§ 32 - Das Haus Lehsen - Der Marschall Lüdeke und seine Brüder

    Wie die obigen Erörterungen (§ 30) über die Fortsetzung des Lehener Hauses auf annähernde Richtigkeit Anspruch haben, so folgten auf Ludolf, den Bugmann (1343-1374), und dessen Bruder Heinrich (1357, 1373?), die in die sechste Generition einzureiben sind, als Mitglieder der siebenten Geschlechtsfolge jenes Heinrichs Söhne Hermann und Heineke, die in den erhaltenen Urkunden nur von 1388-1400 nachzuweisen sind, immerhin aber noch das erste Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts hindurch, wenn nicht noch länger, gelebt haben mögen.
    Längere Zeit fehlt es dann nämlich ganz an Nachrichten über das Lehsener Haus; seit dem Anfange des dritten Jahrzehnts erscheinen aber drei Brüder: Hermann, Lüdeke (der Marschall) und Hans, von denen der erste sich durch seinen Besitz zu Perlin, der zweite sich wenigstens dadurch, dass sein Sohn ausser einem Hofe zu Lenzkow auch einen Antheil zu Lehsen besass,  als Sprösslinge des Lehsener Hauses ausweisen, und die nach ihrer Lebenszeit recht wohl für die Söhne des einen jener beiden Brüder (Hermanns oder Heinekes) angesehen werden können.
Wie dieMutter dieser drei Brüder hiess, und aus welcher Familie sie stammte, ist noch nicht bekannt; dagegen weiss mann, dass sie sich in zweiter Ehe mit Heinrich von Wackerbart wiedervermählte, der einem der reichsten und angesehensten Adelsgeschlechter Lauenburgs angehörte, aber doch vielleicht von altem Wackerbartschen Gute nicht mehr Grundbesitz hatte, als einen Hof zu Alt-Mölln in damals an Lübeck verpfändeten lauenburgsichen Vogtei Mölln. Seine Tochter Ida Wackerbart, des Marschalls Lüdeke Stiefsschwester, verkaufte 1432 diesen Hof; die Urkunde über diese Veräusserung ist bisher die einzige Quelle über jenes Verwandtschafts-Verhältniss
    Von den drei Brüdern wird der muthmasslich älteste, Hermann, zuerst genannt, und zwar in den Fehden der mecklenburgischen Vasallen mit den brandenburgischen, welche die Jahre 1420-1424
der mecklengurgschen Geschichte füllen.
    Da stossen wir auf Verhätnisse ganz eigener Art.  So lange in in Mecklenburg der durch Thatkraft so ausgezeichiiete Herzog Albrecht II. (+ 1379) regiert hatte, waren seine Mannen durch die Furcht vor seinem Zorn, durch immer erneuerte Lanidfriedensbündnisse und durch strengte Ahndung aller Wegelagerei und Fehden wenigstens so weit gezügelt, dass Fälle von Selbsthülfe vereinzelt blieben. Auch seine Söhne, namentlich der älteste, Heinrich, hatten die Wegelagerer schaft verfolgt, so dass man den Herzog Heinrich den Beinamen den Beinamen "der Henker" gegeben hat. Aber die gefangenschaft des Königs Albrecht III. von Schweden, der Verwasiung des mecklenburgischen Fürstenhauses, die Kämpfe mit den Dänen und die Theilnahme an den wilden Zügen der Vitalienbrüder verwilderten den mecklenburgischen Adel und lösten die Ordnung mehr und mehr auf, zumal in der benachbarten Priegnitz ähnliche Zustände herrschten, mannigfache Versuche der Füsten, der Selbsthülfe und Raublust entgegenzustreten, erwiesen sieh in der Regel machtlos. Für Mecklenburg trug dann zu Anfang des 15.  