Ratibor - Ortbeschreibung und Geschichte

1) Aus der Geschichte
2) Der Name der Stadt
3) Das Wappen
4) Naturverhältnisse und Lage
5) Bevölkerung
6) Ackerbau
7) Gewerbe
8) Handel
9) Verfassung und Verwaltung
10) Kirchen- und Schulwesen

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1) Aus der Geschichte

    Ratibor war der Sitz des ersten Herzog von Schlesien Wladislaus (1139-1162); derselbe mußte aber von hier flüchten, indem er wegen Herrschaft von seinen Brüdern vertrieben wurde. Von Wladislaus Söhnen erhielt Miesko I. die Gegend von Ratibor bis Teschen als selbstständiges Herzogthum und hatte das Gebiet  von Oberschlesien seitdem eigene Herzöge. Im Jahre 1177 fand Miecislaw der Alte, wegen seiner Grausamkeit landesflüchitig, mit Gattin und Kindern einen Zufluchtsstätte in Ratibor. Im Jahre 1201 erbten die Herzöge das Gebiet von Oppeln und schrieben sich Herzöge von Oppeln, während die alte Chronica Principum Polonae sie stets Herzöge von Ratibor nennt. Unter der friedlichen Herrschaft Kasimirs (1211-1230), der das Land von der polnischen Dienstbarkeit erlöste, erhielt Ratibor deutsches Recht. Die Mongolen, welche in Ratibor über die Oder setzten, verödeten das Land; das Herr des vom Kreuzzuge aus Preußen heimgekehrten Ottokar von Böhmen verwüstete das Gebiet von Ratibor und verbrannte 1255 die Stadt. Herzog Wladislaus beschloß, um ähnlichen Schicksalen für die Zukunft vorzubeugen, die Stadt stärker zu befestigen, schlug ein bedeutendes Stück Land dem Stadtgebiete zu (Neumarkt, Neue Gasse), besetzte es mit gewerbetreibenden Ansiedlern aus den Niederlanden und führte eine Mauer um die Stadt. Auch leitete er, um den Einwohner zureichendes Wasser zu geben, aus der Zinna von Benkowitz einen Canal nach Ratibor, der Psinna genannt wurde, und verlieh durch eine Urkunde von 1267 der Stadt Holzgerechtsame und Hutungen. Hatte bisher der regierende Herzog ganz Oberschlesien besessen, so wurden Wladislaus 4 Söhne, Miesko, Boleslaus, Kasimir und Przemislav, Begründer eigener Dynastien. Ratibor gewann dadurch, da es bleibende Residenz des Landesherrn wurde. Zunächst wurde dir Stadt in Rechtssachen zum Oberhofe für das ganze Gebiet angesetzt, und da sie für die Volksmenge nicht mehr ausreichte, 1294 durch Gründung der jetzigen Oberstadt vergrößert. Am 17. Juni 1299 erhielt Ratibor das Magdeburger Recht. Der Rath bestand aus 5 Consuln und 7 Schöffen und wurden selbe alljährlich neu gewählt.
    Beim Aussterben der Herzöge von Ratibor kam das Herzogthum als heimgefallenenes Lehn an Österreich (1532), wechselte aber, wie in der Einleitung dargestellt ist, häufig seine Herren, da es oft auch in bloßen Pfandbesitze, zuerst des Markgrafen von Brandenburg, war, bis nach der im städtischen Archiv befindlichen Urkunde, d. d. Prag, den 28. Oktober 1609, Kaiser Rudolph ausdrücklich bestimmte, daß Ratibor stets kaiserliche Immediatstadt sein und bleiben solle. Als solche wurde es 1741 bei der Besitzergreifung Schlesiens durch Friedrich den Großen preußisch.

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2) Der Name der Stadt

    Ratibor begegnet uns in deutschen Urkunden unter dem Namen Ratibor, Rathibor, Rathybor, Racibor, Rahibor, Razibor, Rathwor, Ratburg; ähnlich lauten die latinisierten Namen, polnisch Raciborz, mährisch immer nur Ratiborz. Der Ursprung des Namens ist von gleichnamigen Gründer herzuleiten, da die slawische Personenbezeichnung Ratibor vom 11. bis ins 14. Jahrhundert allgemein war.

