231, dem Pfarrer zu Wittenburg
zuständig waren. Ferner kann man mit Sicherheit folgern, dass Lehsen,
da es den beiden Brüdern gemeinschaftlich gehörte, schon auf
sie vererbt war; sind wahrscheinlich hat es, wie oben bemerkt ist, auch
ihr Vater, als welchen wir - des Namens wegen - Wipert I. ansehen, schon
von seinem Brudersohn Friedrich geerbt. Dann möchte Hermann,
der in §. 20 unter den Stammvätern der Wittenburger Linie aufgeführt
ward, der erste Erwerber gewesen sein.
Noch im 17. Jahrhundert sah das aus Lehsen
stammende Haus Gross-Renzow einen Ritter Wipert von Blücher als seinen
Ahnherrn an, setzte ihn aber freilich irrtümlicher Weise so nahe,
dass er (nach den Ahnentafeln) im 15. Jahrhundert gelebt haben müsste,
wo gar kein von Blücher mit diesem Taufnamen in Urkunden vorkommt.
Vielleicht kannte man ihn aber auch nicht einmal aus der Familiensage,
sondern nur aus dem anderweitig bezeugten Vermächtnisse eines Ritters
Wipert von Blücher und seiner Gemahlin; aus diesem sollte der Pfarrer
in Wittenburg zu ihrer Memorie jedem Vicar (jährlich) einen Schilling
geben und hat ihn auch bis in das 16. Jahrhundert gegeben.
Das Gut Bekendorf bei Boizenburg, ohnehin keins
der grössten, hatte durch die Schenkung von 7 Hufen an den Vicar zu
Wittenburg ohne Zweifel an Werth sehr verloren, die von Blücher veräusserten,
worauf wir noch zurückkommen, den Rest ihres dortigen Besitzes bald
hernach; schon 1328 machte der Ritter Heinrich von Sprengel aus demselben
Dorfe eine Schenkung an die von ihm gestiftete Vicarei in der Kirche zu
Boizenburg. Wir sagen "veräusserten" un wählen absichtlich
einen so unbestimmten Ausdruck, da sich später darüber, ob es
sich hier um einen Verkauf oder um eine Verpfändung handelte, zwischen
den Familien von Sprengel und von Blücher ein äusserst langwieriger
Streit entspann.
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