Ratibor war der Sitz des ersten Herzog von Schlesien
Wladislaus (1139-1162); derselbe mußte aber von hier flüchten,
indem er wegen Herrschaft von seinen Brüdern vertrieben wurde. Von
Wladislaus Söhnen erhielt Miesko I. die Gegend von Ratibor bis Teschen
als selbstständiges Herzogthum und hatte das Gebiet von Oberschlesien
seitdem eigene Herzöge. Im Jahre 1177 fand Miecislaw der Alte, wegen
seiner Grausamkeit landesflüchitig, mit Gattin und Kindern einen Zufluchtsstätte
in Ratibor. Im Jahre 1201 erbten die Herzöge das Gebiet von Oppeln
und schrieben sich Herzöge von Oppeln, während die alte Chronica
Principum Polonae sie stets Herzöge von Ratibor nennt. Unter der friedlichen
Herrschaft Kasimirs (1211-1230), der das Land von der polnischen Dienstbarkeit
erlöste, erhielt Ratibor deutsches Recht. Die Mongolen, welche in
Ratibor über die Oder setzten, verödeten das Land; das Herr des
vom Kreuzzuge aus Preußen heimgekehrten Ottokar von Böhmen verwüstete
das Gebiet von Ratibor und verbrannte 1255 die Stadt. Herzog Wladislaus
beschloß, um ähnlichen Schicksalen für die Zukunft vorzubeugen,
die Stadt stärker zu befestigen, schlug ein bedeutendes Stück
Land dem Stadtgebiete zu (Neumarkt, Neue Gasse), besetzte es mit gewerbetreibenden
Ansiedlern aus den Niederlanden und führte eine Mauer um die Stadt.
Auch leitete er, um den Einwohner zureichendes Wasser zu geben, aus der
Zinna von Benkowitz einen Canal nach Ratibor, der Psinna genannt wurde,
und verlieh durch eine Urkunde von 1267 der Stadt Holzgerechtsame und Hutungen.
Hatte bisher der regierende Herzog ganz Oberschlesien besessen, so wurden
Wladislaus 4 Söhne, Miesko, Boleslaus, Kasimir und Przemislav, Begründer
eigener Dynastien. Ratibor gewann dadurch, da es bleibende Residenz des
Landesherrn wurde. Zunächst wurde dir Stadt in Rechtssachen zum Oberhofe
für das ganze Gebiet angesetzt, und da sie für die Volksmenge
nicht mehr ausreichte, 1294 durch Gründung der jetzigen Oberstadt
vergrößert. Am 17. Juni 1299 erhielt Ratibor das Magdeburger
Recht. Der Rath bestand aus 5 Consuln und 7 Schöffen und wurden selbe
alljährlich neu gewählt.
Beim Aussterben der Herzöge von Ratibor kam
das Herzogthum als heimgefallenenes Lehn an Österreich (1532), wechselte
aber, wie in der Einleitung dargestellt ist, häufig seine Herren,
da es oft auch in bloßen Pfandbesitze, zuerst des Markgrafen von
Brandenburg, war, bis nach der im städtischen Archiv befindlichen
Urkunde, d. d. Prag, den 28. Oktober 1609, Kaiser Rudolph ausdrücklich
bestimmte, daß Ratibor stets kaiserliche Immediatstadt sein und bleiben
solle. Als solche wurde es 1741 bei der Besitzergreifung Schlesiens durch
Friedrich den Großen preußisch.
Ratibor begegnet uns in deutschen Urkunden unter dem Namen Ratibor, Rathibor, Rathybor, Racibor, Rahibor, Razibor, Rathwor, Ratburg; ähnlich lauten die latinisierten Namen, polnisch Raciborz, mährisch immer nur Ratiborz. Der Ursprung des Namens ist von gleichnamigen Gründer herzuleiten, da die slawische Personenbezeichnung Ratibor vom 11. bis ins 14. Jahrhundert allgemein war.
Das Stadtwappen begegnet und das erste Mal in einer Urkunde vom Jahre und hat als charakteristische Zeichen ein halbes weißes Rad mit 5 Speichen und einen halben weißen Adler im rothen Felde. Den halben Adler haben viele Städte, so Troppau, Sohrau, Loslau, Oppeln, etc. Das Rad ist eine Anspielung auf den slawischen Namen der Stadt, dessen Bedeutung die Deutschen nicht mehr kannten.