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3) Das Wappen

    Das Stadtwappen begegnet und das erste Mal in einer Urkunde vom Jahre und hat als charakteristische Zeichen ein halbes weißes Rad mit 5 Speichen und einen halben weißen Adler im rothen Felde. Den halben Adler haben viele Städte, so Troppau, Sohrau, Loslau, Oppeln, etc. Das Rad ist eine Anspielung auf den slawischen Namen der Stadt, dessen Bedeutung die Deutschen nicht mehr kannten.

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4) Naturverhältnisse und Lage

    Die Stadt besteht aus 9 öffentlichen Plätzen, 33 Straßen, 637 Häusern mit besonderen Hausnummern, wovon zuweilen mehrere nur ein Hypothekensolium haben. Außerdem gehören zu derselben die große, die neue, die Oder und die Neugärtner-Vorstadt, deren Häuser etc. oben mit angegeben sind.
    Ratibor liegt unter 35° 49' 22'' Ostlänge, 50° 1' 45'' Nordbreite, 578 Fuß über der Ostsee, am linken Ufer der Oder, welches im Lauf der Jahrhunderte dadurch, daß man auf dem Schutt der Brandstätten die Wohnungen aufführte, sich erhöht hat. Die Oder, welche hier bereits die Ostrawitza, Olsa und Oppa aufgenommen hat, und rechts oberhalb einen Wiesenbach, die Plinz und links unterhalb der Stadt die Psinna, einen Arm der Zinna aufnimmt, wird hier schon für größere Kähne schiffbar.
    Die Stadt grenzt gegen Norden und Osten an die Oder, gegen Süden an die Dörfer Studzienna und Ottitz und gegen Westen an die Dörfer Altendorf und Proschowitz, welche letztere beiden sich unmittelbar an die große Vorstadt anschließen. Ebenso reihen sich jenseits der Oder die Dörfer Bosatz, Ostrog, Plania unmittelbar an. Durch dieselben erhält der Verkehr eine bedeutende Ausdehnung, da die im Zusammenhang bebaute Fläche - die Stadt mit den anstoßenden Ortschaften -  19.432 Einwohner enthält. Der Flächenraum der zum Stadtbezirk gehörigen Häuser und Höfe beträgt circa 92 Morgen, der der Gärten 76 Morgen, zusammen daher 168 Morgen. Der Flächenraum der zur Stadt gehörigen Feldmark beträgt an Ackerland ca. 550 Morgen, an Wiesen ca. 308 Morgen. Hierzu treten noch ca. 1000 Morgen der seit 1860 dem Stadtbezirk zugeschlagenen Vorstadt Neugarten.

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5) Bevölkerung

    Die Einwohnerzahl, welche sich 1749 auf 1564, 1750 auf 1577, 1765 auf 2410, 1786 auf 2940, 1800 auf 3024 belief, betrug 1818: 4655;   1825: 5315;   1534: 6288;   1840: 7022;   1849 schon 8499 und ist excl. Militär 1850 bis 9384, 1856 bis 10.321, bei der letzen allgemeinen Zählung 1861 wieder bis 11.791 gestiegen. Außerdem waren 1861 noch 946 Militärpersonen hier, und die eigentliche Seelenzahl von Militär und Civil betrug also 1861 12.740. In den unmittelbar an die Vorstädte anstoßenden Dörfer sind 6692 Seelen vorhanden.

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6) Ackerbau

Mit Ackerwirthschaft beschäftigen sich hier nur circa 100 Personen, namentlich die Bewohner der Vorstadt Neugarten - und ist die Morgenzahl der städtischen Acker bereits oben angegeben. Diese Flächen sind in der Art unter die Besitzer vertheilt, daß keiner mehr als 50 Morgen hat; in der Regel istr der Besitz viel geringer. Der Garten- und Obstbau hat sich neuerdings sehr gehoben. Der Viehbestand des Stadtbezirks betrug nach der letzten Feststellung 155 Pferde, 212 Stück Rindvieh, 87 Schweine und 6 Ziegen.

