§1 Das Stammgut

Wer auf einer Eisenbahnfahrt nach Hamburg dem südwestlichen Theil Mecklenburgs durcheilt, bemerkt bald hinter der Station Bralstorf zur linken Hand, elbwärts, einen Kirchthurm, der au dem flachen Thal des Schaleflusses hervorragt, von Zeit zu Zeit aber hinter dem Wald verschwindet, bis man endlich auf der Mitte des Weges zwischen Bralstorf und Boizenburg, wo die Bahn den Fluss durchschneidet, vor sich einen Forsthof und die alte "Blüchermühle", weiterhin zerstreute Bauerhäuser und im Hintergrunde das Dorf Blücher selbst deutlich unterscheidet, während der Herrensitz mit dem Wirthschaftshofe durch hohe Pappeln dem Anblick entzogen wird.
    Besucht man dies Dorf selbst, so wird die Erwartung, welche die Kirche von der Eisenbahn aus erregte, völlig getäuscht. Der Thurm sieht in seiner Bretterverkleidung kümmerlich genug aus; die Kirche ist alt, der westliche, grössere Theil des Schiffes, gewiss noch das Gotteshaus von Stein, welches hier vielleicht im 13. Jahrhundert kunstlos aufgeführt war, ist jetzt ebenso verfallen, wie die Gewölbe, die man späterhin im Osten chorartig angefügt hat. Leider sind auch alle etwa vorhanden gewesenen mittelalterlichen Denkmäler durch eine sogenannte Renovation am Ende des 17. Jahrhunderts vernichtet.
    Dagegen macht das Dorf selbst einen sehr freundlichen Eindruck, die Gebäude sind neu und sauber gehalten.  Der Landsitz der gegenwärtigen Eigenthümer, zweier Herren von Alten, ist ein bescheidenes Haus, modern und an sich ohne geschichtliches Interesse; doch sieht man aus der nächsten Umgebung, dass dies Gebäude auf einer Erhöhung steht, die man in alter Zeit auf dem Wiesengrunde am östlichen Ufer der Schale künstlich herstellte.  Das Dorf selbst liegt noch auf festem, doch niedrigem Sandboden, ein nicht unbedeutender Theil der Feldmark aber schon in der Marsch, welche sich von hier aus westlich zur Elbe hin unter dem Namen der Teldau ausbreitet.  Diese Niederung ist an sich sehr fruchtbar; sie hat aber gar häufig von grossen Ueberschwemmungen zu leiden, welche die Sude, Schale und Krainke anrichten, so oft die nahe Elbe, in die sie trägen Laufes bald hernach fliessen, von den böhmischen und sächsischen Zuflüssen angeschwellt, eine Stauung ihrer Nebengewässer veranlasse.
Wenn dies nun noch heutiges Tages trotz aller Deichbauten nicht zu verhüten ist, wie viel mehr mochten jene Wenden, die sich vor ungefähr anderthalb Jahrtausenden auf dem Rande der Teldau, vor den Wiesenflächen am rechten Ufer der Schale ansiedelten, ein Recht haben, ihr Dorf "Bluchere" oder "Blochere", d. h. etwa "nasse Fluren", zu benennen! (Diese Deutung verdanke ich einem sprachkundigen böhmischen Gelehrten, dem Professor Zoubek zu Prag, der den wendischen Ortsnamen eingehende Studien zugewandt hat.  Er vergleicht mit bluch- oder bloch- das böhmische wloch (d. i. nass) und erkennt in -ere eine wendische Pluralendung). Erst nach und nach gelang es dein angestrengten Fleisse der deutschen Ansiedler, welche im 12. und 13. Jahrhundert den wendischen folgten, durch Gräben und Deiche die Feldmark zu erweitern.  Um das Jahr 1231, wo zuerst dies Dorf unter dein Namen Bluggere urkundlich erscheint, waren nur erst 12 Hufen nach dem Maße jener Zeit in Cultur genommen; jetzt dagegen iimfasst jenes Gut etwa 400.000 qR. und zählt mehr als 300 Einwohner.
