§ 7 - Die Ketelhot

    Nach einer Nachricht in den Geschichtsbüchern der neueren Zeit soll die Familie Ketelhot ein altes sächsisches Geschlecht sein, welches schon im 11. Jahrhundert in den Kriegen gegen die Wenden einen Sprössling nach Meklenburg entsandt habe. Es heisst in den sogenannten Ueberlieferungen des Klosters Corvey : Im  J. 1069 sei aus dem Hau Nizem, im Bisthume Havelberg, nach dem Kloster Corvey ein aus seiner Heimat vertriebenr Ritter Namens Vredebern gekommen, ein Mann, wie ein Riese, der sein Haupt mit einem Helme von der Gestalt eines Kessels bedeckt habe, daher er Ketelhot genannt worden sei. Er habe in dem sächsischen Kriege das Kloster tapfer vertheidigt, demselben seien Güter im Gau Nitzem geschenkt und dafür vom Kloster Güter in Brokhusen zu Lehn genommen. Sein ältesten Sohn Gerhard sei dem Vater in dem corveyschen Lehne gefolgt; der zweite Nicolaus sei an den Rhein gezogen und habe hier die Linie Kesselhut von Seeheim, im Darmstädtischen, gegründet; der jüngste Georg habe unter dem Herzoge Ordulf von Sachsen (+ 1074) einen  Zug gegen die Wenden an der Ostsee mitgemacht, hier zum Lohn für seine Thaten das Dorf Ketelhotsdorf bei Teterow erlangten und die meklenburgische Linie gegründet.
       Wäre diese ausführliche Geschichte, die in ihrer Art selten ist, wahr, so dürfte es vielleicht erlaubt sein, aus derselben den Schluss zu ziehen, dass bei der innigen Verwandtschaft der Ketelhot mit den Hahn die letztern wahrscheinlich auch fremden Ursprungs seien, da es sehr natürlich wäre, dass in einer Umwälzungsperiode sich die Glieder desselben Volksstammes eng aneinander geschlossen hätten. Nun aber ist die ganze Geschichte, möge es auch mit dem corveyschen Lehngute seine Richtigkeit haben, eine freche Lüge, aus nicht verstandenen, dunkeln genealogischen Nachrichten meklenburgischer Schriftsteller zusammengestoppelt, und nichts mag mehr die Unächtheit der corveyschen Traditionen beweisen, als grade die Geschichte von den Ketelhot. Der Beweis der Unwahrheit liegt darin, dass Ketelhotsdorf bei Teterow liegen soll und das jetzige Kötel damit gemeint ist; Kötel, mitten im Lande; im Fürstenthume Werle, hatte aber nie Ketelhotsdorf geheissen, und Ketelhotsdorf lag ma Strande der Ostsee im Fürstenthume Meklenburg. Die ganze Geschichte beruht also auf einer neuern topographischen Etymologie, welche in allen Theilen grundfalsch, von dem Verfertiger der Nachrichten aber für begründet angenommen und zur Grundlage seiner Erzählung benutzt ist.
       Die Ketelhot sind vielmehr eben so ein altes, meklenburgisches Geschlecht, wie alle übrigen alten Geschlechter des Landes. Nach der Gedächtnisstiftung vom 30. Mai 1278 [XXXVII] war Vredebern der Vater der damals lebenden Ketelhot und ohne Zweifel der Stammvater des Geschhlechts, ein Zeitgenosse des Eckhard Hahn. Er erscheint noch im J. 1256 als Ritter Vredebern (Vredebernus miles) zu Wismar im Gefolge des Fürsten Johann von Meklenburg bei der Verleihung des Patronats von Klütz and den Bischof von Ratzeburg. Nach dem Zehntenregister des Bisthums Ratzeburg ungefähr vom J. 1230, war er zuerst im Lande Bresen (Grevesmühlen) angesessen und hatte Besitzungen in der Pfarre Hohenkirchen zu Bekerwitz, Reimanstorf und Wischendorfund in der Pfarre Gressow zu Marquardusthorp, jetzte Meiersdorf. Er hatte ohne Zweifel selbst ein Dorf gegründert, denn inn der Pfarre Gressow lag ein Gut Namens Vredebernshagen (indago Fredeberni), welches im 14. Jahrhundert dem deutschen Orden gehörte, von diesem ann die von Stove und von diesen an die Stralendorf überging; es hiess im 14. Jahrhundert Vredebernshagen, im 15. Jahrh. Vredenhagen, im 16. und 17. Jahrh. Frebhershagen und seit dem 17. Jahrh. Friedrichshagen.
       Das Dorf Ketelhotsdorf, welches ebenfalls ohne Zweifel von dem Geschlechte seinem Namen hat, lag in der Vogtei Bukow oder im Lande Bug und ist das jetzige Dorf Kägsdorf an der Ostsee in der Pfarre Alt-Gaarz. Schon vor dem J. 1284 war es von dem Ritter Johann Babbe an das Kloster Doberan übergegangen; von diesem kauften es, als ein in ihrer Herrschaft gelegenes Dorf, im. J. 1284 die Fürsten von Meklenburg. Seit dem J. 1324 besassen es die von Bülow, welche dem nahen Kloster Doberan Hebungen aus demselben schenkten und es demselben im J. 1507 ganz verpfändeten. Im J. 1324 hiess es noch Ketelhodesdorp, um das J. 1500 Kerstorp und Kestorp und seit der Mitte des 16. Jahrhunderts Kegesdorf oder Keysdorf. In der Gegend des Dorfes selbst hört man viel mehr, jedoch unbestimmte Kehlbuchstaben, als der Schriftname Kägsdorf hat : der Name klingt dort fast wie Kegelsdörp oder Kethelsdörp.
       Diese beiden Güter Vredebernsbagen und Ketelhotsdorf zeugen für ein hohes Alter des Geschlechts in Meklenburg, da sie schon früh aus der Familie kommen und Wattmannshagen im Osten des Landes schon in der zweiten Hälfte des 13.  Jahrhunderts ein altväterliclies Lehn war.
       Der Ritter Vredebern hatte nach der Schenkung vom 30.  Mai 1278 drei Söhne: die Ritter Mathias, Nicolaus und Gerhard Ketelhot, ohne Zweifel diejenigen, welche in den corveyschen Traditionen als die drei Söhne Vredeberns unter den Namen Gerhard, Nicolaus und Georg 200 Jahre früher aufgeführt werden.  Der jüngere, Gerhard, wird schon im J. 1257 genannt; alle drei aber lassen sich ungefähr von 1270-1290 sicher verfolgen.

