§ 48 Christoph, Ewalds Sohn
Wir haben gezeigt, dass zu Anfang des 16. Jahrhunderts,
wie schon seit Langem, das alte Stammgut Lehsen bei Wittenberg in getheiltem
Besitze war, dass der eine Hof daselbst mit den dazu gelegten Bauern der
Waschower Linie des Geschlechts von Blücher gehörte, dass dagegen
auf dem andern Edelhofe zu Lehsen Ewald von Blücher, der einzige damalige
Vertreter seines Hauses, wohnte, und dass der dazu gehörige Antheil
der Bauerschaft zu Lehsen, sowie Antheile an der Feldmark Bekendorf und
an den Dörfern Döbbersen und Ziggelmark sein väterliches
Erbgut aumachten, welches er erheblich erweiterte, indem er von dem alten
Rath Reimar von Blücher auf Preten das Dorf Gr.-Renzow, wenn auch
zunächst nur zum Pfandbesitze, erwarb.
Aber, so gut wir über den Besitz Ewalds unterrichtet
sind so wenig Aufschlüsse geben uns die Akten über die Familienverhältnisse
dieses Stammvaters aller späteren Geschlechter der weitverzweigten
Linien Lehsen, Rosenow und Wathlstatt. Ob seine Ehefrau [Anna] von
Scharffenberg vor oder nach ihm gestorben ist, ob er Töchter hinterlassen
hat, ob seine Ehe mit mehreren Söhnen gesegnet war: das alles bleibt
uns unbekannt. Sicher ist dagegen, dass ihn nur ein einziger Sohn,
Christoph, überlebte und der Erbe seiner sammtlichen Güter ward.
Nicht einmal das Todesjahr Ewalds haben wir zu ermitteln
vermocht. Wir wissen nur, dass er am Ende des Jahres 1529 noch am
Leben war, spätestens aber 1534 verstorben sein muss. Denn in
dem letzteren Jahre wird schon erwähnt, dass die beiden Blücherschen
Höfe zu Lehsen unter vormundschaftlicher Verwaltung stünden;
und in einem Ostern 1535 entworfenen "Anschlag etzlicher Reuter" findet
sich schon "Ewalt Blucher soen zu Leess" verzeichnet. Eine Randbemerkung
giebt dazu die Erläuterung: "heist Cristof".
Christoph von Blücher muss damals, als er mit
zwei Rossen nach Schwerin kommen sollte, kaum 15 Jahre gezählt haben;
denn bei einem gerichtlichen Zeugenverhör im Jahre 1562 giebt er von
sich an, er sei "40 Jahre alt ungefährlich", er wird also frühestens
um 1520 geboren sein. Den Zweck, zu welchem er 1535 in Schwerin erscheinen
sollte, erfahren wir leider nicht; es dünkt uns aber nicht unwahrscheinlich,
dass er sich an dem unglücklichen Versuche des Herzogs Albrecht des
Schönen (VII.) von Meklenburg, mit Hülfe, der Hanseaten die dänische
Krone zu gewinnen, betheiligt hat, dass er dem Herzoge nach Kopenhagen
gefolgt und nach der Capitulation dieser Stadt im folgenden Jahre heimgekehrt
ist.
Daraus würde sich wenigstens hinlänglich
erklären, dass Christophs Vermögensverhältnisse in den nächsten
Jahren trotz seines ansehnliches Güterbesitzes keineswegs glänzend
waren. "Aus dringender Noth", wie er später selbst angab, verkaufte
er um den geringen Preis von 100 Mark Lüb. 1540 den von seinem Vater
auf ihn vererbten dritten Theil der Feldmark Bekendorf an seinen Vetter,
den vormaligen Domherrn Joachim von Blücher auf Wiebendorf, der schon
ein zweites Drittel von jener Feldmark besass. Als jedoch um das Jahr 1550
Joachim verstorben war, und dessen Wittwe bei ihrem Abzuge von Wiebendorf
sich jener Feldmark zu entlasten wünschte, mochte Christoph dies alte
Familiengut nicht an Fremde übergehen lassen, sondern brachte beide
Drittheile wieder in seine Hand.