Jahrhunderts das Eingreifen des ersten Hohenzollernschen Kurfürsten von der Mark Brandenburg in die öffentlichen Verhältnisse seines Nachbarlandes, und namentlich sein Bestreben, die Lehnsherrlichkeit über das Land Stargard, die längst rechtmässig aufgehoben war, wieder zu gewinnen, die übelsten Früchte; das Schlimmste aber war, dass der Kurfürst Friedrich I. aus der Lust seiner Vasallen den Landfrieden zu brechen gar noch für sich Nutzen zu zeihen suchte. Als nämlich der junge Herzog Johann IV von Stargard während des Friedens (1418 oder Anfang 1419) von märkischen Vasallen aufgehoben war, liess in der Kurfürst sich ausliefern, begehrte von ihm widerrechtlich die Huldigung wegen des Landes Stargard und hielt ihm, als er solche verweigerte, zu Tangermünde fest. Zwar machten nun die Herzoge von Mecklenburg, Pommern und Lauenburg eine Kriegszug in die Mark; aber vor Strasburg scheiterte derselbe, und der Kurfürst nahm dagegen 1420 die als Raubnest verrufenen Burg Gorlosen weg. Da kams freilich am 23. August 1420 zum Waffenstillstande oder Landfrieden auf 3 Jahre, während welcher die beiderseitigen Klagen schiedsrichterlich erledigt werden sollten. Da aber Herzog Johanns Freilassung an die Bedingung geknüpft ward, dass er bis Johannis 1421 Bürgen stelle und mit seinen Mannen und Städten darauf mit Eiden und Huldigung Versicherung gebe, so kam derselbe nicht zu Stande, sei es, dass er selbst, sei es, dass seine Unterthanen so verfängliche Schwüre zurückwiesen. Nun aber kümmerten sich die mecklenburgischen Mannen nicht mehr um die Verträge, die brandenburgischen ebenso wenig; sie sahen sich ohne Kriegserklärung gegenseitig als Feinde an und suchten sich Jahre lang unaufhörlich mit Fehdezügen, mit Raub, Brand, Plünderungen Gefangennehmung und Todtschlag heim; die armen Bauern in Mecklenburg und in der Priegnitz litten entsetzlich, die Zahl des Viehs, welches auf beiden Seiten fortgeführt war, zählte nach vielen Tausenden. Denn man raubte bald nur um des gemeinsten Vortheils willen oder aus Wohlgefallen an diesen Abentheuern; und die sich heute als Feinde gegenüber standen, vereinigten sich auch gelegentlich zur Beraubung eines Dritten. Um die Fürsten kümmerte man sich gar wenig; dass Herzog Albrecht V sich 1423 mit des Kurfürsten Tochter vermählte, war ohne Einfluss ; und in Mecklenburg sank die Regierungsgewat um so tiefer, da Herzog Johann IV 1422 und sein Vetter Albrecht V auch bald nach seiner Hochzeit starb, Johanns IV Söhne aber minderjährig waren, nun deren Mutter erst ein Regiment zu bilden hatte.
    Wir heben aus der langen Kette von Befehdungen auf beiden Seiten nur die wenigen hervor, bei denen von Blücher genannt werden. Da zeigt zunächst ein Auszug aus einer Berechnung des Schadens, den die Herrschaft Ruppin  vom Lande Stargard her in dem Jahre 1421 erlitt, dass bei einem von Fürstenberg aus unternommenen Plünderungszuge unter den stargardischen Vasallen, den Soneke, Warburg, Feldberg usw., auch mindestens ein Blücher war. Der gehörte aber natürlich nicht zu der Wittenburger Linie, sondern sein Wohnsitz ist, wenn auch nicht im Lande Stargard selbst, wo 1408 Blücherscher Pfandbesitz zu Hohen Zieritz bezeugt ist, so doch in dem benachbarten Werleschen Gebiete, etwa auf Marin im Lande Penzlin, zu suchen, wo damals schon die pommersche Linie sass. Seine Gefährten gehörten allem Anschein nach auch nicht alle zum stargardischen Adel, wenigstens die Draken sassen vornehmlich auf Borgfeld.
    Dagegen bleibt kein Zweifel, dass jener Hermann von Blücher, der mit noch einem Blücher, seine Bruder oder Vetter, sowie mit andern wittenburgischen Mannen, den von Pentz, Glavatz usw., wiederholt Züge in der Gegend von Lenzen unternahm, die vornehmlich den Wenksternen grossen Schaden brachten, aus der wittenburgischen Linie stammte. Mit grösster Wahrscheinlichkeit kann man ihn für denselben Knappen Hermann von Blücher ansehen, der 1423 dem Herzoge Albrecht V von Mecklenburg eine Summe Goldes vorschoss, und für denselben, welchen Lüdeke von Blücher (der Marschall, wie man aus dem Siegel ersieht) and Hans am 13. December 1431 als ihren verstorbenen Bruder und als dem vormaligen Besitzer von Gütern zu Perlin bezeichneten.
