2) Wappen

        Die v. Kardorff in Mecklenburg haben nie ihren Wappenschild wesentlich verändert; über die Schilde derer, welche in andern Gegenden als die ältesten des Namens vorkommen haben sich keine Nachrichten gefunden.
         Das Wappenbild sind drei gezahnte Räder; die Heraldik nennt sie Kammräder.  So hat man aber in den früheren Zeiten sie nicht genannt; in einem Transsumpt vom 11. Mai 1423 nennt der Magistrat von Malchin sie "dre Wetrade".  Wette ist bekanntlich das alte Wort für Gericht; sie wurden also von dem Magistrat für Gerichtsräder angesehen und es ist wohl ausser Zweifel, dass die Familie zu jener Zeit sie selbst also bezeichnete.  Jedoch ist diese Bezeichnung nicht geblieben und schon 1570 nennt Ulenoge sie Kammrade, wie er es von Matthias Kerkdorff und dessen Vater und Brüdern gehört haben will.
        Was nun die Form dieser Räder betrifft, so ist über die Zahl der Zähne keine bestimmende Norm zu entdecken; die Gestalt derselben ist in der früheren Zeit immer gespitzt, so dass hin und wieder, wo nur wenig Zähne angegeben wurden, die Räder eine sternförmige Gestalt annähmen,
z. B. bei Radeke von 1429 (tab. II 13), und bei dem Siegel, welches Hermann 1436 gebrauchte (tab. III. 30).  Ganz ohne Zacken (und demnach dem Wappen des Raven Buck von 1308, der Rocksvale von 1352 ähnlich) kommen sie bei Hennecke 1443 (tab. II. 8) vor.  Jedoch sind das lediglich Willkürlichkeiten der Siegelstecher und ist kein Gewicht darauf zu legen.
        Bedeutender ist die Zahl der Speichen, denn darauf nimmt die Heraldik Rücksicht, und auch in dieser Hinsicht zeigen sich sehr viele Verschiedenheiten.  Das älteste Siegel, welches sich erhalten hat, ist das des Siffridus von 1319 (t. I 1); es hat die drei gezahnten Räder mit 6 Speichen und diese Zahl kommt nachher öfter vor. So hat sie Hermann 1358 (t. I. 3), Radeke 1385 (t. I. 6, jedoch in dem untern Rade nur 5) und 1398 (t. I. 7), dann Radeke zu Kl. Nikör 1448 (t. II. 14), Joachim zu Grantzow 1425 (t. II. 15).  Auch Ritter Hermann zu Bolendorf und Wöpkendorf, Vogt zu Gnoien von 1444-1460 (t. III. 22) und der andere Hermann, Vogt zu Gnoien 1438 und sein gleichnamiger Sohn 1448 haben diese Zahl (t. III. 28, 29).  Jedoch auch andere Zahlen finden sich früher; so hat Ritter Radolphus von 1362-1393 (t. 1. 2) Räder von 8 Speichen und eine gleiche Zahl hat der Leichenstein der Nonne Truda im heil.  Kreuzkloster in Rostock von 1350 ( t. VI. ), das älteste Grabmal, das von Mitgliedern der Familie sich erhalten hat, und eben so viel Speichen haben auch die Dargunschen Glasfenster, welche in der letzten Hälfte des 15.  Jahrhunderts von Radeke zu Nikör und Hermann zu Wobbekendorf ( t. IV. u. V.) geschenkt wurden. - Claus zu Granzow hat 1388-90 Räder mit 7 Speichen (t. I. 4), der Knappe Henneke 1443 hat deren 5 (t. II. 8 ) und ebenso Claus zu Gewetzin 1407 (t. II. 9) und früher schon Henneke, Radelofs Sohn 1398 (t.II. 17).  Die Räder mit 4 Speichen finden sich bei Claus zu Gevretzin von 1438 (t.11. 10), bei Radeke von 1429 (t. 11. 13), bei Hiinrich zu Quidzenow 1434 (t. III. 20), bei Claus, Vogt zum Kalande von 1442 (t. III. 21), bei Henneke zu Granzow von 1497 (t. III. 23).
        Aus dem 16.  Jahrhundert lagen wenige und überdies zu wenig klare Siegel vor, so dass man die Zahl der Speichen in dieser Zeit nicht verfolgen kann, jedoch hat das Denkmal des Moritz Kardorff von 1597 (t. VII) deren 4, und so haben auch im folgenden Jahrhundert Henning 1616 und Balthasar Hermann eine gleiche Anzahl, die sich auch auf dein 16'23 gemalten Wappen an der Emporkirche in Grambow (bei Rehna) findet. Alle Siegel aus der neuern Zeit, und aus dein 18.  Jahrhundert liegt eine ganze Reihe vor, haben 4 Speichen, welche man also gewiss als die jenige Zahl annehmen muss, die sich aus der frühern unbestimmten herausgestellt hat; sie ist seit drei Jahrhunderten die gebräuchliche gewesen. - Eine Nabe in den Rädern findet, sich zu allen Zeiten angedeutet, in den ältern nur rund, in den neuern ist sie auch wohl viereckig gebildet.