    Leider wird der Besitzer des Dorfes Blücher um das Jahr 1231 nicht genannt; aber die Genealogen betrachten es als den alten Stammsitz der bis auf den heutigen Tag blühenden und weit verzweigten Familie von Blücher.  Ja die Sage fügt sogar mit der ihr eigenthümlichen Bestimmtheit und Anschaulichkeit noch hinzu, dass der sächsische Herzog Heinrich der Löwe dem Stammvater jener Familie nach der Heimkehr von einem Kreuzzuge diesen Sitz verliehen, und indem er demselben die vom Blute der Heiden gerötheten Schlüssel im silbernen Felle zum Wappen gegeben, damit die Aufgabe, an der Pforte des Wendenlandes Wache zu halten, sinnbildlich angedeutet habe
(Gedicht zum Namen Blücher)
Nun mag freilich der kritische Historiker von Sagen nicht eben viel hören, und Familien- und Wappensagen zumal stehen bei ihm in üblem Rufe; aber bisweilen stellt doch auch seine Forschung
endlich heraus, dass die Sage in der Umhüllung dichterischer Ausschmückung einen gesunden geschichtlichen Kern birgt. Prüfen wir also!
    Zunächst wird, wer auch nicht unsere Reihe von mehr als 600 Actenstücken über die ältesten Generationen des Geschlechtes von Blücher durchgeht, vielleicht schon dadurch für die Sage, dass dasselbe seinen Namen von jenem Dorfe Blücher im Amte Boizenburg führe, eingenommen werden, dass, so viel wir wissen, in ganz Norddeutschland während des Mittelalters kein zweiter Ort dieses Namens genannt wird; und dies ist um so mehr zu beachten, da sich sonst bekanntlich die wendischen Ortsnamen in ganz verschiedenen Gebieten, die einst von Slaven bewohnt wurden, so häufig wiederholen, dass ihre Menge die Genealogen und Historiker nicht selten in grosse Verlegenheit setzt und zu Irrthümern verleitet.
    Und wenn der Leser unserer Urkundensammlung das ritterliche Geschlecht von Blücher anfangs (1214) in dem benachbarten Lüneburg auftauchen sieht, dasselbe dann aber Jahrhunderte hindurch in dem nördlichen Nachbarlande Wittenburg, zuerst als Mannen der Grafen von Schwerin und nach deren Abgang als Vasallen der Herzoge von Meklenburg, verfolgen kann: so wird er kaum noch bezweifeln, dass die Sage in Bezug auf den O r t, nach dem die von Blücher ihren Namen fuhren, im Recht ist.  Ein Genealoge wird sich auch dadurch nicht beirren lassen, dass, wie wir vorweg erklären wollen, während des ganzen Mittelalters jenes Gut Blücher niemals ausdrücklich als Besitzthum der Familie von Blücher genannt wird, dagegen im 15.  Jahrhundert die ritterbürtige Familie Sprengel zu Blücher wohnte.  Denn wer urkundliche Studien über Familiengeschichten gemacht hat, weiss nur zu gut, dass das Lob von der Beständigkeit des Grundbesitzes dem Mittelalter nur unter grossen Einschränkungen gebührt, und dass gar viele adelige Familien am Ausgange dieser Periode ihr Stammgut längst verloren hatten.  Doch waren die von Blücher nicht so unglücklich; wir werden vielmehr sehen, dass zu Anfang des 16. Jahrhunderts und bis zur Mitte des 17. hin wenigstens die eine Hälfte des Dorfes Blücher noch in ihren Händen war.