    Etwa um dieselbe Zeit, da Hermann an den Feldzügen auf der brandenburgischen Grenze Theil nahm, traten diese seinen Brüder Lüdeke und Hans in den Dienst der Stadt Lübeck, um die Raub- und Fehdelust ihrer Standesgenossen zu bekämpfen.
    Denn die Hansestädte vertraten, wie es ihre Interessen erheischten, in unsern Gegenden von je her das Princip der Ordnung und des Landfriedens; hinter ihren Mauern fanden Gewerbfleiss und Handel, Wohlstand und Gesittung, Kunst und Gelehrsamkeit einem Zufluchtstätte. Es ist schon gelegentlich erzählt, wie Lübeck, das Haupt dieser Städte, bereits im 13. Jahrhundert kräftig zur Zerstörung der lauenburgischen Raubburgen mitgewirkt hatte, und dass es in der Mitte des 14. Jahrhunderts der Mittelpunkt aller Landfriedensbestrebungen geworden war; keine Stadt hat zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit in den deutschen Ostseeländern so viel gethan, als gerade Lübeck, dem das Zusammenstossen verschiedener Nachbargebiete in nächster Nähe und die stets gefährdete Landstrasse durch das Lauenburgische, welche die Stadt mit dem deutschen Reiche verband, die grösste Wachsamkeit empfahl. Recht wirksam ward aber dies Bemühen, seitdem Kaiser Karl IV am 23. März 1371 dem Lübischen Rath auf sein Ansuchen verstattete, Strassenräuber auch in diesen Gebieten der benachbarten Fürsten in des Kaisers Namen zu greifen und zu richten. Nun waren freilich zur Vertheidigung der Stadt die Bürger verpflichtet die Waffen zu führen, vielfach nahmen sie auch an Kriegszügen Theil; auf solcher Wehrhaftigkeit beruhte vornehmlich die Macht der Städte. Um aber die Beschäftigung des Friedens nicht immer zu unterbrechen, und um nicht durch die Umstände des Aufgebots die Verfolgung der Landfriedensbrüche zu verzögern und somit zu erschweren, unterhielten die Städte, vornehmlich Lübeck, eine ansehnliche Schaar von Söldnern zu Ross, der Herren (d.h. des Raths) Diener, - oder der Stadt Diener, oder Ausreiter genannt. Die Aufgabe der Truppe war vorzugsweise die Aufrechterhaltung des Landfriedens auf den Landstrasse; und weil dieser zumeist vom unruhigen Adel gestört ward, schien ein Mann, der des rittermässigen Kriegwerks kundig war, der geeignetste Anführer zu sein. Sehr häufig wählte die Stadt daher zum Anführer dieser Schaar, der bald den älteren Titel „Vogt“ (Reitervogt), bald den jüngeren „Marschalk“ führte, einen ritterbürtigen Mann aus dem benachbarten Adel, und Standesgenossen führten ihm wohl auch Söldner zu.
    In dieser Würde eines „Marschalks“ trifft man nun den Knappen Lüdeke von Blücher, der aus dem Lehsener Hause stammte, seine Wohnsitz aber wahrscheinlich in der Nähe von Lübeck, auf seinen Hofe zu Lenzkow, hatte, zuerst im Sommer des Jahres 1425; aber der Handel, in welchem er in jenem Jahre eine Rolle spielte, hatte damals schon mindestens zwei Jahre gewährt. Wir werden mitten in einen Fehde hinein versetzt, welche uns zweifach angeht, insofern hier ein Blücher gegen einen anderen Blücher auftrat, und welche uns zeigt, mit wie viel Unannehmlichkeit jenes Amt für einen ritterbürtigen Mann verbunden war, wie es selbst in die erbittersten Streitigkeiten mit nahen Verwandten verwickeln konnte.
