§ 1 - Die Sage    

        Zu den ältesten Geschlechtern Meklenburgs gehören die v. Kardorff; über den Ursprung derselben wird folgendes berichtet.(1) Als der heilige Abt Bernhard von Clairvaux zum König Conrad kam und ihn zum Kreuzzug bestimmte, bezeichnete sich auch Rachillus Kerkdorff (2) mit dem Kreuze, zog mit dem Heere 1147 ins Morgenland, hielt sich so tapfer, dass er die Ritterwürde bekam und kehrte glücklich wieder heim.
        Er hatte sein Wohnhaus und Hofhaltung zu Dargun und stiftete hier 1149 ein Kloster (3), dem er nicht nur seinen Besitz, sondern auch Holzung und Fischerei mit aller Freiheit und Gerechtigkeit beilegte.  Dabei waren ihm die Dargunen behülflich, welche auf der Altenburg in der Schonow, vorne im Kloster, wo nachher der Thiergarten war, gewohnt haben. Diese Sage ist sehr merkwürdig; sie entbehrt, so bestimmt sie sich auch an eine altbekannte Thatsache anlehnt, und so zuverlässig sie auch Jahrzahl und Namen angiebt, der historischen Begründung, ja es ist nicht einmal nachzuweisen, wie alt sie sei; aber gerade ihrer Bestimmtheit wegen fordert sie zu weiterer Prüfung auf, und indem sie in derselben, so wie sie gegeben wird, mit ihrer Jahrszahl und Namen in Nichts zerfällt, erscheint bald wieder der geschichtliche Boden, auf dem sie aufwuchs und sich ausbildete.
         Bekannt genug ist, dass als Edessa 1145 gefallen war, Papst Eugen III. zu einem Kreuzzug ins Morgenland aufrief, und dass K. Conrad, durch Bernhard von Clairvaux bestimmt, auf dem Reichstag zu Frankfurt am Main (2. Februar 1147) das Kreuz nahm und ihrer viele sich ihm anschlossen. Dass die Namen der einzelnen Theilnehmer von der Geschichte nicht aufbewahrt sind, darf nicht befremden; aus dem Stillschweigen kann also die Theilnahme des Stammvaters an dein Kreuzzuge eben so wenig behauptet, als geleugnet werden.
        Die Stiftung des Klosters Dargun wird diesem nun beigelegt mit bestimmter Angabe des Jahres 1149. Da nuss nun zuerst bemerkt werden, dass für dies Jahr die historische Nachweisung fehlt; es gründet sich auf einem alten Doppelvers, welcher angeblich auf einem Privilegium des Klosters geschrieben war (4). - Aus einer spätern Urkunde von 1173 wissen wir, dass der Altar in der ersten Capelle in Dargun der erste war, welcher in ganz Circipene geweiht ward (5). Bischof Berno von Schwerin sagt. ausdrücklich, dass er diese Weihe vollzogen habe und Kazimir (I.), Fürst der Demimer und Pomeraner, legte bei dieser Veranlassung dem, was er früher den Brüdern Cistercienser Ordens in Dargun gegeben, neue Gaben zu und bestätigte zugleich, was Mirogravus und seine Brüder (als solche werden Monic und Cotimar genannt) an Ländern, Wäldern, Wiesen und Gewässern der Kirche in Dargun und den Brüdern daselbst überwiesen hatten.  Bischof Berno spendete bei dieser Gelegenheit voll den geringen Einkünften seines Bisthums 7 Morgen und überwies in einer besondern Urkunde (6), welche, obgleich sie kein Datum trägt, doch wohl mit der vorigen gleichzeitig ausgestellt ist, den Zehnten von einer Reihe von Dörfern (worunter Wigoni und Clobuchziz), welche sich durch ihre Namen als Slawisch ankündigen und welche der alten Burg in Dargun zugehört hatten. - Dies sind die ältesten Nachricliten, weiche über die Stiftung des Klosters Dargun in Urkunden vorhanden sind, die einzelnen Namen und Begrenzungen der Bewidmungen kommen hier nicht zur Berücksichtigung; es fragt sich nur, lässt sich dies alles, da es doch vor 1173 geschehen ist, in eine so früher Zeit verlegen, dass das angegebene Jahr 1149 statthaft erscheint.

        Die Angabe, dass Dargun zu Zeiten des B. Emmehardus gegdindet sei, widerlegt die bestimmte Aeusserung des B. Berno, dass er daselbst den ersten Altar in Circipene geweihet habe; ein Kloster aber ohne geweihten Altar ist an sich unmöglich. Berno erscheint zuerst 1158 in einer Urkunde (7) und dass ihn Herzog Heinrich der Löwe nicht viel früher, jedenfalls nicht vor 1154 (Emmehardus lebte noch 1152, aber wohl nicht in Berücksichtigung) habe investiren können (8), ergiebt sich aus der ihm von Kaiser Friedrich ertheilten Begünstigung der Investitur in den Transalbinischen Bisthümern (9). Es lässt sich also das angegebene Jahr keineswegs mit dein Wirken des grossen Wendenapostels in Uebereinstimmung bringen.