Die Stadt besteht aus 9 öffentlichen Plätzen,
33 Straßen, 637 Häusern mit besonderen Hausnummern, wovon zuweilen
mehrere nur ein Hypothekensolium haben. Außerdem gehören
zu derselben die große, die neue, die Oder und die Neugärtner-Vorstadt,
deren Häuser etc. oben mit angegeben sind.
Ratibor liegt unter 35° 49' 22'' Ostlänge,
50° 1' 45'' Nordbreite, 578 Fuß über der Ostsee, am linken
Ufer der Oder, welches im Lauf der Jahrhunderte dadurch, daß man
auf dem Schutt der Brandstätten die Wohnungen aufführte, sich
erhöht hat. Die Oder, welche hier bereits die Ostrawitza, Olsa und
Oppa aufgenommen hat, und rechts oberhalb einen Wiesenbach, die Plinz und
links unterhalb der Stadt die Psinna, einen Arm der Zinna aufnimmt, wird
hier schon für größere Kähne schiffbar.
Die Stadt grenzt gegen Norden und Osten an die Oder,
gegen Süden an die Dörfer Studzienna und Ottitz und gegen Westen
an die Dörfer Altendorf und Proschowitz, welche letztere beiden sich
unmittelbar an die große Vorstadt anschließen. Ebenso reihen
sich jenseits der Oder die Dörfer Bosatz, Ostrog, Plania unmittelbar
an. Durch dieselben erhält der Verkehr eine bedeutende Ausdehnung,
da die im Zusammenhang bebaute Fläche - die Stadt mit den anstoßenden
Ortschaften - 19.432 Einwohner enthält. Der Flächenraum
der zum Stadtbezirk gehörigen Häuser und Höfe beträgt
circa 92 Morgen, der der Gärten 76 Morgen, zusammen daher 168 Morgen.
Der Flächenraum der zur Stadt gehörigen Feldmark beträgt
an Ackerland ca. 550 Morgen, an Wiesen ca. 308 Morgen. Hierzu treten noch
ca. 1000 Morgen der seit 1860 dem Stadtbezirk zugeschlagenen Vorstadt Neugarten.
Die Einwohnerzahl, welche sich 1749 auf 1564, 1750 auf 1577, 1765 auf 2410, 1786 auf 2940, 1800 auf 3024 belief, betrug 1818: 4655; 1825: 5315; 1534: 6288; 1840: 7022; 1849 schon 8499 und ist excl. Militär 1850 bis 9384, 1856 bis 10.321, bei der letzen allgemeinen Zählung 1861 wieder bis 11.791 gestiegen. Außerdem waren 1861 noch 946 Militärpersonen hier, und die eigentliche Seelenzahl von Militär und Civil betrug also 1861 12.740. In den unmittelbar an die Vorstädte anstoßenden Dörfer sind 6692 Seelen vorhanden.
Mit Ackerwirthschaft beschäftigen sich hier nur circa 100 Personen, namentlich die Bewohner der Vorstadt Neugarten - und ist die Morgenzahl der städtischen Acker bereits oben angegeben. Diese Flächen sind in der Art unter die Besitzer vertheilt, daß keiner mehr als 50 Morgen hat; in der Regel istr der Besitz viel geringer. Der Garten- und Obstbau hat sich neuerdings sehr gehoben. Der Viehbestand des Stadtbezirks betrug nach der letzten Feststellung 155 Pferde, 212 Stück Rindvieh, 87 Schweine und 6 Ziegen.