    Der Marschall erlebte dies mit seinen Vetter Lüder, der Anfangs (1421) zu Kehrsen im Lauenburgischen, seit 1422 aber auf Körchow bei Wittenburg wohnte. Dieser Knappe Lüder gehört freilich dem andern Hause an, welches wir nach dem späteren Hauptgute Preten benennen; doch mag hier um des Zusammenhanges willen eingeschalten werden, was von seinem Leben bekannt ist.
    Das sind freilich zunächst grösstenteils nur wenig angenehme Berührungen mit der Obrigkeit der Stadt Lübeck. Von diesen nahm die erste wohl den leichtesten Verlauf. Nämlich zwei mecklenburgische Vasallen, zwei Brüder, Henning und Heinrich Glavatz, deren ersterer nachweislich zu Hagenow seinen Sitz hatte, mussten am 16. März 1421 der Stadt Lübeck Urfehde schwören und geloben, deren Feinde, Räuber und Verfestete nicht in Haus und Hof aufzunehmen, auch nicht zu begünstigen. Die übliche Bürgschaft für die getreue Erfüllung dieses Versprechens übernahmen – unter Verwillkürung des Einlagers – Vicke von Blücher zu Fitzen und dessen Bruder Lüder zu Kehrsen. Damit war dieser Fall einstweilen wenigstens abgethan.
    Hier mochte es sich überhaupt nur um vereinzeltet und geringere Landfriedensbrüche gehandelt haben. Im nächsten Jahre aber hatte Lübeck neben allen Anstrengungen den feindlichen Seeverkehr zu schützen, auch von der Landseite her nicht unbedeutende Feinde zurückweisen.
    Während nämlich die Vasallen in Mecklenburg und in der Priegnitz sich, wie oben erzählt, aufs heutigste befehdeten, hielt dieser Kriegszustand viele von ihnen doch nicht ab, einen gemeinsamen Raubzug in grossem Stil, wie er in diesen Gegenden wohl noch nicht vorgekommen war, gegen die Kaufleute zu unternehmen. Unter den Hauptleuten Reimar von Plessen, Boledwin vam Kroge, Johann von Quitzow und Claus Rohr brachen sie, etwa 180 Reiter stark, 1422, am Dienstage vor Ostern, ins Lauenburgische ein, um zwischen Mölln und der Elbe, also auf der Handelsstrasse, die Lübeck mit Hamburg und mit Lüneburg verband, einen grossartigen Strassenraub auszuführen. Die Lübecker erfuhren indessen dies Vorhaben noch so früh, dass sie nicht nur selbst ihre Massregeln ergreifen, sondern auch die Hamburger um Hülfe bitten konnten. So bald die Wegelagerer das lauenburgische Gebiet betreten hatten, verlegten ihnen die Dieser der beiden Hansstädte die Wege und Furten, auf denen sie hätten zurückkehren können. Die Feinde merkten bald, dass sie der bewaffneten Macher der Städter nicht gewachsen seien; und als sie gewahr wurden, dass ihnen der Rückzug abgeschnitten sei, flüchteten sie sich nach Lauenburg und erbaten und erhielten vom Herzog Erich von Sachsen-Lauenburg Einlass, jedoch nur, nachdem sie sich demselben als Gefangene ergeben hatten. Der Herzog verhiess ihnen nun freilich dabei Sicherheit; als aber die Lübecker und Hamburger, deren schwere Hand er schon früher empfunden hatte, alsbald die Auslieferung der Feinde unter sehr ernster Drohung begehrten, wagte Erich nicht, ihnen eine abschlägige Antwort zu geben, machte jedoch zur Bedingung, dass die Ausgelieferten nicht an Leib und Leben gestraft würden. Diese Bedingung haben die Städte dann auch gehalten. Die Waffen und Pferde überliessen sie ihren „Ausreitern“; von den Gefangenen führten die Lübecker und die Hamburger je 80 mit sich fort (nur 20 entkamen) und hielten diese Wegelagerer in ihren Gefängnissen fest, bis sie sich durch ein angemessenes Lösegeld freikauften, Urfehde schworen und die Städte nicht ferner zu schädigen gelobten.