    Schwieriger aber möchte es sein, die andere Angabe der Sage, nämlich die, dass der Herzog Heinrich der Löwe von Sachsen und Bayern den Stammvater der Herren von Blücher mit jenem Stammsitze belehnt habe, urkundlich zu beweisen.  Und doch kann man die Stge auch hierin nicht widerlegen.  Will sie damit nur andeuten, dass das Alter der Familie bis in die Zeit der Germanisirung und der Bekehrung Meklenburgs hinaufreiche, so ist sie in so weit jedenfalls im Recht.  Aber die früheste Geschichte der Familie von Blücher ist eben so dunkel, wie bisher die Geschichte des Landes Boizenburg, dem sie durch ihr Stammgut angehörte.  Versuchen wir daher, so viel möglich, erstere durch letztere aufzuklären.
    Das ganze südwestliche Meklenburg ward während der Wendenzeit mit dem einen Namen Polabien, d.h. Gebiet der Elb-Wenden zusammengefasst. Die Aue, die noch heute westlich von Boizenburg die meklenburgische Grenze gegen das südliche Lauenburg bildet und im Mitteltalter, wie sich weiterhin zeigen wird, auch ein Besitzthum der von Blücher begrenzte, - war nach Angabe einer Chronik des 11. Jahrhunderts schon seit dem 9. Jahrhundert die "mescenreiza", d. h. der Grenzbach, des Wendenlandes gegen das Sadelband, dem südlichen Theil Lauenburgs, den Kern der Markgrafschaft des sächsischen Herzogthums im Norden der Elbe, von wo man im 11. Jahrhundert den ersten Versuch machte, eine Grafschaft Ratzeburg zu gründen. Aber die Namen der Burgwarde, welche uns hier zunächst angehen, die Länder Boizenburg und Wittenburg tauchen erst, und zwar sogleich in diesen deutschen Benennungen auf, da der Herzog Heinrich der Löwe, der glückliche Bezwinger der Wendenfürsten, die nordelbischen Bisthümer einrichtete und durch festgestaltete Grafschaften seine Macht, deutsches Wesen und dis Christenthum in diesen Gegenden auszubreiten unternahm.  Damals verlieh er dem Bischofe von Ratzeburg ausser andern bischöflichen Höfen auch Benin "in Boyceneburg" d. h. im Lande Boizenburg.
    Uebrigens sind wir gerade über des Landes Boizenburg Verhältnisse und Schicksale in der damaligen Zeit und in den nächsten Jahrzehnten leider viel weniger unterrichtet, als über die meklenburgische Nachbarschaft.  Zu der Grafschaft Ratzeburg legte der Sachsenherzog die polabischen Länder Ratzeburg, Wittenburg und Gadebusch, über welche der Polabenfürst Pribislav geherrscht hatte.  Nachdem aber der Obotritenfürst Niclot im Jahre 1160 für seine Götter und für sein Volksthum gefallen war, gab der Herzog dem Edlen Günzel von Hagen das Land Schwerin im Westen, und Sollesen (mit Crivitz) im Osten des Schweriner Sees als Grafschaft Schwerin, welche in einer grossen Anzahl von Lehen im Süden der Elbe einen festen Rückhalt fand; das Land von der Sude bis zur Elde längs der Elbe ward in ähnlicher Weise dem Grafen vor Danneberg zugetheilt.  Aber es fragt sich, wie der Herzog über das Land Boizenburg verfügte, ob er es sogleich einem der drei Grafen verlieh, oder er selbst es als Markgraf dieser Gegenden in seiner Gewalt behielt, wie das anstossende Sadelband.
