I. Beuthen von den ältesten Zeiten bis 1862
§ 1 Völkerwanderung und
Slaven
§ 2 Staatliche Zustände bei
den Slaven
§ 3 Bildung des polnischen
Reiches
/ Dessen Bewohner
§ 4 Schlesische Herzogtümer
§ 5 Christentum, Germanisation
§ 6 Beuthener Herzöge bis
1289
§ 7 Die ältesten Nachrichten
von Beuthen
§ 8 Name und Anlage der
ältesten
Stadt
§ 9 Die rechtliche Stellung
Beuthens
§ 10 Beuthen unter Kasimir II
/ Beuthen bis 1369
§ 11 Beuthen bis zum Jahre 1476
§ 12 Beuthen bis 1526
§ 13 Der Bergbau Beuthens im
Mittelalter
§ 14 Kirche und Schule
§ 15 Staatsrechtliche
Entwicklung
Schlesiens unter den Habsburgern
§ 16 Beuthen im Pfandbesitz der
Hohenzollern. Georg der Fromme
§ 17 Beuthen im Pfandbesitz der
Hohenzollern. Georg Friedrich
§ 18 Übergang Beuthens in
den Besitz der Henckels
§ 19 Beuthen bis zur Errichtung
einer freien Standesherrschaft
§ 20 Beuthen als freie
Standesherrschaft
bis 1741
§ 21 Die religiösen
Verhältnisse
in der habsburgischen Zeit
§ 22 Beuthen bis zum Ausgang
des 18. Jahrhunderts
§ 23 Wiederbeginn des Bergbaus
§ 24 Beuthen im 19. Jahrhunderts
bis 1862
II. Beuthen in den letzen 40 Jahren
§ 25 Allgemeines,
Stadtverwaltung
§ 26 Verkehr
§ 27 Kirchen- und Schulwesen,
Behörden
§ 28 Wissenschaft, Kunst
§ 29 Wohlfahrtseinrichtungen,
Gesundheitspflege
I. Beuthen von den ältesten Zeiten bis 1862.
§ 1. Völkerwanderung und Slaven. Die deutschen Stämme, die ursprünglich bis weit in das heutige Südrussland hinein sassen, wurden im Laufe der Völkerwanderung verdrängt und machten den Slaven Platz. Im Gebiete des heutigen Oberschlesiens siedelten sich zwei von einander unabhängige Stämme an, die Opolini und die Golensizi.
§ 2. Staatliche Zustände bei den Slaven. Der Staat der Slaven hatte kein gemeinschaftliches Oberhaupt, er zerfiel in Zupen, an deren Spitze der Zupan stand. Dieser war Richter Priester und Feldherr, sein Sitz war eine Burg, die in der Mitte der Zupe lag. - Die Zupe selbst wieder zerfiel in Opole und diese in Dörfer, doch hatten die letzteren nur privatrechtlichen Charakter. Die Zugehörigen der Opole waren insgesamt zur Aufrechterhaltung des öffentlichen Friedens verpflichtet.
§ 3. Bildung des polnischen Reiches.
Dessen
Bewohner. Die Angriffe von aussen zwangen die Westslaven, sich
einer
strafferen, staatlichen Ordnung zu unterwerfen. Es entstanden
verschiedene
grosse Reiche, die aber bald wieder verschwanden; nur das polnische
Reich
hatte längere Dauer. An seiner Spitze stand der Knäs,
der
die Quelle aller Staatsgewalt war und dem alle Rechte zustanden, soweit
er sich nicht ihrer entäussert hatte.
Die Bewohner bestanden 1) aus dem Hochadel
(zlachta),
den Nachkommen der Zupane, 2) aus dem niederen Adel, den Rittern, 3)
aus
der grossen Masse der niederen Bevölkerung, die, weder Freiheit
noch
Eigentum besass, sondern an Adel und Kirche verschenkt war.
An Stelle der alten Zupanien trat die Einteilung
des Landes in Kastellaneien [Für Oberschlesien kommen in Betracht:
Teschen, Golensiceske bei Troppau, Beuthen, Auschwitz, Oswiecim, Kosel,
Ratibor, Nicolai, Tost, Steinau O/S, Landsberg, Rosenberg, Kranowitz
bei
Hultscliin, Zülz, Oberglogau] Burgbezirke, an deren Spitze
der
Kastellan stand. Deren Aufgabe war die Landesverteidigung,
Rechtssprechung
und Aufbringung der dem Fürsten gehörigen Leistungen.
Mehrere
Kastellaneien konnten zu einem Palatinat vereinigt werden.
§ 4. Schlesische Herzogtümer. Schlesien war damals lange Zeit der Zankapfel zwischen Polen und Böhmen, bis es Boleslaw III. (1102-38) definitiv für Polen gewann. In der Folgezeit wurde Polen geteilt, aber so, dass die einzelnen Teilfürsten die Oberhoheit des polnischen Grossfürsten anerkennen mussten oder wenigstens sollten. Schlesien hatte zwei Herzöge, Boleslaus den Langen, dem Glogau, Liegnitz, Breslau und Oppeln gehörte, und dessen Bruder Mesko, dem Ratibor und Teschen zu gefallen war. Dieser Mesko bekam von dem Grossfürsten Kasimir, seinem Oheim, noch die Gebiete von Beuthen und Auschwitz, wozu auch Pless, Zator und Ziewierz zu rechnen sind. Schliesslich eroberte er nach dem Tode seines Bruders auch Oppeln.
§ 5. Christentum, Germanisation.
Ursprünglich
waren die Polen Heiden. Das Christentum wurde in Schlesien und
Polen
von Böhmen aus eingeführt. Die polnische Kirche wurde
durch
die Stiftung des Erzbistums Gnesen unabhängig von den Deutschen
gemacht.
Das Bistum Breslau, in dem ins im Jahre 1000 der erste Bischof namens
Johannes
genannt wird, löste sich aber allmählich von dem
Suffraganverbande
los und wurde selbständig. Oberschlesien gehörte jedoch
damals noch zum Bistum Krakau.
Im 12. Jahrhundert begann die Einwanderung
der Deutschen in Schlesien. Oberschlesien ist direkt weniger
davon
beeinflusst worden, indirekt in viel höherem Grade, nämlich
dadurch,
dass bereits bestehende polnische Ansiedlugen zu deutschem Rechte
ausgesetzt
wurden. Im übrigen blieben hier die alten
Rechtsverhältnisse
am längsten bestehen und wurden später durch das
böhmische
Recht beeinflusst.
§ 6. Beuthener Herzöge bis 1289.
Der
ohnehin lose Verband, in dem Schlesien zu Polen stand, lockerte sich im
Laufe der Zeit immer mehr, so dass tatsächlich zum mindesten die
Herzöge
souverän wurden. So konnte denn der Urenkel des oben
erwähnten
Mesko, Herzog Kasimir II., ohne irgend welchen Einspruch von
grosspolnischer
Seite, am 10. Januar 1289 seine Land dem König von
Böhmen
als Lehen antragen.
Doch hatte dieses Land durchaus nicht mehr den alten
Umfang. Kasimir hatte sich mit seinen 3 Brüdern so in das
natürliche
Besitztum geteilt, dass er selber Beuthen mit dem dazugehörigen
Tost
und Peiskretscham erhielt. Die hieraus sich ergebende politische
Ohnmacht, die in den Kriegswirren jener Zeit sich wohl doppelt
fühlbar
machte, mag ihn wahrscheinlich auch zu jenem Schritte bewogen haben.
§ 7. Die ältesten Nachrichten von
Beuthen.
Die erste urkundliche Erwähnung des Ortes Beuthen stammt aus dem
Jahre
1136. Am 7. Juli dieses Jahres nämlich bestätigte Papst
Innozenz II. dem Erzbischof Jakob von Gnesen seine Rechte und
Besitzungen.
Darunter wird erwähnt "der Ort vor Beuthen, der Chorzow genannt
wird".
Wir können aus dieser Art der Erwähnung schliessen, dass
Beuthen
doch wohl schon von einiger Bedeutung gewesen ist, und zwar scheint das
die Folge des damals schon betriebenen Bergbaus auf Silber gewesen zu
sein.
Ferner erfahren wir, dass in Beuthen bereits 1201
die Margaretenkirche bestanden hat, die im Besitz des Vincenzstiftes zu
Breslau war. Etwa 50 Jahre später, d. i. 1253, finden wir
die
Pfarrkirche zu St. Marien zum ersten Male urkundlich bezeugt. Das
Marktrecht sowie die Abgaben zweier Schenken gehörten dem Abt von
Tiniec.
Neben dem schon erwähnten, urkundlichen Zeugnis
von dem Bergbau damaliger Zeit haben wir noch ein zweites in den
Münzen
die am Ausgang des 13. Jahrhunderts in Beuthen geprägt
wurden.
Der Bergbau war damals auch wohl die Ursache für die Aussetzung
Beuthens
zu einer Stadt nach deutschem Recht. Dies geschah im Jahre 1254
unter
Herzog Wladislaw, nachdem vorher bereits der Ort befestigt worden
war.
Wahrscheinlich hat damals auch eine stärkere Einwanderung
deutscher
Bürger stattgefunden. Das Gebiet der Stadt umfasste 140
flämische
Hufen.