An Verarbeitern von Mineralstoffen sind 1 Büchsenmacher,
2 Gelbgießer, 6 Glaser, 4 Goldarbeiter, 6 Grobschmiede, 1 Gürtler,
12 Klempner, 2 Kupferschmiede, 2 Lackierer, 6 Maurer, 1 Mechanikus, 1 Messerschmied,
6 Maler, 3 Radler, 2 Nagelschmiede, 2 Schieferdecker, 18 Schlosser, 1 Sporer,
6 Seifensieder, 2 Steinmetze, 5 Töpfer, 6 Uhrmacher, 1 Zeugschmied,
2 Zinngießer; an Verarbeitern von Pflanzenstoffen 13 Böttcher,
9 Buchbinder, 22 Bäcker, 6 Brauer, 12 Conditoren und Pfefferküchler,
9 Drechsler, 2 Färber, 2 Instrumentenbauer, 1 Müller, 8 Posamentiere
und Knopfmacher, 59 Schneider, 3 Seiler, 4 Stellmacher, 6 Tapezierer, 43
Tischler, 30 Weber, 3 Zimmerleute, 9 Gärtner; an Verarbeitern von
Stoffen des Thierreiches 2 Beutler und Handschuhmacher, 27 Fleischer, 3
Hutmacher, 2 Kammmacher, 20 Kürschner, 11 Riemer, Sattler und Täschner,
6 Roth- und Weißgerber, 137 Leinenspinner, 109 Schuhmacher, wenige
Strumpfwirker, 3 Tuchmacher, 1 Tuchscherer; außerdem 9 Barbiere,
1 Friseur, 3 Badeanstalten, 4 Bildermacher und Photographen, 2 Architekten,
1 Musiker. Was die 24 Innungen betrifft, so zählen die Kürschner
incl. Handschuhmacher und Beutler 16, die Gerber (Roth- und Weißgerber)
8, die Schuh- und Pantoffelmacher 61, die Sattler, Riemer, Täschner
und Tapezierer 10, die Schneider 32, die Tuchmacher und Tuchbereiter 18,
die Weber 20, die Strumpfwirker, Posamentiere und Knopfmacher 14, die Hutmacher
und Färber 4, die Seiler und Reifschläger 6, die Buchbinder 8,
die Fleischer 20, die Bäcker, Pfefferküchler und Conditoren 29,
die Tischler, Stuhlmacher und Instrumentenbauer 33, die Stell- und Rademacher
und Böttcher 24, die Schlosser, Uhrmacher, Büchsenmacher, Sporer
und Feilhauer 18, die Schmiede (Grob-, Zeug-, Huf-, Messer- und Nagelschmiede)
12 Mitglieder; dies sind alte seit unvordenklicher Zeit bestehende Zünfte;
die von den neu hinzugetretenen zählen die Klempner und Kupferschmiede,
Radler, Gürtler, Goldarbeiter, Gelb- und Zinngießer, Glaser
22, die Brauer 31, die Maler und Lackierer 12, die Drechsler und Kammmacher
12, die Maurer, Zimmerleute, Schieferdecker 12, die Müller (1 Wind.
und Wassermühle) 1858 gegründet, 47 Meister; eine 1861 gegründete
Schornsteinfeger-Innung erstreckt sich über die Kreis Ratibor, Pleß,
Rybnik, Cosel und Gleiwitz und zählt 13 Mitglieder. Die alten Innungsstatuten
sind in den 1850er Jahren neu revidirt und bestätigt.
Anlangend die Fabriken, so werden in der uralten
Psinnamühle der Gebrüder Doms 16, in der Oelfabrik 32, in der
Aralfabrik 3, in den Essigfabriken 2, in der Wollspinnerei 8, in der Schnupftabakfabrik
15, in der Walkmühle 1, in der Glashütte 20, in der Cigarrenfabrik
88, in der Maschinenwerkstätte 99, in der Strafanstalt 303, in der
Gasanstalt 6, in den 6 Bierbrauereien 17, in den Brennereien und Destillir-Anstalten
11 Personen beschäftigt; die seit 1832 bestehende Schnupftabakfabrik
Joseph Doms, welche die Blätter in der hiesigen amerikanischen Wassermühle
mahlen lässt und den Tabak in einem besonderen Fabrikgebäude
beizt und zubereitet, erzeugt etwa 3000 Centner im Werthe von etwa 40.000
Thlr.; die Essigfabrik von Polko, welche auf kaltem Wege arbeitet, etwa
320 Oxhoft; die seit 1852 bestehende Essigfabrik von Heimann Ring 150 Oxhoft;
die Dampfölmühle von Schlesinger und Tarlau, welche seit 1842
besteht und drei hydraulische Pressen durch ein Locomobile betreibt, 1500
Ctr. Oel; die Walkmühle besteht seit fast einem Jahrhundert und gehört
dem Dominium Ratibor seit 1789. Sie ist zur Benutzung der Tuchmacher und
Weißgerber, wird durch Wasserkraft betrieben und enthält 1 Walke
mit 4 Tuch- und 1 Lederstampfe. Darin ist noch die Hottewitz'sche Tuch-Appretur,
Preß- und Scheer-Anstalt durch eine vom Zinnawasser betriebene Maschine
seit 1849, und diese beschäftigt 2 Arbeiter und werden 2880 Ellen
Tuch appretirt. Die Glashütte, welche 1858 durch Greiner in Betrieb
gesetzt wurde, enthält 1 Schmelzofen mit 7 Muffeln, 4 Kühlöfen
und 1 Streckofen. Die Cigarrenfabrik besteht seit 1849, gehörte zuerst
dem Kaufmann Polko, dann dem Kaufmann Niepelt und jetzt dem Kaufmann Reiners
aus Bremen, sie beschäftigt meist Strafgefangene. Die Maschinenwerkstätte
wurde 1856 wegen der Wilhelmsbahn von dem Directorio derselben begründet
und wird mit einer Dampfmaschine von 16 Pferdekraft und 95 Arbeitern betrieben.