    Dass nun unter diesen Strassenräubern ein Blücher gewesen sei, wird keineswegs erzählt und es ist auch nicht einmal wahrscheinlich, da sonst wohl eine Urfehde eines solchen vorliegen würde. Andererseits wird auch nicht berichtet, dass schon zu jener Zeit Lüdeke von Blücher, wenn nicht an der Spitze jener Lübischen Reiterschaar. Doch mit seinem Bruder Hans in derselben, vielleicht unter dem Oberbefehl des Vogtes Heinrich von Plessen, gestanden habe, obwohl dies wahrscheinlich ist. Dennoch musste dieses Ereigniss hier berührt werden, weil dadurch eine Urkunde erläutert wird, die Lüder von Blücher auf Körchow angeht, und weil es für diesen vielleicht die allerwichtigsten Folgen gehabt hat.
    Nämlich am 10. August 1422 bekannte der Knappe Hans Dannenfeld aus der Priegnitz, dass er sich verpflichtet habe der Stadt Lübeck von wegen seiner Haft und seiner Schatzung auf die nächste Weihnacht 100 Mark und auf nächste Ostern eine gleiche Summe zu zahlen.  Natürlich verlangten die Lübecker darauf Bürgschaft, und diese übernahmen 5 Knappen aus dem Mecklenburgischen, nämlich Johann Scharpenberg auf Knese, Lüder von Blücher auf Körchow, Claus von Bralstorf auf Tessen, Heinrich Glavatz auf Hagenow und Johann von Weltzow auf Wöltzow.  Die Bürgen verpflichteten sich, wenn Dannenfeld einen Termin versässe, acht Tage hernach die Zahlung zu leisten oder in Lübeck zum Einlager einzureiten.
    Dass Hans Dannenfeld zu jener Schaar gehörte, die 1422 den verfehlten Zug ins Lauenburgische unternommen hatte, darf man nicht wohl bezweifeln, zumal da er in der Gesellschaft jener Hauptleute Reimar von Plessen und Boldewini vam Kroge erschien; er besass (1434) Lehngüter zu Sternberg in der Priegnitz, und dort hat er sich auch ferner einen üblen Namen gemacht, indem er 1427 mit einigen Rohr, Karsten Karstede usw. ein Dorf des Grafen Albrecht von Lindow räuberisch überfiel.
    Ob nun aber dieser Priegnitzer Knappe den Lübeckern je sein Lösegeld gezahlt und damit seine Bürgen ihrer Verpflichtung entlastet hat, ist mindestens sehr zweifelhaft; und eben so darf man auch bezweifeln, dass die Bürgen ihrer Pflicht nachgekomen sind. Wenigstens mahnten die Lübischen Rathsherren, weil schon die ersten 100 Mark ausgeblieben waren, am 4. Februar 1423 jene fünf "vromien knapen", ihre "leven vrundes", die für ihn gebürgt hatten, sind wie es scheint, entboten sie diese fünf Bürgen auch 1424 wieder zum Einlager nach Lübeck.
    Aber gekommen sind diese schwerlich; zumal Lüder von Blüchier und Claus Tessin waren damals mit dem Lübischen Marschal Lüdeke von Blücher bereits gänzlich überworfen. Anscheinend lag der erste Grund dieses Zerwürfnisses eben in jenem nicht erfüllten Bürgengelübde.
    Aber dem Rufe des Knappen Lüder von Blücher ward auch noch eine anderen Priegnitzer Bekanntschaft sehr nachtheilig.
    Damit meinen wir Reineke Minstede, des Havelbergischen Bischofs Knecht (1438 bei Perleberg auf Mesekow gesessen), anscheinend ein recht eifriger Wegelagerer. Während jener unruhigen Jahre 1421-24 hat er Mecklenburg viel Schaden zugefügt, und 14 Jahre später ward er mit Dietrich und Köne von Quitzow für eine Ausplünderung der Klosterdörfer Gallin und Zarchelin vom Abte Doberan in den grossen Bann gethan.