§ 8. Name und Anlage der ältesten Stadt. Der Name Beuthen, der in ähnlicher Form ausser in Schlesien noch in Sachsen und Thüringen sich findet, bedeutet wohl nichts anderes als feste Niederlassung. Sehr möglich ist die älteste Ansiedlung um den Hügel entstanden, der im Süden der Stadt die Margaretenkirche trägt. Erst als die Bedeutung Beuthens wuchs, wahrscheinlich als ein ständiger Markt eingerichtet wurde, legte man diesen auf den viel umfangreicheren Hügel, der weiter im Norden sieh erhebt und heute den Kern der Stadt bildet. Herzog Kasimir II. war der erste, der seine Residenz hier hatte. Von seinem Schloss, das wohl aus Holz bestand, ist nichts erhalten; auch dessen Stätte ist kaum zu bestimmen.
§ 9. Die rechtliche Stellung Beuthens.
Die
Stadt war auf herzoglichem Grunde angelegt. Die Bürger
hatten
dem Herzog einen Zins zu zahlen und ausserdem Abgaben von den
verschiedenen
Verkaufs- und Produktionsstätten. Sie hatten hier wohl
ebenso
wie anderwärts das Recht, den Marktverkehr selbständig zu
regeln
und das Stadtvemögen zu verwalten. Daneben gab es einen
herzoglichen
Vogt, der die Einkünfte des Landesherrn einzuziehen hatte und die
Gerichtsbarkeit in dessen Namen ausübte. Der Vogt war der
Unternehmer,
der die Stadt mit herzoglicher Erlaubnis begründet hatte.
Das
Vogteirecht war in der Familie des Gründers erblich. Indes
hat
es Beuthen wie die meisten Städte und wie der Adel und die
Geistlichkeit
verstanden, viele herzogliche Rechte zu erwerben. Der Kastellan von
Beuthen,
dessen gleichfalls häufig Erwähnung geschieht, hat mit der
Stadt
selber nichts zu tun (vergl. § 3),
Herzog Kasimir II. begann bereits mit der
Veräusserung
seiner herzoglichen Rechte, wie dies manche in Beuthen ausgestellten
Urkunden
beweisen. Für Beuthen ist wichtig die Rückgabe des
Patronatsrechtes
über die Marienkirche an die Prämonstratenser im St.
Vinzenzstift
zu Breslau. Diese besassen bereits die Margaretenkirche,
erhielten
ausser dem Patronat noch 6 Hufen Landes sowie den Berg Sutuhali.
Die Bewohner des verschenkten Landes gehen mit allen Abgaben und
Dienstleistungen
an das Stift, ebenso haben sie bei diesem und nicht mehr bei dem
Kastellan
oder Vogt Recht zu suchen.
Diese Abgaben und Dienstleistungen waren sehr
umfangreich.
Sie bestanden im Burgwachtdienst, in der Pflicht für den Unterhalt
des Fürsten auf seinen Reisen zu sorgen, in einem Tribut an
Rindern,
Schafen, Getreide und Honig. Ferner mussten die Bauern auf
Verlangen
Pferde und Wagen stellen, Burgen und Brücken erbauen und instand
setzen,
Wege für das Heer durch den Wald bahnen, sie mussten endlich
Zölle
verschiedenster Art entrichten u.a.m.
§ 10. Beuthen bis 1369.
Kasimir,
der 1312 starb, hat bereits zu Lebzeiten seinem Sohne Wladyslaw das
Herzogtum
übertragen. Doch auch dessen Bruder Ziemowit finden wir als
solchen genannt. Vielleicht haben beide eine Zeit lang
gemeinschaftlich
regiert und dann das Land geteilt. Für die staatliche
Stellung
Beuthens ist wichtig, dass Wladyslaw 1327 von König Johann von
Böhmen
feierlich mit Kosel, Beuthen, Tost, Peiskretscham und Slaventzitz
belehnt
wird und dass 1335 der polnische König Kasimir III.
ausdrücklich
auf alle Rechte verzichtete, die er etwa noch auf Schlesien
hatte.
Die Söhne Wladyslaws, Kasimir III. und Boleslaw, teilten sich die
Länder derartig, dass der erstere Kosel, der letztere Beuthen
erhielt.
Nach dem Tode Kasimirs fiel seinem Bruder aber Oppeln wieder zu.
Unter dessen Regierung vollzog sich dann die völlige Verbindung
der
schlesischen Herzogtümer, auch Beuthens, mit der Krone
Böhmens.
Das geschah 1355, als Karl IV. König von Böhmen war.
Nach Boleslaws Tode entstand um das Erbe ein Streit,
den Karl IV. schliesslich so schlichtete, dass er als Erbberechtigte
nur
Kasimir von Teschen und Konrad I. von Öls anerkannte. Die
endgültige
Teilung fand 1358 statt: Kosel fiel an Konrad, Tost und Peiskretscham
an
Premislaw, den Sohn Kasimirs von Teschen, Beuthen verblieb einstweilen
der Witwe Boleslaws. Als diese resignierte, kam es wegen der
Stadt
Beuthen zum abermaligen Streit, der durch eine tatsächliche
Teilung
der Stadt beigelegt wurde: Der Norden kam an Öls, der Süden
an
Teschen; sogar das herzogliche Schloss wurde geteilt. Die
Fleisch-
und Brotbänke u. s. w. mussten teilweise abgebrochen und auf dem
andern
Anteil neu errichtet werden, damit jeder Fürst das Gleiche
habe.
Ebenso wurde das zu Beuthen gehörige Gebiet, die Bergwerke und
sonstigen
Einkünfte geteilt.
§ 11. Beuthen bis zum Jahre 1476.
Diese Teilung dauerte bis zum Jahre 1475. Die Reihenfolge der
Ölser
Herzöge, die auch über Beuthen herrschen, ist : Konrad II.
bis
1403, Konrad III. bis 1412, dann dessen Söhne Konrad der
ältere
Weisse und Konrad der Kanther gemeinschaftlich bis zu des letzteren
Tode
im Jahre 1439. In dessen Rechte traten seine beiden Söhne
Konrad
der Schwarze und Konrad der junge Weisse ein, die schliesslich ihren
Oheim
gelangen nahmen und Öls und den Beuthener Anteil so teilten, dass
der letztere an Konrad den Schwarzen fiel. Nach seinem Tode 1471
fiel Beuthen wieder an Konrad den jungen Weissen, der jedoch von
König
Matthias von Ungarn zur Abtretung seines Anteils gezwungen wurde, aber
als Statthalter des Königs die Regierung führte.
Bei den teschenschen Mitbesitzern Beuthens folgte
auf Premislaw im Jahre 1410 Boleslaw I., der sich häufig in
Beuthen
aufgehalten hat. Nach seinem Tode 1431 teilten sich die
Brüder
wiederum in ihrem Besitz; Teschen und der Anteil von Beuthen fiel an
den
ältesten Sohn Wenzel. Ihm folgte dann sein Bruder Premislaw,
der ebenso wie Konrad der junge Weisse sein Land an Matthias Korvinus
abtreten
musste.
Beuthen hatte in dieser Zeit viel und mannigfaltig
zu leiden. Die Plünderungen der Hussiten, die Uneinigkeit
der
plastischen Herzöge, schliesslich die Kämpfe zwischen
Böhmen,
Ungarn und Polen haben das Land schwer bedrückt. Unter
Wenzel,
der in ständiger Geldnot war und alle möglichen Rechte und
Privilegien
verschleuderte, wurde das Gebiet des Herzogtums auch bedeutend
verringert:
er verkaufte Zievierz an Polen.
§ 12. Beuthen bis 1526. So hatte
am Ausgang des 15. Jahrhunderts das Herzogtum Beuthen und mit ihm ganz
Schlesien den Lehensherrn gewechselt, es stand, freilich nur bis 1490,
unter der Oberlehnshoheit Ungarns. Nach dem Tode des Königs
Matthias Corvinuis fiel Schlesien wieder an Böhmen zurück,
dessen
König damals Wladislaw hiess.
Matthias hatte Beuthen mit allen Dörfern,
Leuten,
Rechten und Einkünften für 8000 ungarische Gulden an Jan
Zierotin
verpfändet. Dieser löste alte Verschuldungen ein und
erwarb
neue Rechte und Dörfer, war aber dennoch wohl froh, als er seinen
Besitz an Herzog Hans von Oppeln verkaufen konnte (1498).
Während
sein Vorgänger oftmals die Privilegien der Stadt Beuthen verletzt
zu haben scheint, ist Herzog Hans selber bestrebt gewesen, nirgends
ihnen
entgegenzutreten. Von der inneren Geschichte der Stadt sei hier
nur
erwähnt, dass sie 1515 fast völlig niedergebrannt ist.
Ferner weilte 10 Jahre später der Hochmeister des deutschen
Ordens,
Albrecht von Preussen, mit seinem Bruder Georg dem Frommen von Ansbach
und seinem Schwager, dem Herzog von Liegnitz, in Beuthen, um jene
Verhandlungen
zu führen, die mit der Verwandlung des preussischen Ordensstaates
in ein weltliches Herzogtum endeten.
§ 13. Der Bergbau Beuthens im
Mittelalter.
Die Geschicke Beuthens sind eng mit dem Bergbau und der Industrie
verknüpft;
von deren Blühen hing und hängt heute noch das Gedeihen der
Stadt
ab.
Von dem ältesten Silberbergbau bei Chorzow
haben wir bereits gesprochen (vergl. § 7). Um die Mitte des
13. Jahrhunderts haben wir eine Nachricht, die es wahrscheinlich
macht, dass auch bereits Blei in der Umgegend Beuthens gefunden
wurde.