    Fest steht nur, dass die Burg Boizenburg bis 1207 oder 1208 in den Händen der Grafen von Schwerin war; aber seit wie lange, das ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen.  Freilich, dass das Land Boizenburg zuerst zur Grafschaft Ratzeburg gehört habe und nach deren Auflösung gleich dem Lande Wittenburg zu Anfang des 13. Jahrhunderts an die Grafen von Schwerin gekommen sei, darf man aus mehreren Gründen nicht annehmen.  Denn hätte der Herzog Heinrich das Land Boizenburg ehemals der Grafschaft Ratzeburg incorporirt, so würde der Graf nicht immer nur über die Zehnten der Länder Ratzeburg, Wittenburg und Gadebusch mit dem Bischof zu Ratzeburg verhandelt haben, ohne dass dabei Boizenburgs gedacht wäre; und während in jenen drei Ländern der Bischof den Landesherrn mit der Hälfte des Zehnten belehnt hatte, genoss die Landesherrschaft im Lande Boizenburg zwei Drittel der Zehnten, gerade so, wie in dem kleinen Theil des Landes Schwerin, der zum ratzeburgischen Sprengel gehörte. Boizenburg stand also offenbar in einem andern Verhältnisse zum Bisthum als jene drei Länder der Grafschaft Ratzeburg.  Und dass die Länder Wittenburg und Boizenburg nicht auf gleiche Weise germanisirt wurden, erhellt auch daraus recht deutlich, dass die wittenburgische Ritterschaft das Recht der ratzeburgischen Vasallen empfing, während die boizenburgische nach einem eigenen, bei der Germanisirung des Landes festgesetzten Rechte lebte.
    Nun ist es aber an sich nicht eben wahrscheinlich, dass ein so kluger Staatsmann, wie Heinrich der Löwe war, den festen und .durch seine Lage an der Elbe militairisch wichtigen, überdies durch den dort zu erhebenden Elbzoll so einträglichen Ort Boizenburg sogleich 1160 sollte an den Grafen von Schwerin gegeben heben, und zwar um so weniger, da das boizenburgische Gebiet nicht einmal mit dem Lande Schwerin grenzte, sondern durch das ratzeburgische Gebiet Wittenburg und durch das dannebergische Land Jabel von demselben getrennt war.  Dazu kommt, dass der Herzog über den Zoll zu Boizenburg ganz ebenso verfügte, wie über den zu Geesthacht u. s. w., als er die Stadt Hamburg von diesen befreiete, ohne dass dabei vom von Schwerin die Rede war.  Und endlich erklärt sich der Umstand, dass unter den lüneburgischen Vasallen des 13.  Jahrhunderts eine Familie "von Boizenburg" und eine andere Familie "Schack von Boizenburg" (neben den Schack von Lauenburg etc.) angetroffen werden, am leichtesten durch die Annahme, dass diese zur Zeit, da Boizenburg noch unmittelbar unter Heinrich dem Löwen stand, dort Lehen, wohl als Burgmannen, empfangen hatten, und diese Namen auch dann noch weiter fortführten, als sie über die Elbe zurückgekehrt waren.
    Indessen, wie förderlich es unserer Untersuchung auch wäre, wenn sich die Zeit des Ueberganges von lüneburgischer zu schwerinscher Hoheit für das Land Boizenburg genau ermitteln liesse, die Dürftigkeit der Nachrichten beschränkt das Ergebniss auf blosse Vermuthungen.  Während der Wirren, die Herzog Heinrich 1189, nachdem der Kaiser Friedrich I. sich auf den Kreuzzug begeben hatte, um die Wiedererlangung seines Herzogthums begann, geschieht Boizenburgs nur einmal Erwähnung, als nämlich das welfische Heer von Ratzeburg aus dahin seinen Riickzug nahm, dort aber von den Anhängern Herzog Bernhards eine Niederlage erlitt. Ob die Burg damals noch Heinrich dem Löwen, oder ob sie schon seinem getreuen Anhänger, dem Grafen Helmold von Schwerin, gehörte, ist aus jener Nachricht nicht zu ersehen.  Glücklicherweise wird jedoch ausdrücklich gemeldet, dass in diesem langwierigen Kampfe schliesslich dem Löwen nicht mehr als
e i n e Burg diesseits der Elbe, Lauenburg, verblieb; Boizenburg muss also um 1195 schon schwerinisch gewesen sein, und Herzog Heinrichs Gegner hätte es sicher nicht an Helmold verliehen.