    Auch bei dem Raubzuge ins Lauenburgische hatte er nicht gefehlt, und bei der Theilung der Gefangenen war er den Lübeckern zugefallen. Um dieselbe Zeit aber hatte er auch mit dem Ratzeburger Prior Schack eine üblen Handel gehabt. Der Prior fand sich mit ihm durch eine Gabe zu Lübeck ab, und wie Schack erzählt, haben die Anführer jenen Raubzuges, Reimar von Plessen und Boldewin vam Kroge, best Hans Dannenfeld ihren Vergleich „wol hulpen bedrinken“. Nichts desto weniger aber überfielen, wenn anders des Priors wehmüthige Klage vom 6. Februar (1423) Glauben verdient, Lüder Blücher (der Körchower), Claus Bralstorf (von Tessin) und Reineke Minstede des Priors Dorf Gross-Moltzahn (nördlich von Ratzeburg) und plünderten es aufs ärgste, begingen dabei auch grosse Gewaltthätigkeiten; endlich führte Minstede noch eine Mann gefangen fort.
    Um diesen Unterthanen wieder zu erlagen, suchte der unglückliche Prior die Vermittelung der Stadt Lübeck nach, etwa zu derselben Zeit also, da die Lübecker auch Lüder Blücher und seine Mitbürgern für Hans Dannenfeld mahnten. – Aus allen diesen Verhältnissen entsprangen allem Anscheine nach die Händel dieses Lüder Blücher auf Körchow mit seinen Vettern, dem Lübischen Marschall Lüdeke von Blücher und dessen Bruder Hans.
    Die einzelnen Ereignisse, welche nun, zwischen ihnen vorfielen, lassen sich nicht mehr genau verfolgen. Nur so viel geht aus der Zuschrift der Herzogin Katharina von Mecklenburg an den Rath zu Lübeck aus dem Jahre 1425 und dem Friedensgelöbniss vom 27. October 1425 hervor, dass der Marschall seinen Bruder Hans seit 1423 ins Wittenburgische einrücken liess, und dass dieser die Höfe und Burgen Lüder Blüchers und jenes Claus von Bralstorf ausplünderte und verbrannte. Dies wird also namentlich von Körchow und von Tessin gelten, vielleicht aber auch von Kehrsen im Lauenburgischen, welches, wie oben erwählt ist, 1440 wüste lag.
    Die Herzogin beschuldigt Haus von Blücher, dass er ihrer Vasallen und ihr eigenes Gut verheert habe, ohne vorher Fehde anzukündigen, die Absage sei erst herbach erfolgt. Vielleicht machte
also der Gebrauch von dem oben erwöhnten Privilegium Kaiser Karls IV, das ihm de Execution gegen Landfriedensbrecher auf fremden Gebiete gestattete, - ein Vorrecht Lübecks, welches die obrigkeitliche Gewalt der benachbarten Fürsten allerdings sehr beeinträchtigte und von diesen natürlich übel angesehen ward.
    Jedenfalls kam er aber im Jahre 1425 zu einem Vergleich in Gadebusch; indessen, was dort beschlossen war, ward von Lüder nicht erfüllt; sein Vetter, der Marschall, rief darum die Vermittelung des Lübischen Rathes an, und der Rath wandte sich nun an die Herzogin Katharina. Dies Fürstin ging dann freilich, wie ihre Antwort zeigt, keineswegs auf den Wunsch der Lübecker ein, nahm sich vielmehr ihres Körchower Lehnsmanns kräftig an; aber Lüder von Blücher und Claus von Bralstorf mussten doch endlich nachgeben, sie gelobten am 27. October 1425 der Stadt Lübeck, keinerlei Ansprüche an sie zu erheben, und insbesondere nicht dafür, dass ihnen in offener Fehde ihre Höfe, Festen und Güter verbrannt und genommen seien.
    Von Lüder von Blücher haben wir fortan nicht viel zu berichten; die Fehdelust mochte ihm verlangen sein. Wenigstens ist er wohl jener Lüder Blücher, der (1436) wegen eines Streites mit Henning Glavatz .lieber, als dass er Selbsthülfe versucht hätte, den Weg Rechtens einschlug und seine Gegner dann zur Urfehde nöthigte. Er lebte sicher noch am 1. October 1438; denn der so seltsam bezeichnete Knappe "Lüder Blücher tho Wyttenborch yn deme kerspeke Karchouwe" kann kaum ein anderer sein als er; und der Ausdruck soll wohl nicht weiter besagen, als dass er noch Besitzer von Körchow war, aber in der Stadt Wittenburg wohnte, wahrscheinlich weil seine Burg zu Körchow, die sein Vetter Hans verbrannt hatte, noch nicht wieder aufgebauet war. Wie es scheint, ist er aber noch in demselben Jahre, und zwar noch vor dem 5. November (1428), verstorben.