Jedenfalls rechnete man 1260 mit dem Vorkommen von Blei als etwas
Gewöhnlichem.
In der oben erwähnten Teilungsurkunde von 1369 zwischen Premislaw
von Teschen und Konrad von Öls werden Bergwerke in den
Hunderthuben
(?), ferner in Bobrek, Miechowitz, Polnisch-Piekar und Bobrownik
genannt.
Von nutzbaren Metallen werden Gold, Silber, Zinn, Kupfer und Eisen
erwähnt,
ohne dass es freilich sicher ist, ob auch wirklich jedes der Metalle
gefunden
oder abgebaut wurde.
In dieser Zeit spielt auch die vielerzählte
Geschichte des Beuthener Priestermordes. Eine Niederschrift aus
dem
Breslauer Vincenzstift ums Jahr 1500 berichtet darüber folgendes:
Der Dämon Szarlen verführte die Beuthener dazu, 1363 ihren
Pfarrer
zu ertränken. Der genannte Dämon, der sie verfuhren und
ihre Seelen in die Hölle stürzen wollte, erschien in
menschlicher
Gestalt und forderte von ihnen den Zehnten von dem Bergwerk, wenn er
mit
ihnen arbeiten und seinen Anteil an Geld für die Arbeiten bezahlen
könne. Jene sagten dem Dämon zu, arbeiteten mit ihm
viele
Jahre und hatten guten Erfolg. Doch bald änderten sie ihren
Plan, sie, liessen den Dämon im Stich und empfingen den
Kirchenschatz,
mit dessen Hilfe sie weiter arbeiteten. Als sie nun aber nach
wenigen
Jahren sahen, dass es auch der Kirche gut gebe, beneideten sie diese,
wie
vorher den Dämon, und fingen an, den Ertrag unter sich zu
verteilen,
ohne für die Kirche deren Anteil zurückzulegen. Aber
die Rache des Dämon ereilte sie bald; denn dieser forderte sie
auf, die Grube zu verlassen, und sagte, dass er mit Erlaubnis der Heil.
Jungfrau Maria aus dem Innern der Erde Wasser hervortreiben werde wegen
des Betruges, den sie an der Pfarrkirche zu St. Maria verübt
hätten.
- Nach Sterzel abgedr. im Cod. dipl. Siles. XX 55 -
Steinbuck
deutet dies auf grosse Wasserzuflüsse, die den Bergbau auf Blei,
Silber
und Zink bei Scharley zum Erliegen brachten. Dies wurde in der
von
Stenzel herausgegebenen Chronik des Vincenzstiftes als Strafe des
Himmels
aufgefasst für die Ermordung des Pfarrgeistlichen. Dieser Mord was
geschehen während der Teilung Beuthens zwischen Teschen und Oels,
als die Bürgerschaft für die dem Pfarrer feindlichen
Mönche
von St. Margret Partei nahm.
Am Ende des vierzehnten Jahrhunderts erfahren wir
auch von der ersten Eisenhütte, die in Oberschlesien errichtet
wurde;
die allerdings nicht auf Beuthener Terrain, sondern in Alt-Hammer,
Kreis
Pless, liegt. Ebenso sind uns Eisenwerke in den Dörfern
Blazniowitz,
Pohlom und Kochlowitz bezeugt. Später erfahren wir von
Eisenwerken
in Bogutschütz. Die Erze haben diese Hütten wohl zum
grössten
Teil aus dem häufig in Urkunden erwähnten Eisenberg bei
Bobrownik
bezogen.
Die Rechtsbelehrung bei entstehenden
Bergbaustreitigkeiten
holten sich die Beuthener wie die meisten Bergbanorte Schlesiens in
Iglau
(Mähren).
Mit dem sechzehnten Jahrhundert begann der Bergbau
zu schwinden. Das lag aber nicht an der Erschöpfung der
Erze,
sondern zum grössten Teil an der unrationellen Methode des
Betriebes
der Gruben und Hütten. Die Gruben waren tiefer geworden, die
Wasserhaltung infolgedessen schwieriger. Man wandte zur
Entwässerung
sogenannte Rosskünste an, d. h. Schöpfvorrichtungen, die
durch
Pferde betrieben wurden. Die Kosten hierfür wurden immer
höher.
Dazu kam eine unzweckmässige Verhüttung der Erze sowie der
Mangel
an durchgebildeten Hüttenleuten. Das verursachte die
Einstellung
des Bergbaues und in weiterer Folge auch den Rückgang Beuthens,
das
im Laufe der Zeit zu einem kleinen, unansehnlichen Städtchen
herabsank.
Der am Ende des 15. Jahrhunderts scheinbar bedeutende Fischhandel
konnte den Niedergang nicht aufhalten.
§ 14 Kirche und Schule. Über
die erste Erwähnung der St. Margaretenkirche und der Pfarrkirche
der
heiligen Maria vergl. oben § 7. Ferner bestand in Beuthen ein
Minoritenkloster,
das nach einer älteren, unkontrollierbaren Nachricht 1258 von
böhmischen
Mönchen besiedelt sein soll. Urkundlich wird es zum ersten
Mal
am 14. April 1293 erwähnt, als der Abt des Breslauer
Vincenzklosters
sich dort aufhielt, Ebenfalls in das 13. Jahrhundert zurück
reichen
die Ursprünge des Hospitals zum Heil. Geist auf der
Krakauerstrasse.
In einer Urkunde aus dem Jahre 1299 verzichtet der Herzog Kasimir von
Beuthen
zu gunsten der Kreuzherrn in Miechow bezw. deren Kloster in Chorzow auf
alle Rechte und Abgaben, die die Bewohner dieses Dorfes ihm zu leisten
haben. Nur die Diebstähle sollen auch fernerhin vor seinem
Gerichte
abgeurteilt werden, allein das Strafgeld hierfür soll für die
Instandsetzung des Spitals der Kreuzherrn verwandt werden. Im
folgenden
Jahre schenkt der Herzog dann Chorzow dem Kloster, doch mit der
Bestimmung,
dass es in die Krakauer Vorstadt Beuthens verlegt werde.
Die Nachrichten über das Schulwesen fliessen
sehr spärlich. Doch ist wohl als sicher anzunehmen, dass bei
den Klöstern seit ihrer Begründung auch Klosterschulen
bestanden.
Der schon oft erwähnte Herzog Kasimir scheint auch nach dieser
Richtung
segensreich gewirkt zu haben. Wenigstens wird uns 1284 ein
Erzieher
seiner Söhne, Dominikus, namhaft gemacht, und der Pfarrer
Engelbrecht
verlässt seine Pfarrei zeitweilig, um kanonisches Reiht zu
studieren.
Im Jahre 1408 wird uns als Rektor der Schulen Gregor genannt, und als
20
Jahre später ein neuer Pfarrer in Beuthen einzieht, singen die
Schüler
das Tedeum.
§ 15. Staatsrechtliche Entwicklung Schlesiens unter den Habsburgern. Das Mittelalter charakterisiert sich für Schlesien als eine Zeit, in der eine stets fortschreitende Zersetzung der Staatsgewalt vor sich ging, sowohl nach der Richtung hin, dass sich Schlesien in eine Menge kleiner Fürstentümer zersplitterte, als auch nach jener, dass die Fürstengewalt ihren Umfang durch fortgesetzte Vergabungen verlor und dadurch bedeutungslos wurde. Mit dem 16. Jahrhundert tritt nach beiden Richtungen hin eine Änderung ein. Schon Matthias Korvinus hatte Schlesien wieder zu äusserer Einheit zusammengeschlossen. Die Habsburger, namentlich Ferdinand I., unternahmen es, eine neue und kräftige Centralgewalt zu gründen. In der Rechtspflege, in der Steuerverfassung, im Polizeiwesen, im Bergbau, Handel und Verkehr, im Münzwesen, also auch in allen wirtschaftlichen Verhältnissen suchten sie Ordnung zu schaffen. Die Kirche, wurde zu den öffentlichen Lasten wieder herangezogen, und die Rechte der schlesischen Fürsten und Stände wurden genau umgrenzt. Doch ist hervorzuheben, dass im 16. Jahrhundert die Fürsten und Stände zu dieser Neuordnung willig die Hand boten. Mit dem dreißigjährigen Kriege tritt aber eine Aenderung ein. Fehlte es schon früher nicht an Versuchen, die Rechte der Stände einzuschränken - allerdings schlugen diese Versuche fehl -, so hatten nach dem Kriege die Habsburger sowohl das Recht als auch die Macht, die ständischen Rechte zu beseitigen. Das Recht erhielten sie dadurch, dass die Stände ihrem Lehnsherrn die Treue verletzten, und die Macht, weil der Krieg mit dem Siege der Habsburger endete. Damit war die absolute Herrschaft des habsburgischen Königtums auch für Schlesien hergestellt. Aber wir können nicht sagen, dass dieser Absolutismus für Schlesien etwa ähnlich segensreich gewirkt habe wie der der brandenburgischen Fürsten in ihrem Lande: die hundert Jahre nach dem westfälischen Frieden bedeuten für Schlesien nicht nur ein Zurückbleiben hinter anderen Ländern, sondern auch ein zurückgehen gegen frühere Verhältnisse.
§ 16. Beuthen Im Pfandbesitz der
Hohenzollern.