        Was nun die Stellung dieser Räder betrifft, so haben alle alten Siegel, so viel davon zu Gesichte, gekommen, oben zwei und unten eines, und die Angabe dem Ulenoge in seinem Verhöre von 1570, dass die alte Wöpkendorfer Hauptlinie oben 1 und unten 2 Räder im Schilde geführt und erst 1564 nach Matthias Tode, um als Lehnsvettern gelten zu können, die Stellung umgeändert hätte, wird nicht durch alte Siegel bestätigt; es liegt aber das des Radeke (tab. III. 22) von 1444 bis 1460 vor, der urkundlich gewiss dieser Linie angehörte, und auch das Glasfenster in Dargun, das Hermann auf Wöpkendorf um 1475 setzen liess (tab. V.) hat auch die beregte Stellung nicht.  Späterhin ist sie allerdings vorgekommen, so namentlich auf dem Siegel des Henneke von 1616 und des Balthasar Hermann (+ 1688); jedoch ist kein Grund dieser Abweichung erkennbar, in einer Unterscheidung der Linien liegt er sicherlich nicht.
        Die Farben dieses Wappens sind nun rothe Räder in silbernem Felde, und auch dafür lässt sich ein altes Zeugniss beibringen, sie finden sich in dem Glasfenster zu Dargun von etwa 1475, das Radeke von Nikör einsetzen liess, wo die rosenförimg gestalteten Räder 8 Speichen haben (t. IV.) Eine Abweichung von diesen Farben ist nicht vorgekommen. 1623 an der Emporkirche in Grambow finden sie sich auch.

        Der älteste Helm, der sich auffand, ist auf dein Siegel des Knappen Radeke von 1373 (tab. I. 5), und er hat keinen andern Schmuck als ein Rad von 7 Speichen, und ein Rad von 6 Speichen führt auch der Knappe Hermann zu Gnoien 1438 (t. III. 29) - Dann findet sich wieder ein Helm auf dem Siegel des Radeke zu Bolendorf und Wobbekendorf (t. III. 22), und hier ist auf dein Rade von 6 Speichen ein Pfauenwedel auf einer kurzen Säule zu sehen.  Mit dieser Form stimmt das von seinem Sohne Hermann zu Wobbekendorf um 1475 in der Kirche zu Dargun in einem Glasfenster eingesetzte Wappen überein (tab. V.), wo freilich die Scheibe mit dem Rade auf dein Helm ausgefallen, jedoch die Säule mit dem Pfauenwedel von 5 Federn vollständig erhalten ist.  Diese Malerei hat nicht die Wappenfarben, daher ist die grünliche Farbe der Säule, welche, oben ringförmig und roth, den Wedel aus sich hervorgehen lässt, nicht zuverlässig.  Auch das Siegel dieses Hermann (tab. III. 25 ) hat denselben Helmschmuck, der auch von Ratke auf Basse 1496 (tab. III. 26 ) geführt wird.
Nachher ändert sich dieser Helmschmuck, und auf dein Grabstein des Moritz von 1597 (tab.  VII.) liegt das Rad, welches mit 2 Straussfedern besteckt ist, zwischen 2 grossen, auswärts fallenden Strausfedern.  Ueber dem Helmschmuck des Familienwappens findet sich eine alte merkwürdige Angabe.  Der Urkundenfälscher Ulenoge war, wie er 1570 aussagt, dem Matthias Karkdorp, mit welchem die alte Granzowsche Linie ausstarb (§. 34.) bedient gewesen, und will von diesem, welcher die andere Linie nicht als Lehnsfolge anerkennen wollte, gehört haben, dass seine Linie, die mit ihm erlosch, immer das Kammrad allein auf dein Helme geführt, die ältere aber (die Wöpkendorfer Linie) hätte "oben auf dem Helmzier Pavlunsfedern, darin liegt ein Kammrad." Ein solch Siegel hat sich, streng genommen, nicht gefunden, jedoch darf man auch den Ausdruck nicht pressen; so viel ist aber gewiss, dass die bereits erwähnten Radeke und Hermann, welche dieser Linie angehörten, das Rad auf dein Helm damit besteckten.  Es liegt nun leider kein Helmsiegel der alten Granzowsclien Linie vor, um die Wahrheit der Angabe zu bestätigen, jedoch scheint sie nicht alles Grundes zu entbehren, und sofern ist sie wichtig, denn Fälle, wo in Mecklenburg sich die Linien durch veränderten Helmschmuck unterschieden, finden sich sehr wenige (z.  B. bei v. d. Lühe).  Wenn aber Ulenoge weiter augiebt, dass die Wöpkendorfer Linie als Matthias gestorben, ihr Wappen dem seinigen gleichgemacht, so ist das nicht richtig, denn die Federn auf dein Helm sind immer geblieben. - Die beiden grossen Strausfedern finden sich als Helmschmuck auch auf dein Siegel des Henneke von Wöpkendorf, von 1616, jedoch ist das Rad, das zwischen ihnen liegt, nicht damit besteckt.  Joachim auf Schabow 1622 liess die Federn weg, und führte das Rad allein, als ob er wieder zur ältesten Form zurückgekehrt wäre, die sich auch bei seinem Vater Joachim 1591 findet. Gebräuchlich aber ward diese Form nicht, denn auf dem Wappen in Grambow, wo auf dein Helm ein roth und silberner Wulst gestellt, liegt ein ganzes rothes Rad vor einem Pfauenwedel.  Das war 1623, und auf der Drieberger Kupferplatte in der Vereinssammlung (cf.  §. 26. n. 8) ist gleichfalls ein ganzes Rad vor 5 Pfauenfedern.