    Man hat vermuthet, dass die Stadt Hamburg die oben erwähnte Befreiung vom Elbzoll zu Boizenburg und an andern Orten durch Herzog Heinrich im Jahre 1189 erhalten habe; und gewiss hätte der Herzog damals, als er diese Stadt eroberte, Grund genug gehabt, sich die Bürger durch solche Gunst gewogen zu machen.  Aber es fand sich eine solche Veranlassung auch schon früher, zur Zeit, da er mit dem Landesherrn dieser Stadt, dem Grafen von Holstein, noch in gutem Einvernehmen stand, vor 1180.  Irren wir nicht, so hat der Herzog Heinrich eben 1180, während des Kampfes um sein Herzogthum, um den Grafen Günzel von Schwerin fest an sich zu ketten und einen so bedeutenden Platz, wie damals Boizenburg, als die einzige Feste am rechten Elbufer oberhalb Hamburgs, sein musste, in treuergebenen Händen zu wissen, das Land Boizenburg dem Grafen von Schwerin verliehen.  Wenn man liest, der neue Herzog Bernhard habe den Grafen von Ratzeburg und Schwerin einen Theil ihrer Lehen zu schmälern versucht und diese dadurch zum Kriege gegen sich aufgereizt, so kann man doch nicht glauben, dass er dem Grafen Günzel die weit entlegenen Lande Schwerin und Sellesen zu beschränken gedacht habe; vielmehr wird es das ihm nächst benachbarte Land Boizenburg gewesen sein, auf welches er als Inhaber des südlichen Theiles vom jetzigen Herzogthum Lauenburg sein Auge warf; und dass er diesen Wunsch nicht verwirklichen konnte und somit der einzigen Feste auf dem rechten Elbufer entbehren musste, wir ohne Zweifel die Vertanlassung, dass er Lauenburg erbauete.
    Gewiss war der Zuwachs eines Landes wie Boizenburg auch an sich schon mir den Grafen Günzel von grösster Wichtigkeit; aber ihre rechte Bedeutung erlangte diese Erwerbung doch erst, als seine Söhne bei der Auflösung der Grafschaft Ratzeburg das Land Wittenburg zu erlangen wussten.  Denn ihre Grafschaft erstreckte sieh nun ohne Unterbrechung von der Elbe bei Boizenburg bis über den Schweriner See hinaus und bis an die Warnow.
    Indessen war die Freude eine kurze.  Eine Fehde der jungen Grafen mit dem Herrn Johann Gans gab dem Dänenkönige Waldemar II. die ersehnte Gelegenheit zur Einmischung in die Angelegenheiten der deutschen Ostseeländer.  Sein Lehnmann in den deutschen Landen, Graf Albrecht von Orlamünde, zerstörte 1207 oder 1208 die gräfliche Burg Boizenburg und nahm den Grafen von Schwerin das Land Wittenburg wieder ab.
    So viel ergiebt sich klar; aber um Boizenburg müssen sich neue Kämpfe erhoben haben.  Denn es wird gemeldet, dass im Jahre 1214 die gräfliche Burg Wotmunde die auf einem der Sandhügel bei Gothmann (zwischen der Stadt Boizenburg und dem Dorfe Blücher) stand, vom Könige Waldemar zerstört ward, und dass die beiden Grafen Günzel II. und Heinrich I. nun ihre Lande vom Dänenkönige zu Lehn nahmen. Die elende Lage des deutschen Reiches bewog den deutschen König Friedrich II., der die nördlichen Gebiete seines Reiches zu wenig achtete, dem König Waldemar 1215 alle Lande zwischen der Elde, der Elbe und der Eider zu überlassen; der Däne schaltete nun nach Belieben über seine deutschen Vasallen; ihre Burg Wotmunde durften die Grafen nicht wieder aufbauen.