Georg der Fromme. Auf den böhmischen König
Wladislaw
war dessen Sohn Ludwig II gefolgt, der nach zehnjähriger Regierung
in der Schlacht bei Mohacz 1526 seinen Tod fand. Sein Besitz ging
nun an seinen Schwager Ferdinand I., aus dem Hause Hagsburg, über
, den Bruder des deutschen Kaisers Karls V. Aber noch unter der
Regierung
Ludwigs II. hatte sich für Beuthen eine wichtige Veränderung
vollzogen: es war aus den Händen des Herzogs Hans von Oppeln
übergegangen
in den Pfandbesitz des Markgrafen Georg des Frommen aus der
älteren
fränkischen Linie der Hohenzollern.. Georg hatte bereits das
Fürstentum
Tägerndorf erworben. Da aber Ferdinand I. diese Neuerwerbung
ungern sah und seinen ganzen Absichten nach ungern sehen musste, so
regierten
bis 1532 Georg und Hans von Oppeln gemeinschaftlich. Dann
übernahm
Georg allein die Herrschaft, nachdem er auch noch den Pfandbesitz von
Oppeln
und Ratibor erworben hatte. Georgs Absicht war, den Bergbau,
namentlich
den auf Blei und Silber, neu zu beleben. Gleich am Anfange seiner
Regierung wurde Tarnowitz mit neuen Privilegien begabt, am 8. November
1528 die erste Bergordnung, namentlich für die Herrschaft Beuthen
erlassen, und seit dein 13. Dezember 1528 beginnen die ersten
Rechnungen
über den Tarnowitzer Bergbau.
Die Stadt Beuthen war damals, wie wir schon gesehen
haben, im Niedergang begriffen. Nicht wenig mag dazu das
Aufblühen
von Tarnowitz beigetragen haben. Gramer berechnet für 1532
die
Zahl der Häuser auf 170, und die Zahl der Einwohner wird demnach
1000
schwerlich überschritten haben. Dennoch war die Stadt
geldkräftig
genug, im Jahre 1538 das Dorf Gross-Dombrowka ankaufen zu können,
das freilich ziemlich wüst war. Darüber geriet der
Markgraf
Georg mit den Beuthenern in Zwistigkeiten, die jedoch durch Vermittlung
des polnischen Königs beigelegt wurden.
§ 17. Beuthen im Pfandbesitz der
Hohenzollern.
Georg Friedrich. Als Georg 1543 starb, war sein Sohn Georg
Friedrich
erst fünf Jahr alt, und sein Vetter Markgraf Albrecht
übernahm
für ihn die Regentschaft. Als dieser aber wegen seines
Widerstandes
gegen den Passauer Vertrag in des Reiches Acht verfallen war,
übernahm
Ferdinand I. selber auf kurze Zeit die Vormundschaft.
Wir hören aus der Regierungszeit Georg
Friedrichs
von verschiedenen Unglücksfällen, die die Stadt betroffen
haben,
von Bränden und Heuschrecken, von Pest und Kriegswirren;
wir hören aber auch dass die Zünfte sich neu organisierten.
Ferner versuchte Ferdinand, wiewohl vergeblich, dem Markgrafen die
Bergwerksrechte
zu entreissen, die seiner Meinung nach bei dem Pfandbesitz nicht
einbegriffen
waren. Das hatte aber für Beuthen selbst wenig Bedeutung, da
nach 1580 hier alle Bergwerke erlegen waren. Immerhin muss
Beuthen
noch nicht ganz bedeutungslos gewesen sein, denn die
Friedensverhandlingen,
die 1589 dem österreichisch-polnischen Thronstreit ein Ende
machten,
fanden hier statt.
§ 18. Übergang
Beuthens in den Besitz der Henckels. Georg Friedrich starb
kinderlos
am 26. April 1603. Schon 1595 hatte er Jägerndorf dem
späteren Kurfürsten von Brandenburg, Joachim Friedrich,
vermacht.
Wegen Beuthens, das der Kaiser gegen Rüickgabe des Pfandschillings
von 8000 Gulden einlösen konnte, gab er Joachim Friedrich den Rat,
zu versuchen, dass er in den erblichen Besitz des Landes
käme.
Dazu gab aber der Kaiser Rudolf II. seine Zustimmung nicht, er wollte
vielmehr
die Herrschaft einlösen. Doch da er ewig in
Geldverlegenheiten
war, konnte er seinen Plan nicht ausführen. So nahm dann
Joachim
Friedrich Besitz von dem Lande, ohne allerdings die erbliche Belohnung
zu erhalten; ja es drängten sogar die andern schlesischen
Stände
den Kaiser zur Ablösung. So befahl schliesslich der Kaiser
den
Verkauf Beuthens. Aber Joachim Friedrich trat das Land an seinen
zweiten Sohn Johann Georg ab, und dieser liess sich 1608
huldigen.
Die Wirren, die zu jener Zeit im habsburgischen Hause herrschten,
ermöglichten
dem Markgrafen auch den ferneren Verbleib. Allein nach dem Tode
Rudolfs
II. betrieb sein Nachfolger Matthias mit grösserem Eifer die
Ablösung;
denn er wurde von dem Freiherrn Lazarus I. von Henckel gedrängt,
der
den Habsburgern sehr bedeutende Summen vorgestreckt hatte. Gegen
Zahlung von etwas über 45000 Reichstalern sollte die Ablösung
am 9. Februar 1619 perfekt werden. Doch da brach der
böhmische
Aufstand aus; Johann Georg stellte sich auf die Seite des
Winterkönigs,
und als dieser die Schlacht am weissen Berge verloren hatte, wurde er
geächtet
und die Herrschaft Beuthen und Oderberg an den schon erwähnten
Lazarus
I. Freiherrn Henckel von Donnersmarck als Pfandbesitz verliehen.
§ 19. Beuthen bis zur Errichtung
einer
freien Standesherrschaft. Die Henckels stammen aus
Csotörtökely
im Zipser Komitat und haben von diesem Ort auch den Namen Donnersmark
(=Donnerstagsmarkt).
Ihr Stammvater ist ein Peter Henckel, der 1378 erwähnt wird und
aus
der Familie der Thurzo von Bethlenfalva stammen soll. Sie
erlangten
allmählich grosses Vermögen und reichen Besitz, und
namentlich
Lazarus hat viel zu dessen Vermehrung beigetragen. Beuthen
erhielt
er, wie schon erwähnt, zuerst als Pfandbesitz, aber sein Sohn,
Lazarus
II. erlangte 1629 auch das erbliche Eigentumsrecht. Die Huldigung
erfolgte erst am 28. Januar 1632, und Lazarus gab dabei das
versprechen,
den Städten und Geistlichen ihre Privilegien nicht zu kürzen.
Von den Wirren des dreissigjährigen Krieges
ist die Stadt nicht verschont geblieben, namentlich von den
mannsfeldischen
Truppen muss sie stark gelitten haben und später noch mehr von
Torstenson
und seinen Scharen. Doch sind auch verschiedene Raubeinfälle
polnischer Adliger zu verzeichnen. Aus allen Nachrichten geht
aber
hervor, dass es ungemein trübe Zeiten für Beuthen waren und
dass
der Wohlstand der Stadt vorüber war. Zu gleicher Zeit griff
auch eine ziemliche Verrohung der Sitten Platz.
Lazarus II. Henckel von Donnersmark war ein
milder Herr. So übernahm er z. B. die Strafgelder, die seine
Untertanen wegen Begünstigung der Schweden zahlen sollten, auf
eigene
Rechnung. Dabei fehlte ihm aber keineswegs Ernst und
Energie.
Aber er hatte ebenso wie Beuthen selber unter den Verheerungen des
Krieges
aufs furchtbarste gelitten, und die Gelder, die ihm der Kaiser
schuldete,
konnte er nicht zurück erlangen. Dafür wurde er und
seine
Nachkommen 1661 von Leopold II. in den Reichsgrafenstand erhoben.
Als er 1665 starb, erhielt sein Sohn Gabriel die Herrschaft Beuthen,
Georg
Friedrich Tarnowitz mit Neudeck, der dritte Sohn Elias bekam
Oderberg.
Nach Gabriels Tode 1666 wurde Beuthen unter die beiden andern
Brüder
so geteilt, dass der südliche Teil mit Kochlowitz an Elias, der
nördliche
mit der Stadt Beuthen an Georg Friedrich fiel. Nach dessen Tode
wurde
sein Besitz von seinen beiden Söhnen geteilt. Leo Ferdinand
übernahm Beuthen und löste von seinen Neffen auch den
südlichen
Teil mit Kochlowitz aus. Von ihm stammt die Siemianowitzer Linie
der Henckels ab. Dem zweiten Sohne, Karl Maximilian, fiel
Neudeck-Tarnowitz
zu.
Auch während der zweiten Hälfte des
17.
Jahrhunderts war Beuthen noch häufig von den Kriegen des
europäischen
Ostens heimgesucht, sodass an eine Heilung der Wunden, die der
30jährige
Krieg geschlagen hatte, nicht zu denken war. Ebenso wenig
hören
die Klagen über die Zuchtlosigkeit und Sittenlosigkeit der
Bürger
auf. Dazu kamen ferner Streitigkeiten des Grafen Leo Ferdinand
mit
den Ständen der Herrschaft Beuthen sowie mit der Geistlichkeit,
die
erst nach langen Verhandlungen beigelegt wurden.
Aus diesem Zeitraum ist noch zu bemerken, dass der
Polenkönig Johann Sobieski, als er zum Entsatze Wiens heranzog,
durch
Piekar kam. Ebenso legte dort der Kurfürst August von
Sachsen,
der 1697 zum polnischen König gewählt worden war, das
katholische
Glaubensbekenntnis ab.