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7) Gewerbe

    An Verarbeitern von Mineralstoffen sind 1 Büchsenmacher, 2 Gelbgießer, 6 Glaser, 4 Goldarbeiter, 6 Grobschmiede, 1 Gürtler, 12 Klempner, 2 Kupferschmiede, 2 Lackierer, 6 Maurer, 1 Mechanikus, 1 Messerschmied, 6 Maler, 3 Radler, 2 Nagelschmiede, 2 Schieferdecker, 18 Schlosser, 1 Sporer, 6 Seifensieder, 2 Steinmetze, 5 Töpfer, 6 Uhrmacher, 1 Zeugschmied, 2 Zinngießer; an Verarbeitern von Pflanzenstoffen 13 Böttcher, 9 Buchbinder, 22 Bäcker, 6 Brauer, 12 Conditoren und Pfefferküchler, 9 Drechsler, 2 Färber, 2 Instrumentenbauer, 1 Müller, 8 Posamentiere und Knopfmacher, 59 Schneider, 3 Seiler, 4 Stellmacher, 6 Tapezierer, 43 Tischler, 30 Weber, 3 Zimmerleute, 9 Gärtner; an Verarbeitern von Stoffen des Thierreiches 2 Beutler und Handschuhmacher, 27 Fleischer, 3 Hutmacher, 2 Kammmacher, 20 Kürschner, 11 Riemer, Sattler und Täschner, 6 Roth- und Weißgerber, 137 Leinenspinner, 109 Schuhmacher, wenige Strumpfwirker, 3 Tuchmacher, 1 Tuchscherer; außerdem 9 Barbiere, 1 Friseur, 3 Badeanstalten, 4 Bildermacher und Photographen, 2 Architekten, 1 Musiker. Was die 24 Innungen betrifft, so zählen die Kürschner incl. Handschuhmacher und Beutler 16, die Gerber (Roth- und Weißgerber) 8, die Schuh- und Pantoffelmacher 61, die Sattler, Riemer, Täschner und Tapezierer 10, die Schneider 32, die Tuchmacher und Tuchbereiter 18, die Weber 20, die Strumpfwirker, Posamentiere und Knopfmacher 14, die Hutmacher und Färber 4, die Seiler und Reifschläger 6, die Buchbinder 8, die Fleischer 20, die Bäcker, Pfefferküchler und Conditoren 29, die Tischler, Stuhlmacher und Instrumentenbauer 33, die Stell- und Rademacher und Böttcher 24, die Schlosser, Uhrmacher, Büchsenmacher, Sporer und Feilhauer 18, die Schmiede (Grob-, Zeug-, Huf-, Messer- und Nagelschmiede) 12 Mitglieder; dies sind alte seit unvordenklicher Zeit bestehende Zünfte; die von den neu hinzugetretenen zählen die Klempner und Kupferschmiede, Radler, Gürtler, Goldarbeiter, Gelb- und Zinngießer, Glaser 22, die Brauer 31, die Maler und Lackierer 12, die Drechsler und Kammmacher 12, die Maurer, Zimmerleute, Schieferdecker 12, die Müller (1 Wind. und Wassermühle) 1858 gegründet, 47 Meister; eine 1861 gegründete Schornsteinfeger-Innung erstreckt sich über die Kreis Ratibor, Pleß, Rybnik, Cosel und Gleiwitz und zählt 13 Mitglieder. Die alten Innungsstatuten sind in den 1850er Jahren neu revidirt und bestätigt.
    Anlangend die Fabriken, so werden in der uralten Psinnamühle der Gebrüder Doms 16, in der Oelfabrik 32, in der Aralfabrik 3, in den Essigfabriken 2, in der Wollspinnerei 8, in der Schnupftabakfabrik 15, in der Walkmühle 1, in der Glashütte 20, in der Cigarrenfabrik 88, in der Maschinenwerkstätte 99, in der Strafanstalt 303, in der Gasanstalt 6, in den 6 Bierbrauereien 17, in den Brennereien und Destillir-Anstalten 11 Personen beschäftigt; die seit 1832 bestehende Schnupftabakfabrik Joseph Doms, welche die Blätter in der hiesigen amerikanischen Wassermühle mahlen lässt und den Tabak in einem besonderen Fabrikgebäude beizt und zubereitet, erzeugt etwa 3000 Centner im Werthe von etwa 40.000 Thlr.; die Essigfabrik von Polko, welche auf kaltem Wege arbeitet, etwa 320 Oxhoft; die seit 1852 bestehende Essigfabrik von Heimann Ring 150 Oxhoft; die Dampfölmühle von Schlesinger und Tarlau, welche seit 1842 besteht und drei hydraulische Pressen durch ein Locomobile betreibt, 1500 Ctr. Oel; die Walkmühle besteht seit fast einem Jahrhundert und gehört dem Dominium Ratibor seit 1789. Sie ist zur Benutzung der Tuchmacher und Weißgerber, wird durch Wasserkraft betrieben und enthält 1 Walke mit 4 Tuch- und 1 Lederstampfe. Darin ist noch die Hottewitz'sche Tuch-Appretur, Preß- und Scheer-Anstalt durch eine vom Zinnawasser betriebene Maschine seit 1849, und diese beschäftigt 2 Arbeiter und werden 2880 Ellen Tuch appretirt. Die Glashütte, welche 1858 durch Greiner in Betrieb gesetzt wurde, enthält 1 Schmelzofen mit 7 Muffeln, 4 Kühlöfen und 1 Streckofen. Die Cigarrenfabrik besteht seit 1849, gehörte zuerst dem Kaufmann Polko, dann dem Kaufmann Niepelt und jetzt dem Kaufmann Reiners aus Bremen, sie beschäftigt meist Strafgefangene. Die Maschinenwerkstätte wurde 1856 wegen der Wilhelmsbahn von dem Directorio derselben begründet und wird mit einer Dampfmaschine von 16 Pferdekraft und 95 Arbeitern betrieben. In dieser Maschinenwerkstatt werden die Locomotiven und Tender reparirt, sowie alle für den Bahnbau und die Unterhaltung der Wasserstationen und Gebäude nöthigen Utensilien von 78 Arbeitern gefertigt. Die Gas-Anstalt wurde 1857 begründet und gehört der Magdeburger Gas-Actien-Gesellschaft. Die sehr blühenden Bierbrauereien gehören der verw. Füllbier (seit 1810 bestehend), dem Herrn Lex (seit 1822 bestehend), dem Herrn Braun (ehemals Stadtbrauerei) , Herrn Ender (seit 1843 bestehend), Herrn Markus Haußmann (Seit 1846 bestehend) und Herrn Anton Bauer (seit 1826 bestehend); sie liefern gute Biere, jährlich gegen 8000 Tonnen. Die Wollspinnerei des Hodurek in der Neustadt, seit 1839 durch eine 2 Pferdekraft starke Locomobile betrieben, producirt circa 120 Ctr. Wollgarn für 1240 Thlr. und beschäftigt 9 Arbeiter. In der Königlichen Strafanstalt wird Flachspinnerei auf 47 Handspinnrädern mit 67 Arbeitern, Leinweberei auf 11 Stühlen mit 16 Arbeitern, Kuhhaarspinnerei auf 89 Spinnrädern mit 89 Leuten, Plüschweberei, 59 Stühle, 70 Leute, seit October 1856, und Damastweberei, 40 Stühle, 71 Leute, seit 12. September 1857 betrieben. Die Branntwein- brennereien, welche den Herrn Lex, Polko, Heimann Ring, Elias Lustig und Königsberger gehören, liefern gegen 2700 Eimer Spiritus.