In dieser Maschinenwerkstatt werden die Locomotiven und Tender reparirt,
sowie alle für den Bahnbau und die Unterhaltung der Wasserstationen
und Gebäude nöthigen Utensilien von 78 Arbeitern gefertigt. Die
Gas-Anstalt wurde 1857 begründet und gehört der Magdeburger Gas-Actien-Gesellschaft.
Die sehr blühenden Bierbrauereien gehören der verw. Füllbier
(seit 1810 bestehend), dem Herrn Lex (seit 1822 bestehend), dem Herrn Braun
(ehemals Stadtbrauerei) , Herrn Ender (seit 1843 bestehend), Herrn Markus
Haußmann (Seit 1846 bestehend) und Herrn Anton Bauer (seit 1826 bestehend);
sie liefern gute Biere, jährlich gegen 8000 Tonnen. Die Wollspinnerei
des Hodurek in der Neustadt, seit 1839 durch eine 2 Pferdekraft starke
Locomobile betrieben, producirt circa 120 Ctr. Wollgarn für 1240 Thlr.
und beschäftigt 9 Arbeiter. In der Königlichen Strafanstalt wird
Flachspinnerei auf 47 Handspinnrädern mit 67 Arbeitern, Leinweberei
auf 11 Stühlen mit 16 Arbeitern, Kuhhaarspinnerei auf 89 Spinnrädern
mit 89 Leuten, Plüschweberei, 59 Stühle, 70 Leute, seit October
1856, und Damastweberei, 40 Stühle, 71 Leute, seit 12. September 1857
betrieben. Die Branntwein- brennereien, welche den Herrn Lex, Polko, Heimann
Ring, Elias Lustig und Königsberger gehören, liefern gegen 2700
Eimer Spiritus.
Es sind hier 5 Jahrmärkte, welche zugleich Viehmärkte, 2 Tage dauern und sehr besucht sind, und außerdem sind allwöchentlich die gewöhnlichen Wochenmärkte und jährlich 2 Wollmärkte, an denen gegen 300 Ctr. Wolle verkauft werden. An den Wochenmärkten kommt namentlich viel Getreide, Flachs, hanf und Schwarzvieh zum Verkauf. Von den Chaussee-Verbindungen führt eine Kreischaussee Über Doms-Anhöhe und Groß Peterwitz nach Katscher und Leobschütz, eine Staatschaussee über Bosatz und Plania nach Pogrzebin, Kornowatz nach Rybnik und eine Kreischaussee über Schammerwitz und Zauditz nach Troppau. An eisenbahnen ist der Sitz der Wilhelmsbahn hier, welche Berlin und Breslau mit Wien und durch ihre Zweigbahnen seitwärts Leobschütz mit Rybnik und Nikolai verbindet; ihr Hauptbahnhof liegt dicht an der Stadt. Der Handelsverkehr auf allen diesen Straßen ist eine sehr bedeutender. Früher, als die Oder noch ein besseres Fahrwasser bot, war Ratibor Der Centralpunkt des Getreidehandels und des Handels mit Landesproducten für die ganze Umgegend, für Mähren, Galizien und Ungarn. ein sehr bedeutender Transitohandel und Spedition blühte hier. Noch vor wenig Jahren fuhren mehr als 100 Schiffe gleichzeitig ab, die Ladung brachten und weiter schafften. Große Verladungen von Ungarwein, Tabakblättern, Antimonien, Knoppern wurden zu Wasser befördert. Die immer mehr und mehr eintretende Oder-Versandung, sowie die Bahn entzog der Schiffahrt diesen bedeutenden Verkehr und ist nur durch Regulirung der Oder Abhülfe zu erwarten.