§ 20 Beuthen als freie Standesherrschaft
bis
1741. Am 14. November 1697 wurde die Herrschaft wegen der
Verdienste
des Grafen Leo Ferdinand zur freien Standesherrschaft erhoben,
wofern
die Besitzer katholisch würden. Leo Ferdinand starb bald
darauf,
und sein Sohn, Karl Josef, wurde katholisch erzogen.
Die Rechte, die der neue Standesherr damit bekam,
waren
Ehrenvorrechte, wie sie die bereits bestehenden 4 schlesischen
Standesherrschaften
besassen, die aber doch nicht ohne Bedeutung waren. Dagegen war
die
volle Landeshoheit mit Einschluss der Regalien nicht verliehen worden.
Graf Karl Josef hatte bald auf allen Seiten sich Feinde gemacht und
Unzufriedenheit
erregt. Namentlich mit der Stadt Beuthen kam es zu argen
Zwistigkeiten,
so dass die Stadt 1722 dem Kaiser 24 "Cravamina" überreichte, die
ziemlich böse Zustände beleuchten. Hauptsächlich
sind
es Eingriffe in die Gerechtsame der Stadt, Verweigerung von Leistungen,
die der Stadt zukommen, worüber sich der Magistrat
beschwert.
In der Hauptsache erreichte er in Prag ein siegreiches Erkenntnis, aber
die Kosten der Ausfertigung des Urteils waren für die Stadt nicht
zu erschwingen. Daher liess man die Sache auf sich beruhen, die
ja
schliesslich auch durch die Besitzergreifung Preussens bedeutungslos
wurde.
Des weiteren ist aus dieser Zeit noch zu
erwähnen,
dass trotz des Protestes des Grafen der Kaiser Leopold und nach ihm
Josef
I. dem Breslauer Bürger Georg v. Giesche das Recht erteilte, 20
Jahre
lang allein Galmei zu graben.
§ 21. Die religösen
Verhältnisse
in der habsburgischen Zeit. Die Lehre Luthers scheint schon
sehr
zeitig nach Oberschlesien gekommen zu sein. Markgraf Georg der
Fromme
war ein Anhänger des neuen Glaubens, und schon in den
Anfängen
seiner Regierung hat er in Tarnowitz eine evangelische Kirche
errichtet.
Unter Georg Friedrich war wohl der grösste Teil der Einwohner
protestantisch.
Die Minoritenmönche scheinen 1564 ihr Kloster verlassen zu
haben.
Die erste sichere Nachricht von der Anstellung eines evangelischen
Predigers
erhalten wir aus dem Jahre 1569. Auch in den umliegenden
Dörfern
verbreitete sich das neue Bekenntnis; in vielen wurde es vorherrschend,
in andern wurde Gottesdienst für beide Konfessionen
abgehalten.
Infolge des dreissigjährigen Krieges trat wieder ein Umschwung
ein;
1632 wurde in der Pfarrkirche wieder katholischer Gottesdienst
abgehalten.
Dass bei dieser Restituierung des Katholizismus hier in Beuthen nicht
mit
derselben Härte verfahren wurde, wie so häufig im
übrigen
Schlesien, ist wohl Verdienst des zweiten Lazarus von Henckel.
Als
1631 eine kaiserliche Kommission in Beuthen erschien und unter anderem
auch den Grafen ermahnen sollte, in den Städten nur katholische
Bürger
in den Rat aufzunehmen und ebenso nur katholische Amtsleute
anzustellen,
da gab der Graf die Antwort, dass er über die Gewissen der
Menschen
nicht zu herrschen habe.
Trotzdem zogen es aber gegen 20 protestantische
Familien vor, die Stadt zu verlassen. Doch blieben auch in der
Folge
noch Protestanten da, so dass 1653 vom Oberamte ein erneuter Befehl,
wonach
die Prediger und ihre Gehilfen entweder katholisch werden oder
auswandern
sollten.
Nach dem 30jährigen Kriege bildete sich in
Beuthen auch eine stärkere jüdische Gemeinde. Die
Fürsten
hatten hier wie anderwärts Geld nötig, und während sie
früher
gegen die vermehrte Ansiedlung Stellung genommen hatten, hielten sie es
nachher umgekehrt.
Dass die mittelalterlichen Schulen auch im 16.
Jahrhundert bestanden, erfahren wir aus verschiedenen Zeugnissen. Georg
Friedrich hat sogar eine eigene Schulordnung erlassen. Nach dem
30jährigen
Kriege scheint aber die Fürsorge hierfür verschwunden zu
sein.
§ 22. Beuthen bis zum Ausgang des
18.
Jahrhunderts. Von den Unruhen des ersten schlesischen Krieges
blieb Beuthen verschont. Im Frieden von Breslau (1742) kam es mit
dem übrigen Schlesien unter preussische Herrschaft, und der
Standesherr
Karl Josef wurde Oberpräsident der neueingerichteten
Oberamtsregierung
in Oppeln. Doch scheint er sieh des königlichen Vertrauens
unwert
gezeigt zu haben, jedenfalls ging die Herrschaft noch zu seinen
Lebzeiten
an seinen Sohn Franz Ludwig aber. Als dieser 1768 starb, folgte
ihm
sein Bruder Lazarus.
In der Stadt Beuthen wurden am 21. Januar
1744 neben 173 bewohnten Privathäusern 8 unbewohnte gezählt
und
dazu noch 29 wüste Plätze; ähnlich war das
Verhältnis
in der Vorstadt. Zehn Jahre später hatte die Stadt 1134
Einwohner.
Sehr langsam begann sieh die Stadt zu heben; 1783 zählte man 1628
Einwohner, 1794 aber nur 1534. Vielleicht ist dies durch die
Verlegung
einer Esquadron Husaren zu erklären, die zeitweilig hier stand,
doch
mögen auch Teurung und Hungersnot, wovon noch oft genau berichtet
wird, mitgewirkt haben. Im Jahre 1783 gab Friedrich der Grosse
der
Stadt 2620 Thaler, damit sich Woll- und Leinweber in grösserer
Zahl
niederliessen und Tischlerwerkstätten eingerichtet
würden.
Das Minoritenkloster und die dazugehörige Kirche wurden um- bzw.
neugebaut.
Auch manche andere Zeichen eines beginnenden Aufschwunges fehlen nicht,
doch muss im allgemeinen die Stadt ein sehr trauriges Bild gewährt
haben.
§ 23. Wiederbeginn des Bergbaus. Der wirkliche Aufschwung datiert erst seit der Wiederbelebung des Bergbaus. Friedrich der Grosse fand in Oberschlesien nur geringe Eisenerzförderung und Galmeigewinnung vor. (Das Galmei wurde nur zur Messingfabrikation benützt.) Steinkohlen waren noch nicht erbohrt, Silber und Blei wurden nicht mehr abgebaut. So war es denn kein Wunder, dass sich sein Blick zuerst auf Niederschlesien richtete Lind dass er erst am Ende seiner Regierung auf Oberschlesien aufmerksam wurde. Freilich kamen dann die allgemeinen Verordnungen, die er früher erlassen hatte, auch unserer Gegend zu gute, so z. B. die Bergordnung vom 5. Juli 1769. Das grösste Verdienst an der Wiedererweckung des hiesigen Bergbaus gebührt dem Grafen Friedrich Wilhelm von Reden, dein ersten schlesischen Berghauptmann und späteren Minister. Die Gruben- und Hüttenanlagen in Friedrichshütte, Zabrze, Königshütte, Gleiwitz u. s. w. verdanken seiner Tatkraft ihre Entstehung. Besonders muss hier noch hervorgehoben worden der mit Erfolg gekrönte Versuch Rubergs, aus Galmei Zink herzustellen, der bald zur Errichtung der kgl. Lydognia-Zinkhütte führte. Dem Beispiel des Staates folgten auch Privatleute nach. Allerdings litt der Bezirk noch Jahrzehnte lang Mangel an jeder brauchbaren Verbindung.
§ 24. Beuthen im 19.
Jahrhundert,
bis 1862. Auch der Anfang des 19. Jahrhunderts war
für
Beuthen noch sehr schlecht; besonders die Zeit der Napoleonischen
Kriege
war furchtbar. Im Februar 1807 fiel ein Haufen Polen unter
Führung
des Fürsten Sulkowsky angeblich als Bundesgenossen der Franzosen
ein;
Beuthen nebst andern Orten wurde geplündert und die Einwohner
beraubt
und gemisshandelt. Wenn auch dieses Unheil ziemlich rasch
vorüberging,
so sogen die Franzosen desto länger und auch gründlicher das
Land ans. Der Centner Weizen stieg damals auf 94 Mark. An
den
Kriegsschulden hat die Stadt noch Jahre lang zu zahlen gehabt.
Nach dem Friedensschluss von Tilsit begann der Wiederaufbau des
preussischen
Staates, der aufs innigste mit den Namen Stein, Hardenberg und
Scharnhorst
verquickt ist. 1808 wurde die Städteordnung erlassen, wodurch die
Städte Selbstverwaltung erhielten. Die Bürger haben
seitdem
als Vertreter Stadtverordnete zu wählen, die aus ihrer Mitte als
eigentliche
Verwaltunngsbehörde den Magistrat wählen. Dieser, an
dessen
Spitze der Bürgermeister steht, ist bei seiner Tätigleit an
die
Zustimmung der Stadtverordneten gebunden. Um die fast
unerschwinglichen
Kriegskosten zu decken, wurden in Preussen Klöster und geistliche
Stiftungen eingezogen; in Beuthen geschah dies mit dem
Minoritenkloster,
dessen Gebäude von Friedrich Wilhelm III. der Stadt geschenkt
wurde.