    Das Amt, den Landfrieden zu schützen, war allerdings ein höchst ehrenwertes und verdienstliches; aber in der Regel war bei solcher Handhabung der Polizei doch wenig Ruhm und für ein kriegerisch gesinntes Gemüth wenig Befriedigung zu gewinnen. Der Marschall Lüdeke wird daher mit Freuden die Gelegenheit, an einem auswärtigen Kriege Theil zu nehmen dürfen, ergriffen haben.
    Der damalige Unionskönig von Dänemark, Schweden und Norwegen, Erich (der Pommer), erschöpfte die kraft Dänemarks in den Kriegen um das Herzogthum Schleswig. 1426 sammelte er wieder gar viel Volks, um den Herzog Heinrich und seine Brüder zu verderben. Da jedoch dieser Herzog einsah, dass er trotz der Hülfe der Hamburger seinen mächtigen Gegner nicht widerstehen könne, eilte er nach Lübeck, erinnerte den dortigen Rath an die Hülfe, welcher seine Vorfahren ehemals der Stadt geleistet hatten, und mahnte an den alten Spruch, dass ein weiser Mann dem Bösen schon vor seine Nachbars Thüre wehre, damit er nicht vor seine eigene komme. Nur

allzu lange hatte der Lübecker Rath sich dem Könige freundlich erwiesen; jetzt ordnete jener doch wenigsten in gemeinschaft mit den benachbarten wendischen Städten einen Gesandtschaft an ihn nach Hadersleben ab. Als diese aber mit übler Antwort heimkehrte, verbanden sich Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund, Hamburg und Lüneburg, dem König Erich zu wehren, dass er nicht ferner Städte und Schlösser gewinne; sie wollten nicht nur seine Feste auf dem Hesteberger vor Schleswig zerstören, sondern sie schlossen auch einen ewigen Bund mit dem Herzoge Heinrich und seine Brüdern. Nachdem der Kriegsplan verabredet war, mussten die Sendeboten am 18. October dem Könige selbst ihre Absagebriefe einhändigen.
    Damals wird es nun geschehen sein, dass auch Lüdeke von Blücher, der Lübische Reitermarschall, dem Könige Erich seine Fehdebrief sandte, weil es ihm unritterlich schien, den Kampf ohne Ankündigung der Fehde zu eröffnen.
    Man darf daraus abnehmen, dass Lüdeke eine Rolle in dem demnächst beginnenden Kriege gespielt hat; aber welche ? das lässt sich aus den Lübischen Chroniken nicht entnehmen. Übrigens ist es kaum zu bedauern, dass er in denselben nicht genannt wird; die Anführer der Hanseaten werden fast nur namhaft gemacht, um Tadel zu empfangen.
    Der König hob sofort nach jener Kriegserklärung die Belagerung von Schleswig auf, um seine Kräfte gegen die erwarteten Feinde zu vereinigen. Aber die Hanseaten, welche mit 6000 Bewaffneten in mehr als 100 Fahrzeugen zu Anfang November am weissen Ufer bei Wismar zusammen gekommen waren, wurden 14 Tage lang durch widrige Winde am Auslaufen verhindert, und dann nöthigte Sturm und Frost sie auf diesmal unverrichteter Sache nach Hause zu gehen.