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8) Handel

    Es sind hier 5 Jahrmärkte, welche zugleich Viehmärkte, 2 Tage dauern und sehr besucht sind, und außerdem sind allwöchentlich die gewöhnlichen Wochenmärkte und jährlich 2 Wollmärkte, an denen gegen 300 Ctr. Wolle verkauft werden. An den Wochenmärkten kommt namentlich viel Getreide, Flachs, hanf und Schwarzvieh zum Verkauf. Von den Chaussee-Verbindungen führt eine Kreischaussee Über Doms-Anhöhe und Groß Peterwitz nach Katscher und Leobschütz, eine Staatschaussee über Bosatz und Plania nach Pogrzebin, Kornowatz nach Rybnik und eine Kreischaussee über Schammerwitz und Zauditz nach Troppau. An eisenbahnen ist der Sitz der Wilhelmsbahn hier, welche Berlin und Breslau mit Wien und durch ihre Zweigbahnen seitwärts Leobschütz mit Rybnik und Nikolai verbindet; ihr Hauptbahnhof liegt dicht an der Stadt. Der Handelsverkehr auf allen diesen Straßen ist eine sehr bedeutender. Früher, als die Oder noch ein besseres Fahrwasser bot, war Ratibor Der Centralpunkt des Getreidehandels und des Handels mit Landesproducten für die ganze Umgegend, für Mähren, Galizien und Ungarn. ein sehr bedeutender Transitohandel und Spedition blühte hier. Noch vor wenig Jahren fuhren mehr als 100 Schiffe gleichzeitig ab, die Ladung brachten und weiter schafften. Große Verladungen von Ungarwein, Tabakblättern, Antimonien, Knoppern wurden zu Wasser befördert. Die immer mehr und mehr eintretende Oder-Versandung, sowie die Bahn entzog der Schiffahrt diesen bedeutenden Verkehr und ist nur durch Regulirung der Oder Abhülfe zu erwarten.