Die Befreiungskriege selbst brachten der Stadt reichlichen Durchmarsch
russischer Truppen, sowie eine Typhusepidemie, namentlich unter den
verwundeten
Kriegern.
In der folgenden Friedenszeit hob sich die Stadt
dann sichtlich. Auch ihr Äusseres änderte sich
vorteilhaft,
die alten Festungsmauern fielen, der Ring wurde gepflastert u. dergl.
mehr.
Doch auch Unglücksfälle sind zu
verzeichnen:
Die Cholera, die 1831 hier wütete und mehrmals wieder auftrat, und
verschiedene grössere Brandschäden. Namentlich in den
vierziger
Jahren herrschten Teuerung der Lebensmittel und Krankheiten (1848
Hungertyphus).
Dagegen blieb die Stadt von der Revolutionsbewegung des Jahres 1848
fast
gänzlich verschont, nur an einem Tage kam es zu Unruhen.
Die Bevölkerung nahm ständig zu, so dass
1851 die Pfarrei Königshütte abgetrennt wurde. 1857 wurde die
Stadt Sitz eines Kgl. Kreisgerichtes: 1869 wurde die Gasbeleuchtung
eingeführt.
II. Beuthen in den letzten 40 Jahren.
§ 25. Allgemeines. Stadtverwaltung.
Der
Juni des Jahres, 1866 brachte der Stadt grosse Aufregung, da man den
Einfall
der Osterreicher als sicher bevorstehend betrachtete. Ganze
Karawanen
von Flüchtlingen aus der Myslowitzer und Nicolaier Gegend
durchzogen
mit Hab und Gut die Stadt, aus der selbst die Gerichtskasse nach Oppeln
geschafft worden war. Bei Oswiecim fand am 27. Juni ein
kleines
Scharmützel statt, bei welchem einige Tote und etwa 70 Verwundete
blieben; die Schlag auf Schlag folgenden Siege auf böhmischem
Boden
aber brachten bald wieder Beruhigung in die Bürgerschaft.
Das
Jahr 1870 führte nur eine grössere Anzahl kriegsgefangener
Offiziere
hierher, die bei hiesigen Bürgern Unterkunft fanden.
Nach dem Kriege nahm die Stadt einen rascheren
Aufschwung
durch das Aufblühen des Bergbaus und der Industrie, das allerdings
auch durch wiederholte Rückschläge unterbrochen wurde.
Am schlimmsten war der grosse "Krach" vom Jahre 1873. Auch die
Jahre
1890 und 1901 bezeichneten einen Tiefstand in der industriellen
Entwicklung
des Bezirkes. Auch bedrohten mehrfach grössere Streiks die
Ruhe
der Bürgerschaft. Trotzdem wuchs die Bevölkerung
ständig
und seit 1880 schnell, wie die folgende Tabelle zeigt.
1871 1875 1880 1885 1890 1895 1900 |
Beuthen Beuthen Beuthen Beuthen Schwarzwald Schwarzwald Schwarzwald |
Einwohner 15785 19513 22811 26484 36905 42343 51404 |
kath. 12117 15203 18068 21266 30924 35385 43164 |
ev. 1768 2238 2523 2911 3793 4612 5622 |
jüd. 1824 2062 2185 2295 2183 2342 2594 |
in Wohngeb. 588 611 811 832 1143 1229 1288 |
dazu in Schwarzw. 1383 2237 3570 4117 --- --- --- |
Summe 18022 21750 26381 30601 36905 42343 51404 |
Am stärksten wuchs naturgemäss die
Arbeiterbevölkerung
bei der Zunahme der Gruben und Hütten, welche die Stadt
allmählich
auf allen Seiten wie ein Gürtel einschlossen. Auf dem
Stadtgebiet
selbst wurden neue Strassen angelegt, so z. B. die Gerichtsstrasse,
1884/86
die neue Dyngos- und Gräupnerstrasse. In jüngster Zeit
wird das Paniower Feld und Kleinfeld durch Neuanlagen erschlossen.
Wie die Bevölkerungsziffer der Stadt wuchs
auch die der übrigen Orte des Industriegebietes, so dass im Jahre
1873 der alte Kreis Beuthen in die vier Kreise Beuthen, Tarnowitz,
Kattowitz,
Zabrze geteilt wurde. Nachdem Beuthen im Jahre 1885 eine
Bevölkerung
von über 25000 Seelen erreicht hatte, hatte es das Recht erlangt,
einen eigenen Stadtkreis zu bilden und schied am 1. April 1890 aus dem
Landkreise aus. Bei dieser Gelegenheit nahm es auch sein altes
historisches
Stadtwappen wieder auf, welches in der linken Hälfte den halben
goldnen
oberschlesischen Adler im blauen Felde, rechts einen mit der Keilhaue
auf
dem Gesteine arbeitenden Bergmann im silbernen Felde zeigt. Der
Landkreis
Beuthen (1900: 138.000 Einw.), aus dem später auch
Königshütte
ausschied, erstreckt sich von Deutsch-Piekar bis Schwientochlowitz, von
Rokittnitz bis Gross-Dombrowka. Er erbaute 1897/99 für die
eigene
Verwaltung ein prächtiges Kreisständehaus auf Rossberger
Grund
an der städtischen Aue (seit 1902 Moltkeplatz benannt).
Dagegen
blieb Beuthen mit Königshütte und Tarnowitz in einem
Reichstagswahlkreis,
der einen Vertreter zu entsenden hat, während es, mit
Königshütte,
Kattowitz, Tarnowitz, Zabrze vereint, im preussischen Abgeordnetenhause
durch 2 Abgeordnete vertreten ist. - Im Jahre 1867 wurde zum ersten
Male
ein juristisch vorgebildeter Bürgermeister an die Spitze der
städtischen
Verwaltung gestellt: Erster Bürgermeister Erbs; ihm folgte 1869
der
Erste Bürgermeister Küper, 1882 der Erste, spätere
Oberbürgermeister
Dr. Brüning. Als im Jahre 1900 die Bevölkerung 50000
Einwohner
überschritten hatte, wurde die Zahl der Stadtverordneten von 42
auf
48 erhöht, während der Magistrat aus 12. Mitgliedern besteht:
dem Oberbürgermeister, dem Zweiten Bürgermeister, 2
besoldeten
und 8 unbesoldeten Stadträten. Die stetig anwachsenden
Verwaltungsgeschäfte
machten auch im Jahre 1900, nachdem die Räume des 1877/9 von
Baurat
Jackisch im Renaissancestil erbauten Rathauses nicht mehr ausreichten,
den Ankauf des alten Kreishauses (Stadthaus) nötig, wohin auch
bald
darauf die Stadtverordneten- Versammlungen verlegt wurden.
§ 26. Verkehr Mit dem
Wachstum
der Stadt hielt die Entwicklung des Verkehrswesens nicht immer gleichen
Schritt. Einen grossen Fehler hatte im Anfang der vierziger
Jahre,
die Stadtverordneten-Versammlung begangen, als sie die direkte
Führung
der 1845 bis Königshütte- Schwientochlowitz weitergebauten
Obersehlesischen
Eisenbahn über Beuthen ablehnte, um den eigenen Verkehr nicht zu
schädigen.
Die Bewohner waren daher gezwungen, nach dem beim Bau der Strecke
Tarnowitz-Karf-Morgenroth
im Jahre 1859 eingerichteten, 7 km entfernten Bahnhof Morgenroth zu
gehen,
um die Hauptbahn zu erreichen; denn die Station Karf hatte
ungünstige
Verbindungen. im Jahre 1868 wurde die Rechte Oder-Ufer-Eisenbahn von
Breslau
über Kreuzburg bis Tarnowitz geführt und 1869 über
Scharley
bis Beuthen und weiter nach Kattowitz gebaut. Am 1. April
1872
wurde dann Karf mit Beuthen-Stadt durch ein Gleis verbunden. Im Oktober
1872 folgte die Linie Gleiwitz-Beuthen-Schwientochlowitz, in der
Mitte der siebenziger Jahre auch die Strecke
Beuthen-Peiskretscham-Oppeln.
Der oberschlesische Bahnhof wurde am 15. Juli
1874 dem Verkehr übergeben, später umgebaut und 1895 durch
Anbau
und Hinzufügung einer Halle vergrössert, da der Neubau den
gesamten
Personenverkehr aufnehmen musste, nachdem im Oktober 1891 der Rechte
Oder-Ufer-
Eisenbahnhof für Personenzüge geschlossen worden war. Heut
gehen
Schienenstränge nach
6 Richtungen von Beuthen aus, das auch enger in den Schnellzugverkehr
einbezogen worden ist, so dass die Provinzialhauptstadt in nicht ganz
3,
die Landeshauptstadt in ca. 9 Stunden erreichbar ist. Im Jahre
1900
sind von hier aus 650 000 Personen abgegangen, 2,1 Millionen Tonnen
Güter
verladen worden. Auch der Postverkehr ist in ähnlicher Weise
gestiegen. Nachdem die Reichspost von 1874 bis 1885 neben der
Villa
Just auf der Gymnasialstr. (in der jetzigen Töchterschule)
untergebracht
worden war, erhielt sie in diesem Jahre ein eigenes Haus an der
Bahnhofstr.,
das sich neuerdings als zu eng erweist; beträgt doch der
jährliche
Verkehr ca. 3,6 Mill. Stück Briefsendungen, 240 000 Packete,
ca. 21 Mill. Mark auf Postanweisungen, ungerechnet
Zeitungverkehr.