    Waldemar reizte dann aber den Grafen Heinrich von Schwerin wider sich auf, indem er nicht nur dessen Schwiegermutter, einer edlen Frau von Schlawe, ihr (dänisches) Erbe entzog, sondern auch die halbe Grafschaft Schwerin durch die Vermählung seines unechten Sohnes, des Grafen Nicolaus von Halland, mit Günzel II einzigem Kinde, Oda, an sein Haus zu bringen suchte, ja, da Oda bald hernach verstarb, auf den Todesfall seines Enkels es für sich selbst in Anspruch nahm und damit dem Grafen Heinrich und seinen Nachkommen das Erbrecht auf diese Hälfte der Grafschaft absprach.  Da Graf Heinrich I. beim Reiche auf keine Hilfe hoffen durfte, so stellte er der erdrückenden Uebermacht kühne List entgegen und entführte im Mai 1223 seinen Lehnsherrn, den König, und dessen Sohn gefangen über die Ostsee.  Die Verhandlungen über die Freilassung waren fruchtlos; da aber der dänische Lehnmann und Statthalter, Graf Albrecht, trotz der Hülfe seines Verbündeten, Herzog Ottos von Lüneburg, die Schlacht bei Mölln (1225) verlor und selbst in Gefangenschaft gerieth, musste Waldemar seine und seines Sohnes Freiheit doch mit schwerem Lösegeld und dem Verzicht auf alle Länder Deutschlands (ausser Rügen) erkaufen.
    Bei jenen Verhandlungen über die Freilassung des Königs von Dänemark wurden nun auch boizenburgische Verhältnisse berührt.  Graf Heinrich verlangte anfangs (1223) unter andern die Wiederherstellung einer Burg im Lande Boizenburg; ein Jahr später ward verabredet, der König von Dänemark und Graf Albrecht sollten dem Grafen Heinrich von Schwerin das Land Boizenburg frei überlassen, und die Burg sollte ihm wiederhergestellt werden, er aber das Land vom Reiche zu Lehn nehmen.  Es ward ferner bestimmt dass Heinrich alle Güter, welche er von dem Grafen Albrecht zu Lehn trage, und ebenso seine Vasallen die ihrigen wieder haben sollten.  Desgleichen sollte Dietrich Schackmann (des Graen Heinrich getreuer Anhänger im Lande Boizenburg) die Güter haben, die er und sein Vetter vom Grafen Albrecht mit Recht haben müssten u. s. w.
    Man ersieht hieraus, wie tief der Graf Albrecht als dänischer Lehnmann und Statthalter in die Verhältnisse der Grafschaft Schwerin eingegriffen hatte.  Im übrigen kamen diese Verabredungen nicht zur Geltung, da der König von Dänemark, wie bemerkt, bei seiner Freilassung ganz auf seine deutsche Herrschaft verzichten musste.  In diesem Resultate änderte es auch nichts, dass Waldemar, vom Papste seiner Eide entbunden, noch einmal das Kriegsglück, versuchte; es ist bekannt, dass er am 22. Juli 1227 auf der Haide von Bornhöved völlig geschlagen ward und mit Mühe einer zweiten Gefangenschaft entrann.  Von Bedeutung aber war es, dass vor diesem siegreichen Feldzug, während der dringenden Gefahr, der Graf von Schwerin und seine Verbündeten den sächsischen Herzog Albrecht zu sich riefen und, indem sie ihn in seiner bis dahin nur nominellen Würde anerkannten, ein rechtmässiges Verhältniss der Gewalten in diesen Gegenden herstellten.  Bei dieser Gelegenheit nahm der Graf Heinrich von Schwerin am 16.  Febr. 1227 die Länder Schwerin, Wittenburf und Boizenburg von ihm zu Lehn.  Die Ausgleichung mit dem Herzoge von Lüneburg, der bei Bornhöved in die Hände der Schweriner gefallen war, erlebte Graf Heinrich (+ 17.  Febr. 1228) nicht mehr; aber seine Wittwe und sein Sohn Günzel (III.) erlangten bei seiner Freilassung, dass Otto ihnen und ihrem Hause die lüneburgischen Lehen, und namentlich den Lüneburger Burglehnhof mit 100 Mark jährlicher Hebungen, bestätigte.
    Dies sind etwa die politischen Verhältnisse, unter denen die Familie von Blücher zuerst in unsern Gesichtskreis tritt.

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