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9) Verfassung und Verwaltung

    Der Magistrat besteht aus dem Bürgermeister, der zugleich die Polizei-Verwaltung hat, dem Beigeordneten und 10 Rathsherren. Die Stadtverordneten-Versammlung hat 36 Mitglieder. Deputationen sind vorhanden für die Abgaben nebst Servis, das Aichungsamt, das Armenwesen, das Bauwesen, die Beleuchtung, die Chaussee, das Feuerlöschwesen, die städtische Forst, den Garnisonstall, das städtische Finanzwesen, das Krankenhaus, das Leihamt, die Oekonomie, das Patronat für die evangelische Kirche, die Rechnungs-Abnahme, die Sanität, die Schulen, die Sparkasse, die Straßenreinigung und Promenaden, das Waisenhaus und die Wasserleitung. Die Stadt ist in 5 Bezirke getheilt. Nach der neuesten Gemeinde-Wählerliste sind in der 1. Abtheilung 90, in der 2. Abtheilung 224, in der 3. Abtheilung 558 gesetzlich stimmfähige Wähler vorhanden. Städtische Beamte sind angestellt : 1 Polizei-Secretair, 1 Registrator, 1 Kanzlist, 1 Gemeinde- Einnehmer, 1 Kämmerei-Kassen-Controleur, 1 Polizei-Inspector, 1 Polizei-Commissar, 2 Leihamtsbeamte, 1 Magistratsdiener, 1 Kassendiener, 1 Stockmeister, 14 Nachtwächter und 12 Wächter zur Aushülfe an den Wochenmärkten; 1 Förster und 1 Heeger im Kämmereigut Brzezie.
    An Königlichen Behörden haben in Ratibor ihren Sitz : das Königl. Appelationsgericht für Oberschlesien, das Königl. Kreisgericht, das Königl. Haupt-Steueramt, das Königl. Eisenbahn- Directorium, das Königl. Gymnasium, das Königl. Landrathsamt, das Kreis-Steueramt, die Königl. Strafanstalt, der Königl. Kreis-Physikus, der Königl. Baurath und Bau-Inspector, der Kreis-Thierarzt, ein Ober-Steuer-Controleur, ein Königl. Berggeschworener.
    An Militär steht hier das 3. Bataillon des 3. Oberschlesischen Infanterie-Regiments Nr. 62 mit dem Stabe, sowie die 3. Escadron des Schlesischen Ulanen-Regiments Nr. 2.
    Außerdem hat die Oberschlesische Fürstenthums-Landschaft hier ihren Sitz im stattlichen Landschaftsgebäude.
    Das Vermögen der Stadt besteht aus folgenden Grundstücken : dem ehemaligen Pelikan'schen Garten, dem Doctordamm (zum Theil eigenthümlich, zum Theil nur zur Benutzung als Promenade); dem Franziskaner-Garten (der jetzige Viehmarkt); dem Probteigarten vor dem Oderthore; dem vom Commerzienrath Cecola dem Krankenhaus geschenkte Paschekengrundstücke; ferner aus folgenden öffentlichen Gebäuden : dem Rathhaus, der Schule, dem sogenannten Mühlwaagehaus, dem Stockhaus, dem Geräthschuppen, dem Baudenschuppen, dem Spritzenschuppen nebst Beamtenwohnung, dem Garnisonstall mit daran befindlichen Düngerschuppen und offenen Reitplatz, dem Chausseehaus in Plania und einen Hypotheken-Instrument auf das Rittergut Studzienna über 1250 Thlr. Jurisdictionszins. Dagegen hat die Stadt noch 12.150 Thlr. Schulden.
    An gemeinnützigen Instituten sind vorhanden : ein Krankenhaus, die Pflege haben 4 Schwestern de Ordens St. Carolus  Borromäus; ein Waisenhaus, in dem gegenwärtig 6 Waisen erhalten werden; ein Hospital ad St. Lazarum für 10 städtische alte Frauen und ein Hospital ad St. Nicolaum für 5 alte Frauen aus dem herzoglichen Dörfern. Seit 1845 befindet sich hier eine Sparkasse, seit 1847  sein städtisches Leihamt, sowie seit langer Zeit 3 Sterbekassen, ein der alte Schützengilde und 2 die jedem zugänglich sind, und von denen die eine 100 Thlr., die andere 50 Thlr. bei jedem Todesfalle an die Mitglieder zahlt; auch besteht hier ein Verein zur Unterstützung Armer, St. Vincenz-Verein; einer zur Unterstützung Kranker, Frauenverein; ein Verein für Taubstummen-Unterricht, der mit Provinzial-Fonds gegenwärtig 30 Taubstumme lehrt und verpflegt; ein Verein zur Erziehung verwahrloster Kinder, in dem gegenwärtig 13 Kinder erzogen werden; ein Verein zur Besserung entlassener Strafgefangenen; ein landwirthschaftlicher und ein kaufmännischer Verein, 1 Turnverein und 2 Gesangvereine, sowie ein jüdischer Waisen-Unterstützungs-Verein; endlich sind mehrere Stiftungen vorhanden, deren Zinsen alljährlich zu Unterstützungen, Stipendien etc. verwendet werden müssen.