Telegraph. Fernsprechverkehr (seit 1890 eingeführt) etc -
Ein
eigenes Heim erhielt im Jahre 1885, auch die Reichsbanknebenstelle, die
jetzt einen jährlichen Umsatz von 500 Mill Mark hat, - Beuthen ist
ferner der Sitz der Pringsheim'schen Verwaltung der im staatlichen
Besitz
befindlichen Oberschlesischen Schmalspurbahn (1859); deren Geleise oft
neben der Hauptbahn dahinlaufend, in einer Länge von 129 km die
Gruben
und Werke des Industriebezirkes mit einander verbinden und die Zu- und
Ausfuhr derselben erleichtern. Die Stadt ist auch der Sitz der
Verwaltung
der 1892 konzessionierten oberschiesischen Strassenbahn, welche,
ursprünglich
für Dampfbetrieb eingerichtet, vor wenigen Jahren zum elektrischen
Betrieb übergegangen ist . Es wurde zunächst die Strecke
Gleiwitz-Königshütte-Beuthen-Deutsch
Piekar ausgeführt. Es folgten zahlreiche andere Strecken:
nach
Zabrze, Ruda, Morgenroth, Lipine, Kattowitz, Myslowitz, so dass der
Verkehr
unter den Ortschaften ausserordentlich erleichtert worden ist.
Hoffentlich
folgt auch noch einmal die Anlage der Strecken von Beuthen nach
Miechowitz
und Städt. Dombrowa.
Die Gräflich Schaffgotsch'sche Verwaltung hat
gleichfalls ihren Sitz in unserer Stadt.
§ 27. Kirchen- und Schulwesen.
Behörden. Mit der Zunahme der Bevölkerung machte
sich
das Bedürfnis geltend, die umfangreiche Pfarrei Beuthen durch
Abtrennung
neuer Pfarrgemeinden (Godullahütte, Orzegow, Lagiewnik) zu
entlasten.
Schliesslich musste auch die Stadt selbst in 2 Pfarreien zerlegt
werden.
So wurde 1882 der Bau einer neuen, von Baurat Jackisch in edlem,
gotischem
Stil entworfenen Kirche ad Sanctam Trinitatem begonnen, welche am
16.
Juni 1886 eingeweiht wurde. Diese Pfarrei, zu der auch die
Ursprüngliche
Probsteikirche zu St. Margaret (1880 erbaut) und die
Begräbniskirche
(1881) an der Piekarerstr. gehören. umfasst den westlichen Teil
der
Stadt, Städt. Dombrowa. Städt. Karf und
Schomberg,
wo sich schon eine neue Kirche erhebt, während der älteren
Pfarrei
ad Sanctum Mariai, wozu die Hospitalkirche zum heil. Geist und
die
Hyazinthkirche in Rossberg gehören, der östliche Teil der
Stadt,
Rossberg, Städt. Scharley und ein Teil von Birkenhain
verblieben.
Der Bezirk Schwarzwald gehört zur Pfarrei Eintrachthütte. -
Die
hiesige Jüdische Gemeinde, eine der ältesten des
Industriebezikes,
errichtete im Jahre 1869 eine grössere Synagoge an dem Platze der
alten im maurischen Stil.
Nachdem im Jahre 1849 die städtischen
Körperschaften
zum ersten Male sich mit dein Plane befasst hatten, eine höhere
Schule
und zwar realer Richtung hier zu gründen, und in den 50er Jahren
mannigfache
Erörterungen darüber gepflogen worden waren, wurde dieser
Plan
schliesslich zu Gunsten eines Gymnasiums fallen gelassen, welches am 29
April 1867 eröffnet wurde und bald stark anwuchs. Im Sommer
1870 bezog es das jetzige, von Baurat Jackisch als gotischer
Backsteinbau
entworfene Haus und ging am 1. April 1889 in staatliche Verwaltung
über.
Es wurde allmählich das am stärksten besuchte Gymnasium der
Provinz
(600 Schüler), wozu auch die 1887 erfolgte Errichtung des
fürstbischöflichen
Konvikts viel beitrug. Letzteres siedelte 1900 von der
Blottnitzastr.
in ein gesunder gelegenes, geräumigeres Haus über.
Aber der alte Plan, eine reale Anstalt ins Leben
zu rufen, gewann in den 90er Jahren neue Anhänger und führte
am
1.
Mai 1897 zur Errichtung der Städtischen katholischen Realschule,
die
jetzt einen Besuch von 320 Schülern aufzuweisen hat und in der
Entwicklung
zu einer Oberrealschule begriffen ist. Am 8. Januar 1903 bezog die
Anstalt
ihr neues prächtiges Heim, das von Stadtbaurat Brugger nach
modernen
baukünstlerischen Anschauungen, in Anlehnung an den Barockstil,
aufgeführt
wurde. - Ausserdem besteht seit 1890 hierorts eine private höhere
Knabenschule.
An höheren Mädchenschulen sind 2
Privatanstalten
vorhanden: Die katholische höhere Töchterschule, die, aus
einer
1879 gegründeten Privatschule hervorgegangen, von den "armen
Schulschwestern
de notre Dame" geleitet wird und ca. 500 Schülerinnen zählt,
und die seit 1878 bestehende simultane höhere Töchterschule
mit
etwa 250 Schülerinnen.
Ein gewaltiges Anwachsen zeigte das
Volksschulwesen.
Es zählten die städtischen Schulen im Jahre
1871 1900 |
kathol. 1618 6926 |
evangel. 308 599 |
jüd. 214 328 |
Summe 2140 Schüler 7853 Schüler |
Im letzteren Jahre waren 125 Lehrpersonen, worunter 10 evangelisch,
6 jüdisch waren, tätig.
(1902 : 134 Lehrpersonen, unter ihnen 34 Lehrerinnen).
Hierzu kam die städtische Fortbildungsschule,
welche 1871 von 236 Schülern besucht war, jetzt aber, wo ihr
Besuch
obligatorisch ist, von 912 Schülern, welche in 3 Hauptabteilungen
getrennt sind, die in 13 Elementarklassen, 12 Zeichenklassen und 4
kaufmännischen
Klassen zerfallen Seit 1901 besteht auch eine vom Gewerbe-Verein
eingerichtete
Fortbildungsschule für Mädchen.
Es war somit erforderlich, dass eine grössere
Anzahl Schulhäuser neu errichtet werden musste : so 1871 die
katholische Volksschule an der Langenstrasse neben der evangel.
Kirche,
1872 das Gebäude für die jüdische Schule (seit 1870
unter
städtischer Verwaltung) auf der Dyngosstrasse, 1875 das Schulhaus
an der Hospitalstrasse, 1877 erfolgte der Umbau der evang.
Schule,
1880 der Bau des Schuhauses Ecke Dyngos- und Goy-Strasse, 1896 der Bau
der Schule an der Breitenstrasse. Hinzukommen soll in diesem
Jahre
ein 32-klassiges Schulgebäude im Nordwesten der Stadt, nachdem
längere
Zeit Schulklassen in Privathäusern untergebracht worden waren. -
Das
gesamte Schulwesen des Stadt- sind Landkreises steht unter Aufsicht
zweier
Kreisschulinspektionen.
Andere Behörden. Beuthen ist nach
der Neuordnung des Gerichtswesens (1879) der Sitz eines Landgerichts
geworden,
unter einem Landgerichtspräsidenten stehend mit 6
Landgerichtsdirekteren,
so dass es bis jetzt einen ebenso grossen Umfang wie das Breslauer
Landgericht
hatte; ferner der Sitz eines bedeutenden Amtsgerichts 1892 musste daher
das Gebäude durch einen schönen Anbau vergrössert
werden.
Damit verbunden ist ein grosses Gerichtsgefängnis. Ein
eigentümliches
Bild von oberschlesischen Zuständen entrollen mehrere Prozesse
gegen
Räuberbanden : Pistulka 1874, Elias 1876. -- Ein in 3 Kammern
zerfallendes
Gewerbegericht (1893) und ein Berggewerbegericht mit 2 Kammern
schlichten
Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern; ausserdem giebt es
verschiedene Innungsschiedsgerichte. Zwei Bergrevierämter:
Beuthen-Süd
und -Ost beaufsichtigen den Betrieb des Bergbaus. Ein Kreisarzt sowie
ein
Kreis- Lind Grenztierarzt überwachen die Durchführung der
behördlichen
sanitären Bestimmungen. Daneben bestehen eine Gewerbe- und
eine
Kreisbau-Inspektion, zwei Eisenbahnbetriebs-Inspektionen, ein
Katasteramt,
ein Aichamt eine Einkommensteuer-Veranlagungs-Kommission, ein
Grenz-Kommissariat,
ein Gendarmerie-Distrikts-Kommando. Nachdem am 11. April
1881
die Stadt durch den Einzug des 2. Bataillons 1. Posen'schen
Infanterie-Regiments
Nr. 18 auch wieder Garnisonort geworden war, erbaute sie 1883 ein
Garnison-Lazaret,
1890 eine geräumige Kaserne, die jetzt mit dem 3. Bataillon des 1.