Die Stammälteren des Geschlechts Ketelhot sind also :

Stammbaum Ketelhot

Nach dieser nur aus Urkunden geschöpften Darstellung wird die Unwahrheit der corveyschen Sage von selbst in die Augen springen.
            Wie jedes der alten Geschlechter seinen eigenthümlichen Vornamen hat, der Jahrhunderte hindurch sich wiederholt, so ist der Vredebern dem ketelhotschen Geschlechte eigenthümlich geblieben. Im Anfange wohnt z.B. ein Vredebern Ketelhot mit seinen Brüdern, Söhnen des Heinrich Ketelhot, auf Cadow bei Goldbegr und nocg in der zweiten Hälfte des 15. Jahrunderts kommt wiederholt ein Vredemer ketelhot auf Camptz im Amte Wredenhagen neben einem bruder auf Karbow vor; Camptz war nämlich im 15. Jahrundert das Hauptgut der Familie Ketelhot.
            Diese Beobachtung der Fortdauer der Vornamen führt hier aber noch zu weiteren Ergebnissen, welche im höchsten Grade überraschend sind und welche sich grade in der Geschichte des Geschlechtes Hahn glänzend bewähren. Die alten kräftigen Stämme treiben nicht allein Zweige, sondern auch Seitenwurzeln, welche oft mit nicht geringerer Kraft emporschiessen, als die Hauptstämme: viele Familien mit verschiedenen Geschlechtsnamen, aber gleichen Schilden und Vornamen kommen von demselben Stammvatzer. Bei dem Geschlechte der Ketelhot kann dies nur angedeutet werden, da die Forschungen noch lange nicht hinlänglich vorbereitet sind.
           In der ketelhotschen Gedächtnisstiftung vom 30. Mai 1278 werden unter den gestorbenen Blutsverwandten am Ende noch Hermann und Arnold angeführt, welche, da ihnen kein Zuname gegeben ist, schwer zu erkennen sind. Dies werden die Stammväter der Geschlechter Vrimanstorf und Woosten sein, weclhe für dern Fall der Bestötigung dieser Vermuthung aus demselben Geschlechte herstammen, aus welchem Vredebern hervorging, wenn er auch nicht ihr Vater war.
            Das Geschlecht der Virmanstorf oder Vrigemanstorf, später auch Frimerstorf genannt, führt das ketelhotsche Wappen und ketelhotsche Vornamen. An einer doberaner Urkunde vom Peters und Pauls Abend 1345 hängt Vredebern's von Vrigmannestorp Siegel mit drei runden kesselförmigen Helmen, wie die Ketelhot sie im Schilde fuhren.  Die Vrimanstorf treten schon im 13.  Jahrhundert auf ; im Anfange des 14.  Jahrhunderts lebte ein Knappe Ludolf von Vrimanstorf.  Ihr Hauptgut war Mandelshagen, auf welchem schon 1334 Gerd Vrimanstorf und zuletzt 1504 Arnd Vrimerstorf, der letzte seines Geschlechts, lebte.
        Arnold war ein Vorname in der Familie Woosten. Am Ende des 13
. Jahrhunderts lebten zwei Brüder Arnold und Raven von Woosten und im Anfange des 14. Jahrhunderts ein Ritter Vredebern von Woosten zu Gischow.

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