         Aber auch ganz abgesehen von der Aeusserung Berno's und auch davon, dass es sehr zweifelhaft ist, ob der vom Erzbischof Hartwich von Hamburg angeblich 1148 zum Bischof von Mecklenburg ernannte Emmehardus bleibend im Lande wohnte und Kirchen und Klöster zu weihen Gelegenheit hatte, passt das Jahr 1149 als Gründungsjahr des Klosters Dargun gar wenig zu den damaligen Zeitverhältnissen.  Mit dem Kreuzzuge ins Morgenland ward bekanntlich 1147 ein Kreuzzug gegen die wendischen Völker, welche noch Heiden waren, beschlossen.  Der Papst verhiess denen, welche daran Theil nehmen würden, gleiche Sündenerlassung wie denen, welche nach Jeruslame zogen und beauftragte den Bischof Anshelm von Havelberg mit dieser Angelegenheit.  Der Abt von Clairvaux erliess an alle Gläubigen ein ähnliches Schreiben und verbot jedes Bündniss mit den heidnischen Wenden für Geld und Tribut, bis entweder der Götzendienst oder die Nation ausgerottet sei.  Das ganze Heer, das sich wider die Feinde des Kreuzes im Norden rüstete, sollte sich am 29. Juni in Magdeburg sammeln.  Geräuschvoll aber langsam rüsteten sich die sächsischen Völker und bezeichneten sich abweichend von denen, welche ins Morgenland zogen mit einem Kreuz, das auf ein Bad gestellt war.

    Zwei grosse Züge bildeten sich; gegen die Abotriten und ihren Fürsten Niclot zog das Heer unter Erzbischof Adalbero von Hamburg, Thietmar von Verden, Herzog Heinrich dem Löwen II.,  Conrad von Zähringen und vielen Grafen, Edlen und Rittern, 40000 Mann stark.  Das Einzelne dieses Feldzugs berührt unsere Frage weniger; es ist bekannt genug, dass wenig ausgerichtet wurde; bald ward man von allen Seiten des Krieges überdrüssig und endete ihn mit dem Versprechen der Abotriten, den Christenglauben annehmen zu wollen Ein zweiter Zug unter dem Markgrafen Albrecht und Conrad, den Pfalzgrafen Friedrich und Hermann, Herzog Otto, Zwantepolk und Wratislaus von Mähren, denn unter Anshelm, Bischof von Havelberg, dem die geistliche Obhut des Heeres übertragen war, Erzbischof Friedrich von Magdeburg und viel anderen geistlichen und weltlichen Herren, zog 60000 Mann stark gegen die Liutizer, drang verwüstend vor, verbrannte Malchow und nun rückten die weltlichen Fürsten mit dem Abt Wilibald von Corvey gegen Demmin.  Es ward vergeblich belagert und nach einem Kreuzzug von 3 Monaten (der Abt von Corvey war schon am 8. Sept. zurückgekehrt) zog das Heer wieder heim. Auch hier, ward als Friedensbedingung



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Fußnoten

(1) Aufgezeichnet hat diese Sage zuerst M. Bernhard Latomus (+ 1604 oder 1612), Rector der Schule zu Neubrandenburg, in seinem noch ungedruckten Stammregister der Adlichen und Rittermässigen Geschlechter im Fürstenthum Wenden; der Archivarius J.H. Schultz und der Hofmeister v. Behr und der Geheimrath v. Gamm haben sie in ihren Nachrichten von der Familie v. Kardorff vorangestellt und ersterer bemerkt schon, es wäre, um richtigen Beweis zu haben, besser gewesen, wenn dieser Mann den Auctoren, aus welchem er vorangeführtes genommen, angezeigt und benannt hätte.                                                                                                     zurück

(2) Der Name wird von Latomus in dem Ms. Machillus genannt von μαχομαι abgeleitet, dass es so viel sei, als in streitender oder streitbarer Held. - Schon Schultz bemerkt sehr richtig, dass er diesem Namen niemals später in der Familie gefunden, da doch sonst in den ältesten Zeiten die Vornamen von den Kindern und Nachkommen beibehalten worden. Latomus hat später in seinem Genealochron diesen Namen verlassen und dafür Rochillus angenommen.
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(3) Diese Stiftiing des Klosters ist bei Latomus Genealochron in c. Westphalen mod. ined. IV. p. 156 und daraus Schröder Wism. Erstlinge p. 99.                                                                                                zurück

4) Anno mileno centeno quadragesimo nono popst partum Christi tu Dargun facta fuisti bei v. Westphalen und Schröder a.a.O.                                                                                                                       
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(5) - dum altare in honore beate et intemerate dei geniticis semper virginis Marie in prima capellula in Dargon consecraremus, quod et primum consecratum est in tota Circipen - Aus der Bestätigungs-Urkunde der Bewidmung von Dargun durch B. Berno d. d. 1173 primo Cal. Decembr. bei Lisch Mecklb. Urk. I. u. 1, Schröder P. M. 458 Cod. dipl. Pom. p. 86 u. 34                      
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(6) Lisch Mecklenb. Urkunden I. u. II. Schröder o. 14, 455 Cod. dipl. Pom. p. 89. 35
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(7)  Als Zeuge in dem oft geduckten Rotations-Brief des Bisthums Ratzeburg. S. Masch Bisth. Ratzeburg p. 42, n. 17.

(8) Dass der ihn ernwählt uud constituirt, beweiset die Urkunde K. Friedrich I. von 1170, öfter gedruckt und am besten Lisch Mehl. Urk. III. p. 20

(9) Ueber diese Urk-. s. Masch Bisth. Ratzeburg p. 37, u. 3 und über die daraus herfliessenden Folgerungen, weiche auch auf Berno's Ernennung Anwendung finden, ib. p. 40.