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10) Kirchen- und Schulwesen

    Die Katholiken, welche 3/4 der Einwohner sind, besitzen 2 Kirchen, die Pfarr- und die Curatialkirche, doch ist eine Vorstadt Ratibors, die sogenannte Neustadt und Fischerei zu dem über der Oder anstoßenden Parochialdorfe Ostrog eingepfarrt. Außerdem besitzt noch das Hospital zu St. Corpus Christi eine kleine Kapelle, in der Gottesdienst abgehalten wird. die katholische Pfarrkirche zu St. Mariam ist 1205 errichtet, und 1430 die sogenannte polnische Kapelle daran gebaut. Sie war 1416-1810 zugleich Collegiatkirche und ist das Chor der Canonici noch erhalten. Sie hatte ursprünglich zwei Thürme, von denen sei einen 1574 ganz und 1774 von dem zweiten die Spitze durch Brand verlor. Die Curatialkirche zu St. Jakobum ist die frühere Klosterkirche des Dominikaner-Ordens. Die katholische Geistlichkeit besteht aus einem Pfarrer, einen Curatus und 3 Caplänen, sowie dem katholischen Religionslehrer am Gymnasium. Die evangelische Kirche, zu der auch viel auswärtige Gemeindemitglieder gehören, besitzt eine Kirche, die ursprüngliche katholische Jungfrauenkirche der Dominikanerinnen, die 1821 ihr vom Königl. Fiskus geschenkt und seit 1830 ausgebaut, benutzt wird. Die altlutherische Gemeinde hat nur einen Betsaal gemiethet. Evangelische Geistliche sind : ein evangelischer Pfarrer, ein Diaconus, welcher zugleich den Gottesdienst in Hultschin versieht, und ein altlutherischer Pastor. Die jüdische Gemeinde, zu der ebenfalls auswärtige Mitglieder gehören, besitzt eine 1829 erbaute und 1863 erweiterte Synagoge mit einem Rabbiner.
    Die katholische Stadt-Elementarschule besteht aus 2 Realklassen als höhere Vorbereitung für Gymnasien, Realschulen etc. und als 6 Knaben und 5 Mädchenklassen. Die evangelische Elementarschule hat 3 Klassen für Schüler und Schülerinnen. Mit der Elementarschule ist eine Industrieschule für arme Mädchen aller Confessionen verbunden. Außerdem besteht hier eine sehr blühende und nützliche Handwerker-Fortbildungsschule, eine jüdische Privatschule und 2 höhere Töchterschulen, von denen die eine Ursuliner-Klosterschwestern leiten. die katholische Elementarschule besuchten 1863 639 Schüler und 549 Schülerinnen, die evangelische Elementarschule aber 260 Schüler und Schülerinnen, so daß im Ganzen 1448 Schüler und Schülerinnen öffentlichen Unterricht genießen.
    Das Elementarschul-Gebäude wurde 1826 erbaut und soll 1864 noch ein zweites gebaut werden. Die von der Freimaurerloge begründete und mit 30 Schülern besetzte Taubstummen-Anstalt ist 1862 an der vorerwähnten Verein übergegangen.

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(Quelle : Felix Triest, Topographisches Handbuch von Oberschlesien, 1864/65)