Der Magistrat besteht aus dem Bürgermeister,
der zugleich die Polizei-Verwaltung hat, dem Beigeordneten und 10 Rathsherren.
Die Stadtverordneten-Versammlung hat 36 Mitglieder. Deputationen sind vorhanden
für die Abgaben nebst Servis, das Aichungsamt, das Armenwesen, das
Bauwesen, die Beleuchtung, die Chaussee, das Feuerlöschwesen, die
städtische Forst, den Garnisonstall, das städtische Finanzwesen,
das Krankenhaus, das Leihamt, die Oekonomie, das Patronat für die
evangelische Kirche, die Rechnungs-Abnahme, die Sanität, die Schulen,
die Sparkasse, die Straßenreinigung und Promenaden, das Waisenhaus
und die Wasserleitung. Die Stadt ist in 5 Bezirke getheilt. Nach der neuesten
Gemeinde-Wählerliste sind in der 1. Abtheilung 90, in der 2. Abtheilung
224, in der 3. Abtheilung 558 gesetzlich stimmfähige Wähler vorhanden.
Städtische Beamte sind angestellt : 1 Polizei-Secretair, 1 Registrator,
1 Kanzlist, 1 Gemeinde- Einnehmer, 1 Kämmerei-Kassen-Controleur, 1
Polizei-Inspector, 1 Polizei-Commissar, 2 Leihamtsbeamte, 1 Magistratsdiener,
1 Kassendiener, 1 Stockmeister, 14 Nachtwächter und 12 Wächter
zur Aushülfe an den Wochenmärkten; 1 Förster und 1 Heeger
im Kämmereigut Brzezie.
An Königlichen Behörden haben in Ratibor
ihren Sitz : das Königl. Appelationsgericht für Oberschlesien,
das Königl. Kreisgericht, das Königl. Haupt-Steueramt, das Königl.
Eisenbahn- Directorium, das Königl. Gymnasium, das Königl. Landrathsamt,
das Kreis-Steueramt, die Königl. Strafanstalt, der Königl. Kreis-Physikus,
der Königl. Baurath und Bau-Inspector, der Kreis-Thierarzt, ein Ober-Steuer-Controleur,
ein Königl. Berggeschworener.
An Militär steht hier das 3. Bataillon des
3. Oberschlesischen Infanterie-Regiments Nr. 62 mit dem Stabe, sowie die
3. Escadron des Schlesischen Ulanen-Regiments Nr. 2.
Außerdem hat die Oberschlesische Fürstenthums-Landschaft
hier ihren Sitz im stattlichen Landschaftsgebäude.
Das Vermögen der Stadt besteht aus folgenden
Grundstücken : dem ehemaligen Pelikan'schen Garten, dem Doctordamm
(zum Theil eigenthümlich, zum Theil nur zur Benutzung als Promenade);
dem Franziskaner-Garten (der jetzige Viehmarkt); dem Probteigarten vor
dem Oderthore; dem vom Commerzienrath Cecola dem Krankenhaus geschenkte
Paschekengrundstücke; ferner aus folgenden öffentlichen Gebäuden
: dem Rathhaus, der Schule, dem sogenannten Mühlwaagehaus, dem Stockhaus,
dem Geräthschuppen, dem Baudenschuppen, dem Spritzenschuppen nebst
Beamtenwohnung, dem Garnisonstall mit daran befindlichen Düngerschuppen
und offenen Reitplatz, dem Chausseehaus in Plania und einen Hypotheken-Instrument
auf das Rittergut Studzienna über 1250 Thlr. Jurisdictionszins. Dagegen
hat die Stadt noch 12.150 Thlr. Schulden.