        Aus der trüben Zeit des siebzehnten Jahrhunderts liegen keine Siegel vor; als nachher das Siegel des Balthasar Hermann aus dein Ende des Jahrhunderts vorkommt, so erscheint darauf ein halbes gestürztes Rad, das mit 3 Pfauenfedern besetzt ist.  Dies Rad ist auf dein Siegel des Moritz Heinrich, mit dein die neuere Granzowsche Linie erlosch, wahrschentlich nicht vorhanden, die vorgekommenen Abdrücke sind nicht scharf genug, um es mit Bestimmtheit behaupten zu können; ein starker Pfauenwedel ist auf dein Helme.  Das gestürzte Rad aber ist auch noch späterhin vorgekommen; so hat es der k. dänische Oberstleutenant Hans Wilhelm 1752, und so erscheint es auf einem Siegel, mit welchem Agnese Sophie (verwählte v. Flotow) 1765 gesiegelt hat.
        Dies gestürzte Rad kommt nicht weiter vor; bereits die Töchter des Moritz Heinrich führten es nicht, sie, wie die Kardorffe von der einzig noch blühenden Linie des Christoph Friedrich, dessen Siegel nicht zu Gesichte gekommen, führten ein halbes, die offene Seite nach oben kehrendes Rad, und besteckten es mit 7 Pfauenfedern, welche durch Schuld der Siegelstecher hin und wieder die Form der Strausfedern angenommen haben. - Eine Annäherung zur ältern Form des Helms ist es, wenn darauf neuerdings ein ganzes Rad gelegt und dieses mit 5 Pfauenfedern besteckt ward.
Ueber die Farben des Helmschmuckes kann kein Zweifel seyn; nach bekannter heraldischer Regel ist das Rad roth und die Federn sind natürlicher grüner Farbe, und so kommen sie auch in Grambow 1623 vor.  Die Helmdecken, welche sich überall, sowohl auf Siegeln als Denkmälern finden, haben die Farben, welche durch Schild und Bild gegeben sind, silbern und roth.
Als Ergebniss dieser Untersuchung stellt sich heraus, dass nicht in den Schildesfiguren, wohl aber in der Stellung derselben eine Verschiedenheit statt fand, welche in Ansehung des Helmschmucks noch bedeutender war, dass aber, in den letzten anderthalb hundert Jahren das v. Kardorffsche Wappen also gestaltet ist:
Im silbernen Felde drei rothe Kammräder (oben 2, uneins) von 4 Speichen mit einer Nahe in der Mitte.  Auf dem Helm ein halbes rothes Kamitira(1, den Durchschnitt nach oben, von dem 3 Speichen und die Nahe sichtbar sind, besteckt mit 7 Pfauenfedern in natürlicher Farbe.  Die Helmdecken sind silbern und roth.