Oberschlesischen Infanterie-Regiments No. 22 Keith belegt ist.
Zugleich
befindet sich in der Stadt ein Bezirkskommando an dessen Spitze ein
Oberst
steht.
§ 28. Wissenschaft, Kunst
Grössere
wissenschaftliche Vereinigungen bestehen hierorts nicht, ebenso wenig
grössere
Bibliotheken. Die Schätze des Stadtarchivs sind bis jetzt
noch
ungehoben. Dagegen besitzen die hiesigen Behörden und
Schulen
Fachbibliotheken, wie auch seit 1899 eine Volksbibliothek vorhanden
ist,
die sich nur aus Mangel an Mitteln noch nicht zu reicherer Blüte
entfalten
konnte. Auch suchen zahlreiche Vereine, seien es gewerbliche,
kaufmännische,
konfessionelle oder sonstige Vereine, ihre Mitglieder durch
Vorträge
und Vorführungen zu bilden und zu belehren. Eine vom Berg-
und
Hüttenmännischen Verein unterhaltene, schöne
mineralogische
Sammlung ist im Stadthause untergebracht. - Auf künstlerischem
Gebiet
ist die Entwicklung nur gering geblieben, macht doch die Hast des
Erwerblebens,
die Fülle der Berufsgeschafte vielen einen ruhigeren und reineren
Genuss des Lebens schwer möglich. Verhältnismässig
am besten gepflegt wurde die Musik in einer Anzahl Musik- und
Gesangsvereinigungen.
Auch besass und besitzt die Stadt eine städtische
Musikkapelle.
Ein wichtiger Schritt vorwärts wurde jedoch getan durch die im
Herbst
1898 erfolgte Gründung einer Theater- und Konzerthausgesellschaft,
welcher der Magistrat einen Bauplatz von 50 ar unentgeltlich und ein
Darlehn
von 300.000 Mk. zur Errichtung eines würdigen Festsaal- und
Theaterbaues
verlieh. Die theatralischen und musikalischen Aufführungen,
die seit Oktober 1901 dort stattfinden, bilden einen Anziehungpunkt
für
alle kunstsinngen Bewohner der Stadt und Umgegend. - An Denkmälern
ist die Stadt arm. Sie besitzt ausser den schon erwähnten,
meist
aus dem 19. Jahrhundert stammenden Bauten und abgesehen von der
im
13. bezw. 16. Jahrhundert erbauten gotischen Marienkirche, kein
Baudenkmal
älterer Zeit in ihren Mauern. Auch das 1873 errichtete
Kriegerdenkmal,
ein ruhender Löwe nach einem Rauch'schen Modell, kann nicht als
wirksam
bezeichnet werden.
Um so mehr war es zu begrüssen, dass ein auf
mehrere Jahrhunderte zurückschauendes Kirchlein, das bisher in
Mikultschütz
gestanden hatte und abgebrochen werden sollte, vom Magistrat mit
Beihilfe
des Staates käuflich erworben und 1901 im Stadtpark wieder
aufgerichtet
worden ist. Diese Schrotholzkirche ist ein Werk jenes, den
klimatischen
Verhältnissen angepassten Kirchenbaustiles, der sich von der
Bukowina
bis in die nordischen Reiche verfolgen lässt und in der
berühmten
norwegischen Kirche Wang im Riesengebirge besonders reizvoll entwickelt
ist.
§ 29. Wohlfahrtseinrichtungen,
Gesundheitspflege.
Von alter Zeit her hatte sich die Kirche der Armen und Kranken
angenommen
und auch hierorts Anstalten für deren Unterstützung
errichtet.
So bestand hier das von Borromäerinnen geleitete Hospital zum hl.
Geist und das Kloster der Vinzentinerinnen für Armen- und
Kinderpflege.
Im Juli 1886 wurde von dem wenige Monate später gestorbenen
Fürstbischof
Dr. Robert Herzog das Robertus-Stift (Siechenhaus) ins Leben gerufen
und
1889 in das ehemalige Knappschaftslazaret auf der Bahnhofstrasse
verlegt,
da dieses ein ausgedehntes Gebäude in Kleinfeld erhalten hatte.
1892
wurde das Kloster zum Guten Hirten errichtet. - Die evangelische
Gemeinde
erbaute 1900 ein Diakonissenhaus am Klosterplatz. Doch auch die
Stadt
besass schon lange ein eigenes Krankenhaus, welches, bei den
öfteren
Epidemien überfüllt, 1878 auf einem Gelände von 136 ar
im
Paniower Felde einen grossen Neubau erhielt. 1894 erbaute die Stadt
auch
ein grosses Waisenhaus. Eine grössere Anzahl von Vereinen
sorgt,
ausser der städtischen Verwaltung selbst, für Linderung der
Not
und Armut. - Erhebliche Schwierigkeiten bereitete der Stadt die
Wasserversorgung.
Mitte der sechziger Jahre war auf dem alten Viehmarkt an der
Miechowitzer
Chaussee ein Wasserhebewerk, das mit einer Badeanstalt und einem
kleinen
Schwimmbassin verbunden wurde, erbaut worden; es deckte aus einem
eigenen
Wasserschacht den städtischen Bedarf nur notdürftig.
Deshalb
schloss die Stadt 1874 mit der Schlesischen Aktien-Gesellschaft
für
Bergbau und Zinkhüttenbetrieb ein Abkommen, wonach das
überschüssige
Wasser der Apfel-Galmei bzw. der Karsten-Centrum-Grube in Stärke
bis
3 kbm. in der Minute in die Stadt eingeleitet wurde. Doch reichte
der Druck nicht immer aus, das Wasser bis in die oberen Stockwerke zu
treiben.
Da dieses Wasser auch schon lange als nicht einwandfrei galt, wurde
1884
der Kgl. Bergfiskus verpflichtet, 14 Ständer mit Wasser der
Friedrich-Bleierz-Grube bezw. des Adolfschachtes bei Tarnowitz in den
Strassen,
die er zur Wasserleitung benutzte, zu errichten. Von wie grossem
Nutzen diese Einrichtung war, zeigte sich in der grossen Typhusepedemie
des Sommers 1897. Schon früher waren Typhuserkrankungen
alljährlich
in geringer Zahl vorgekommen, doch auch heftigerer Epedemien, so
1872/73
und 1877, als der
Erste Bürgermeister Küper am Typhus erkrankte, der Zweite
Bürgermeister Cannabich daran starb. Die Sterblichkeit betrug
damals
7,5 %. In de zweiten Hälfte des Juni 1897 aber begann einen
Epidemie,
die 1500 Erkrankungen mit ca. 80 Todesfällen (5,3 %) hervorrief
und
sicher auf Infektion durch verunreinigtes Grubenwasser
zurückzuführen
war. Binnen 6 Monaten wurde eine neue Wasserversorgung aus der 9
km entfernten Rosalien-Grube, deren Ankauf die
Stadtverordneten-Versammlung
wenige Jahre vorher leider abgelehnt hatte, beschlossen,
ausgeführt
und in Benutzung genommen. Zur Beobachtung gerade der
Wasserverhältnisse
des Industriebezirkes wurde 1902 auch ein bakteriologisches Institut
hier
errichtet. Vor allem wird auch das 1902 in Angriff genommene
grosse
Werk der Kanalisation zur Gesundung der Stadt sicher viel beitragen. -
Es sei nebenbei erwähnt, dass eine im Jahre 1877 in Russland
ausgebrochene
Rinderpest eine längere Zeit dauernde Grenzbesetzung nötig
machte.
Am Wasserhebewerk waren aber auch seit 1871
Promenaden
angelegt worden, deren Vergrösserung und Verschönerung der
Stadtverwaltung
stets am Herzen gelegen hat, besonders seitdem der Stadtrat Wermund,
der
1881 in das Magistratskollelgium eintrat, die Verwaltung der
städtischen
Anlagen übernahm. So fasst jetzt der Stadtpark, nachdem er 1893
einen
zweiten grossen Teich erhielt, einen Flächeninhalt von 15 ha 46 ar
und übertrifft an Grösse, Schönheit und Bequemlichkeit
der
Lage andere Anlagen der Industrieorte bei weitem. In ihm wurde
1895
das prächtige 3600 qm grosse Freischwimmbad angelegt;
Kinderspielplätze,
Tennisplätze, ein Gondel- und ein Schlittschuhteich, ein
Tiergehege
bieten weitere Annehmlichkeiten für Gross und Klein. Eine
bedeutende
Neuerwerbung von Gelände am Nordrande des Parkes steht jetzt
wieder
bevor.
Ein gut organisirtes Feuerlöschwesen, das 1892/93 ein eigenes
Depot erhielt, sorgt für schnelle Unterdrückung von
Feuersgefahr.
- 1889 wurde ein Schlachthaus eingerichtet, welches seitdem
grössere
Erweiterungen erfuhr, so im Jahre 1894. Es wurden dort im Jahre
1900
über 60000 Tiere geschlachtet bezw. untersucht. - Die Gasanstalt
ging
1900 in den städtischen Besitz über, worauf die
Strassenbeleuchtung
eine wesentliche Besserung erfuhr. So darf die Stadt auf die letzten
Jahrzehnte
ihrer Entwicklung mit Genugtuung zurückblicken. Möge
sie
sieh wirklich zur "Metropole" des oberschlesischen Industriebezirks,
wie
der Herr Oberpräsident sie bei Gelegenheit der Einweihung des
Realschulgebäudes
bezeichnete, ausgestalten !