    Doch schon um Mittfasten 1427 fuhren sie wieder aus und verheerten zunächst die dänischen Inseln. Dann belagerten eine Abtheilung unter den Lübischen Hauptleuten Kleske und Simon von Utrecht und den Lübischen Hauptleuten Rathmann Johann Bere und Berthold Roland in Gemeinschaft mit Herzog Heinrich die Stadt Flensburg, zog jedoch, nachdem der Herzog durch Kleskes Unverstand seinen Tod gefunden hatte, ruhmlos ab. Die Hauptmacht dagegen bestehend aus 4000 Mann, theils Bürgern, theils Söldnern, bei welchen letzteren Lüdeke von Blücher den Ring eines Führers bekeidet haben wird, ward unter dem Oberbefehl des Lübischen Rathmanns und jetzigen Bürgermeisters Tiedemann Steen mit der Flotte in den Sund geschickt; sie empfing die bestimmte Weisung, dieses Gewäisser nicht zu verlassen, bevor sie die von der Weichsel her und aus der Bai von Biscaja erwarteten Flotten sicher hindurch geleitet habe. Am 21. Juli sahen sich aber die Hanseaten der dänischen Flotte unweit Kopenhagen gegeüber.  Auf die Anfrage des Hamburgischen Hauptmanns Herrn Heine Hoyer, liess Herr Tiedemann Steen den Kampf beginnen; und auch die Dänen liessen unterdessen ihre Schiffe schon zum Streite herangleiten.  Da ward von beiden Seiten grosse Tapferkeit bewiesen.  Die Lübecker eroberten endlich etliche von den Schiffen, die bei ihnen angelegt hattten, viele Dänen fanden den Tod.
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    Nach der Beendigung dieses dänischen Krieges trifft man, den Vogt Lüdeke von Blücher noch ein Jahrzehnt hindurch in Urkunden an. Die nächste Erwähnung findet er in einer Familienangelehenheit, indem er und sein Bruder Hans als Vormünder der Kinder ihres verstorbenen Bruders Hermann die Erbgüter ihrer Mündel zu Perlin, von denen oben schon die Rede war, 1431 an Henning Glavatz und dessen Fraui wiederkäuflich veräusserten. 1432 verkaufte der Marschall in Gemeinschaft mit seiner Stiefschwester Ida Wackerbart, wohl als Vormund derselben, den Wackerbartschen Hof zu Alt-Mölln.
    Etwas zweifelhaft ist die Auslegung einer Urkunde vom 6. December 1403, in welcher der Knappe Ludolf Dargetz, der vielleicht auf Mustin bei Ratzeburg wohnte, bekennt., dass er an die Stadt Lübek, nachdem er sich mit dem Rathe vertragen hat, auch an ihre Bürger, Diener und Einwohner keine Ansprüche, namentlich keine wegen seines weiland Vetters Hans Dargetz mehr erheben will, jedoch mit Vorbehalt seiner Ansprüche gegen Lüdeke von Blücher, den Marschall, und dessen Bruder Hans, welche er übrigens zur Entscheidung des Rathes verstellt.  Ob es sich hier um ein gewaltsames Ende des Hans Dargetz handelte, oder etwa nur um Schuldverhätnisse, oder vielleicht gar um einen Antheil an dänischer Beute, geht aus der Urkunde nicht hervor. Vielleicht war Dargetz mit der Familie von Blücher verwandt; denn 1443 bürgte er für den Knappen Hermann von Blücher zu Lenzkow.
    Eine Reihe von Jahren hindurch vernimmt man nun nichts mehr von dem Marschall Lüdeke von Blücher. Aber dann erscheint dieser "Knappe" und "Vogt zu Lübek" doch noch einmal, wieder im Jahre 1441, indem er am 11. April für den Knappen Hartwig von Parkentin dem Lauenburgischen Bürge ward.
    Das Todesjahr Lüdekes lässt sich noch nicht ermitteln. Nur so viel darf man aus einer Urkunde vom 28. März 1445, weil in derselben seine Söhne selbstständig auftreten, sicher annehmen, dass der Marschall damals nicht mehr am Leben war. In derselben Urkunde erscheint als Lüdekes AMtsnachfolger zu Lübeck der Vogt Vicke von Karlow, der Lüdeke Blüchers Schwiegersohn war. Wahrscheinlich ist es, dass Vicke von Karlow unmittelbar auf seinen Schwiegervater folgte und dem Ansehen oder dem Einflusse des Letzeren diese Stellung verdankte. Denn daraus, dass der hochbejahrte Helmich von Plessen 1442 noch wieder als Stadtvogt und Marschall des Raths zu Lübeck (advocatus civitatis et dominorum marscalus) erwähnt wird, darf man noch nach unsern obigen Bemerkungen nicht schliessen, dass er noch einmal wieder in Thätigkeit getreten sei.

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