An gemeinnützigen Instituten sind vorhanden
: ein Krankenhaus, die Pflege haben 4 Schwestern de Ordens St. Carolus
Borromäus; ein Waisenhaus, in dem gegenwärtig 6 Waisen erhalten
werden; ein Hospital ad St. Lazarum für 10 städtische alte Frauen
und ein Hospital ad St. Nicolaum für 5 alte Frauen aus dem herzoglichen
Dörfern. Seit 1845 befindet sich hier eine Sparkasse, seit 1847
sein städtisches Leihamt, sowie seit langer Zeit 3 Sterbekassen, ein
der alte Schützengilde und 2 die jedem zugänglich sind, und von
denen die eine 100 Thlr., die andere 50 Thlr. bei jedem Todesfalle an die
Mitglieder zahlt; auch besteht hier ein Verein zur Unterstützung Armer,
St. Vincenz-Verein; einer zur Unterstützung Kranker, Frauenverein;
ein Verein für Taubstummen-Unterricht, der mit Provinzial-Fonds gegenwärtig
30 Taubstumme lehrt und verpflegt; ein Verein zur Erziehung verwahrloster
Kinder, in dem gegenwärtig 13 Kinder erzogen werden; ein Verein zur
Besserung entlassener Strafgefangenen; ein landwirthschaftlicher und ein
kaufmännischer Verein, 1 Turnverein und 2 Gesangvereine, sowie ein
jüdischer Waisen-Unterstützungs-Verein; endlich sind mehrere
Stiftungen vorhanden, deren Zinsen alljährlich zu Unterstützungen,
Stipendien etc. verwendet werden müssen.
Die Katholiken, welche 3/4 der Einwohner sind, besitzen
2 Kirchen, die Pfarr- und die Curatialkirche, doch ist eine Vorstadt Ratibors,
die sogenannte Neustadt und Fischerei zu dem über der Oder anstoßenden
Parochialdorfe Ostrog eingepfarrt. Außerdem besitzt noch das Hospital
zu St. Corpus Christi eine kleine Kapelle, in der Gottesdienst abgehalten
wird. die katholische Pfarrkirche zu St. Mariam ist 1205 errichtet, und
1430 die sogenannte polnische Kapelle daran gebaut. Sie war 1416-1810 zugleich
Collegiatkirche und ist das Chor der Canonici noch erhalten. Sie hatte
ursprünglich zwei Thürme, von denen sei einen 1574 ganz und 1774
von dem zweiten die Spitze durch Brand verlor. Die Curatialkirche zu St.
Jakobum ist die frühere Klosterkirche des Dominikaner-Ordens. Die
katholische Geistlichkeit besteht aus einem Pfarrer, einen Curatus und
3 Caplänen, sowie dem katholischen Religionslehrer am Gymnasium. Die
evangelische Kirche, zu der auch viel auswärtige Gemeindemitglieder
gehören, besitzt eine Kirche, die ursprüngliche katholische Jungfrauenkirche
der Dominikanerinnen, die 1821 ihr vom Königl. Fiskus geschenkt und
seit 1830 ausgebaut, benutzt wird. Die altlutherische Gemeinde hat nur
einen Betsaal gemiethet. Evangelische Geistliche sind : ein evangelischer
Pfarrer, ein Diaconus, welcher zugleich den Gottesdienst in Hultschin versieht,
und ein altlutherischer Pastor. Die jüdische Gemeinde, zu der ebenfalls
auswärtige Mitglieder gehören, besitzt eine 1829 erbaute und
1863
erweiterte Synagoge mit einem Rabbiner.
Die katholische Stadt-Elementarschule besteht aus
2 Realklassen als höhere Vorbereitung für Gymnasien, Realschulen
etc. und als 6 Knaben und 5 Mädchenklassen. Die evangelische Elementarschule
hat 3 Klassen für Schüler und Schülerinnen. Mit der Elementarschule
ist eine Industrieschule für arme Mädchen aller Confessionen
verbunden. Außerdem besteht hier eine sehr blühende und nützliche
Handwerker-Fortbildungsschule, eine jüdische Privatschule und 2 höhere
Töchterschulen, von denen die eine Ursuliner-Klosterschwestern leiten.
die katholische Elementarschule besuchten 1863 639 Schüler und 549
Schülerinnen, die evangelische Elementarschule aber 260 Schüler
und Schülerinnen, so daß im Ganzen 1448 Schüler und Schülerinnen
öffentlichen Unterricht genießen.
Das Elementarschul-Gebäude wurde 1826 erbaut
und soll 1864 noch ein zweites gebaut werden. Die von der Freimaurerloge
begründete und mit 30 Schülern besetzte Taubstummen-Anstalt ist
1862 an der vorerwähnten Verein übergegangen.