Mit dieser Beschreibung stimmt die Darstellung im Mecklenburgischen Wappenbuch t. XXIV.  N. 89 völlig überein, auch die Zeichnung in den handschriftlichen genealogischen Tabellen des Hrn. u. Gamm von 1780, welche jedoch in der hinzugefügten Beschreibung 5 Pfauenfedern angiebt und ganz richtig bemerkt dass sich diese Familie in den ältern Zeiten nicht der Pfauenfedern laut dein Helm, sondern nur des Kammrades bedienet habe.  Das bekannte v. Behrsche Ms. in Rostock weicht von obiger Angabe in sofern ab, dass, bei Uebereintimmung der Farben, die Räder 8 Speichen haben, dass den Helm ein roth und silberner Wulst deckt, auf welchem ein Kammrad zwischen 2 silbernen Strausfedern steht.  Woher ihm solch Wappen gekommen, steht nicht zu ermitteln.  Zu Anfang des 18.  Jahrhunderts, wo er seine Nachrichten zusammentrug, kommt ein solcher Helmschmuck, den, wie angegeben, Henneke 1616 gebrauchte, nicht mehr vor.  Auch v.  Meding, Nachricht von adl. Wappen I. p. 271, X. 402 fand ihn auf einer alten Zeichnung, und zwar eine rothe und eine silberne Strausfeder, jedoch hat er auch nach einem Pettschaft den gebräuchlichen Helmschmuck angegeben.
In Fürstens Wappenbuch Ill. p. 169 n. 5 haben die Räder 4 Speichen und auf dem Helm liegt ein ganzes Kammrad.  Dass v. Behr rer.  Mecklenb. 1. VIII. p. 1623 damit übereinstimmt, ist natürlich, denn er hat seine Wappenangaben, grösstentheils ohne alle Critik, aus dem Fürst entnommen.
        Das Lexicon over adelige Familer i Danmark, Norge og Hertogdomene 1. t. LI. n. 34 giebt ein gestürztes Rad auf dein Helm, mit 7 Pfauenfedern besteckt, also wie es der k. däniche Obristleutnant Hans Wilhelm führte dessen Siegel vermuthlich der Abbildung zum Grunde gelegen, obgleich im Texte schon der Grossvater desselben Hermann 1630 erwähnt wird.
        Ueber den Ursprung dieses Familienwappens lassen sich wohl Muthmaassungen beibringen, aber keine lässt sich historisch auch nur zur annähernden Gewissheit erheben, nur das steht fest, dass Wappen und Name keine Beziehung zu einander haben, es also in keinerlei Hinsicht zu den redenden Wappen gehört. - Zu Anfang des 14. Jahrhunderts hatte es schon diese Form, da könnten denn, wenn die Sage vom Rochillus so alt und in der Familie allgemein verbreitet gewesen wäre, die Räder von jenem Zeichen herkommen, mit dein die Kreuzfahrer gegen die Wenden sich bezeichneten; dagegen aber spricht das Fehlen des Kreuzes, das bei einem solchen Ursprung gewiss nicht ausgefallen. - Es finden sich Beispiele, dass Unfälle, welche einzelne Mitglieder betrafen, die Veranlassung zum Wappenbild der Familien geworden sind, und so könnte man die Räder auf das Urtheil beziehen, das König Erich über den Ritter Johann (§. 8.) aussprach und diesen Ursprung durch die Bezeichnung der Wetrade zu Anfang des 15. Jahrhunderts in etwas stützen.  Aber abgesehen das von, dass man die Beispiele für solche Wappenannahme in fernen, Ländern, z. B. in Spanien und Venedig suchen muss, so ist auch Ritter Johann nicht als sehr bedeutend anzusehen, da sich sein Name in der ältesten Zeit in der Familie nicht wiederholt. - Die Räder, mit dem in frühern Zeiten öfter vorkommenden Vornamen Radeke in Verbindung zu stellen(1), passt auch wohl nicht, denn Wappenbilder lehnen sich wohl an Familiennamen, nicht aber an Vornamen an, wovon kein Beispiel bemerkt worden ist.
        Es lässt sich aber eben so wenig wie für den Namen, so für das Wappen ein Grund der Annahme finden, was überhaupt bei alten Familien nicht befremden darf.

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Fußnote

       
Ueber dieses Namens Ethmologie theilt mir Herr Archivar Lisch folgendes mit : Rotolf oder Râdolf (altdeutsch) ist zusammengesetzt aus rât (consilium) und Wolf (ulf) (== lupus).  Also Rathwolf, Ratlgieriger.  So nehmen es Grrimm Gramm. II.  S.330-331 und Graff althochdeutscher Sprachschatz II.  S. 463-464 u. I. S. 849. - Althochdeutsch ist es Hradolaufti (unser Radlof), dann ist es zusammengesetzt aus hrad = Schnell, (Rad) und hlaufan (currere) == Schnelläufer (vgl.  Graff althochdeutscher Sprachschatz).  Die erstere Forn ist die richtige für die mittelalterliche Form Radolphus, für Knappen die diminutive Radekinus, Radeke die letztere stimmt mit dem Wappen freilich mehr überen, und es wäre möglich, dass man im 13.  Jahrhundert die Form Radolf nicht mehr klar erkannte und mit Radlof verwechselte, um so mehr, da die Zusammensetzungen mit - wulf, ulf, olf schon früh unklar und selten werden und in der neuesten Zeit fast ganz aufgehört haben.
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