Indessen war ihm nicht verborgen, dass die Familie
Sprengel mit seinen Vorfahren seit Jahrhunderten um den Besitz von Bekendorf
gestritten hatte, und dass sie auch jetzt noch immer nicht geneigt war
ihre Ansprüche auf diese Feldmark fahren zu lassen. Wahrscheinlich
mehr aus Besorgniss vor solchen neuen Anfechtungen, als weil "ihn hernachmals
wieder die Noth angestossen", hat Christoph sich bald zu einer neuen Veräusserung
der Feldmark entschlossen, die ihm überdies zur eigenen Nutzung zu
fern lag. Vergeblich bot er sie seinem Vetter Jürgen von Blücher
auf Waschow an. Dieser liess ihm antworten, "er frage nach dem Gute nicht,
Christoph möge es lassen, wem er könne". Da überliess
Letztere 1554 an Heinrich Sprengel und dessen Frau "das Feld zu Bekendorf
mit der Pacht aus Brätzin und Bengerstorf " um 400 Mark "Lübisch
vierstädter Münze", behielt sich jedoch, um seiner Familie nicht
zu vergeben, das Recht vor, dies Gut um denselben Preis einlösen zu
dürfen.
So gelangte denn die Familie Sprengel, wenigstens
einstweilen, in denm Besitz jenes Gutes, aus welchem Blüchers Vorfahren
im Jahre 1323 vornehmlich die von ihnen in der Kirche zu Wittenburg gegründete
Capelle und Vicarei bewidmet hatten. Diese Stiftung war nun freilich hinfällig
geworden. Denn Christophs Lebenszeit fiel eben in die Periode, da
Meklenburg sieh völlig vom Katholicismus abwandte und das Lutherthum
annahm.
Die kirchlichen Verhältnisse zu Wittenburg,
wo die alten Blücherschen Stammgüter Lehsen und Waschow eingepfarrt
waren, wurden nach der Einführung des protestantischen Kirchenwesens
durch die Kirchen-Visitation im Frühling 1554 neu geordnet.
Aus den damals aufgenommenen Protocollen ersieht man, dass die von Blücher
die Vicarei zu ihrer St. Johannis-Capelle in der Wittenburger Kirche bereits
aufgehoben, und auch den Messkelch derselben an sich genommen hatten.
Die Capellen zu Lehsen und zu Waschow blieben als lutherische Capellen
bei Bestand; von der ersteren ward dem Pfarrer die von ihm als altherkömmlich
in Anspruch genommene, wenngleich lange bestrittene Ackerpacht zugestanden.
Im Jahre 1560, in einem bei dem Reichskammergerichte
schwebenden Processe der von Preen auf Steinfeld gegen Claus von Gühlen
wegen des Gutes Badow, fungirte Christoph von Blücher mit
seinem Boddiner Vetter Joachim von Blücher und dem fürstlichen
Amtmann zu Güstrow als kaiserlicher Commissarius. Sonst erfahren
wir fast nichts von einer Thätigkeit Christophs in öffentlichen
oder in fremden Privat-Angelegenheiten. Er ist übrigens auch
in einem Alter von höchstens 50 Jahren gestorben. Das letzte
Lebenszeichen von ihm, welches sich in den Acten erhalten hat, ist das
schon erwähnte Zeu-gnverhör im Jahre 1562. Sein Todesjahr
ist uns nicht überliefert; wir können nur sagen, dass er am 6.
Juli 1571 nicht mehr am Leben war. Denn an diesem Tage erliess die
fürstliche Canzlei zu Schwerin, ohne Zweifel wegen Grenzirrungen,
einen Befehl an die Bauern zu Perdöhl auf die Klage der "Anna Gentzschowen
und Dorothea Driebergs, Jürgen" [von Blüchers auf Waschow] "und
Christoffers Bluchers seligen nachgelassenen Wittwen".
Nur an dieser Stelle wird uns in gleichzeitigen Acten der Vorname und
die Familie der Gemahlin Christoph von Blüchers genannt. Es
stimmt dazu übrigens die in Bd. I, auf Seite 305 mitgetheilte
Ahnentafel, wonach Christoph mit "Fr. Dorothea von Driebergen
vom Hause Gottmannsfort" (Gottmannsförde bei Schwerin) verheirathet
war. Ihr Todesjahr ist unbekannt.
Von den K i n d e r n Christophs kennen wir zunächst
mit Sicherheit zwei Söhne:
1) Ewald und
2) Ulrich (Stammvater des Hauses Gr.-Renzow)
Zweifelhaft ist dagegen, ob wir als dritten Sohn
3) Christian (Kirsten) hinzufügen dürfen.
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