Den nächsten Morgen erschien denn auch ein
Kommando, um den Bürgermeister zu holen. Er sollte mit durch
die Netze reiten, was er sich zu thun weigerte, worauf sie den Dolmetscher
allein mit hinaus nahmen. Nachdem letzterer mit einem Offizier wieder
zurückgekehrt und diesem eröffnet wurde, die Stadt hätte
seit Beginn des Krieges keine Zufuhr und Ernten gehabt, und der russische
General Czernitscheff hätte bereits vor 3 Jahren deshalb die Stadt
von der Getreidelieferung befreit, liess er von seiner Forderung 1300 Pfund
Brot fallen, verlangte jedoch, dass 2000 Pfund geliefert werden, davon
sofort 304 Pfund, und er würde auch diese nicht fordern, wenn es nicht
unbedingt nötig wäre. Für seinen Tisch solle man ihm
morgen besonders einen Hammel und ein Kalb senden, wobei er dann die Äusserung
that. "Bin ich gut Oberst", was dann der Bürgermeister Muthmann,
sich bei ihm bedankend, bejahte. Zugleich erhielt der Magistrat den Auftrag,
an den Magistrat Landsberg zu schreiben, damit dieser eine Tonne Häringe,
eine Tonne Salz und 1000 Pfund Brot liefere, wie ebenso nach Friedeberg
und nach Woldenberg behufs Lieferung von je eines Ankers Wein und Branntwein.
Mittags musste der Magistrat noch einmal an diese drei Städte schreiben,
dass Landsberg am 16. Juni 100 Schafe, 1000 Brote, 5 Tonnen,Häringe
und 5 Tonnen Salz, Friedeberg und Woldenberg je 50 Schafe, den Rest von
400 Broten und weitere 500 Brote, 2 Tonnen Salz und 2 Tonnen Häringe
nach Driesen zu liefern hätten, und wenn dies nicht geschehen würde,
kämen starke Kommandos, die alles fortnehmen würden. Auch
Driesen musste die 1000 Brote geben und auf Wunsch des Obersten ein Bett
hinaussenden.
Am Sonntag, den 14. Juni 1761, lud sich der
Oberst beide Bürgermeister zum Mittagessen ein. Entschuldigungen
wurden zurückgewiesen, auch gefordert, Tischzeug, Zinn und dergleichen
mitzubringen. Die Bürgermeister wurden vom Obersten, der mit
17 Offizieren zu Tisch sass, mit Küssen bewillkommt und ihnen zu beiden
Seiten von ihm die Plätze angewiesen. Tische und Stühle
gab es an der Tafel nicht, sondern man sass nach orientalischer Sitte auf
der Erde mit kreuzweise übereinander geschlagenen Beinen, welches
der erste Bürgermeiste'r wegen seiner Korpulenz nicht fertig bekam.
Zum Empfänge erhielt jeder einen Humpen Wein, der sofort geleert werden
musste. Das Essen bestand aus Hühnerfleischsuppe und drei Gerichten
Hammelfleisch, davon das letzte gebraten. Wein wurde aus grossen
Gläsern getrunken und der Oberst hielt darauf, dass jeder stets sein
Glas sofort auf den Rest austrank.
Ende Juni 1761 zogen diese Truppen, zuletzt waren
es 3 Regimenter, nachdem sie drei Wochen hier im Biwak gelegen, wieder
ab.
Im Herbst 1761 marschierte die ganze russische Armee
durch Driesen'" im ganzen 14 000 Mann, und nach ihr kamen wieder preussische
Truppen unter General von Platen hier an..der jene verfolgte und später
zwischen Berlinchen und Bernstein ein Gef cht mit ihr hatte. Aus
diesem Gefecht brachte man auf 30 Wagen verwundete Kosacken, auf 4 Wagen
schwerverwundete Preussen, und ausserdem an gefangenen Preussen einen Artillerie-Oberst,
14 Husaren, 47 Dragoner vom Regiment Holstein nach Driesen. Am 30.
September 1761 kam das Gros der russischen Armee unter Marschall Butterlin
und General Fermor wieder zurück, der erstere ging dann am 6. Oktober
gegen Woldenberg, doch blieben noch Infanterie- und Kavallerietruppen hier
an der Netze zurück und namentlich durch letztere hatten die Bruchgegend
und die Dörfer viel zu leiden. Ganze Schaaren von Bruchkolonisten
kamen nackt und bloss nach Driesen geflüchtet, andere versteckten
sich-in den Büschen, Brüchern und Forsten. In Driesen wurde
den Bürgern vom Feinde alles Futter, Brot, Getreide und Lebensmittel
genommen, und man musste das Notwendigste von Arnswalde wieder herbeiholen
und dort für den Scheffel Roggen 3 bis 4 Thaler zahlen. Der
russische Major Völkersam, welcher die Not hier sah, nahm daher den
Bedarf für seine Truppen von anderen Städten: trotzdem hatte
die Stadt Driesen vom 16. September ab 50 Kosacken vom Kolparoffschen
Regiment und andere durchziehende Detachements zu verpflegen.
Zu dieser Zeit gab es in Driesen nur 153 Häuser.
Die Bürger konnten den Truppen nichts mehr geben und wendeten sich
um Befreiung von der Heulieferung an den General von Berg in Stargardt;
sie wurden aber abgewiesen, doch sollten sie für die russische Armee
keine Körner mehr liefern. Der Kosackenoffizier hierselbst kehrte
sich jedoch an diesen Befehl nicht und liess sich mit seinen Kosacken,
wie bisher, weiter verpflegen, sodass die Bürgerschaft ihr letztes
Hab und Gut hingeben musste. Als der Bürgermeister Muthmann
durch den Dolmetscher dem Offizier mitteilen liess, dass die Stadt nun
nichts mehr liefern könne, liess ihm dieser zurücksagen, dass
er ihm dann Klötze an die Füsse legen und damit fortschleppen
lassen würde, auch sollte man dann für jedes Pferd, welches krepierte,
100 Rubel zahlen; der Bürgermeister wäre garnichts gegen einen
Kosacken und wenn er selbst General in der preussischen Armee gewesen wäre.
Wenn er erst die Antwort von seinem General aus Posen zurückhabe,
würden 20 Kosacken mit Pieken zum Bürgermeister reiten, ihm die
Hände auf den Rücken binden und ihn in die Wache werfen, dann
würde wohl seinen Kosacken Brot geliefert werden. Ferner würde
er den Bürgern aus den Häusern alles fortnehmen. Darauf
beschwerte sich der Bürgermeister Muthmann beim Fürsten Wolchonsky
in Posen über diese Behandlung und bat ihn" er möchte sich doch
der Stadt Driesen annehmen. Am 16. November 1761 erschien auf
der polnischen Seite an der Netze bei Driesen ein Kommando Kosacken und
überbrachte dem Bürgermeister einen schriftlichen Befehl vom
Major Völkersam, die Brücke über die Netze so schnell als
möglich wiederherzustellen. Es wurde darauf die Bürgerglocke
geläutet und die Hälfte der Bürger unter Anleitung eines
Zimmermanns zum Brückenbau beordert, am 17. November wurde damit
fortgefahren und diejenigen, welche zu Hause blieben, von Kosacken herbeigeholt.
Ein Offizier ritt mit einigen Kosacken durch die Netze zum deutschen Thor
und liess aus Furcht vor einem Uberfall, einige Bohlen der Brücken
aufnehmen, und das deutsche Thor schliessen.
Das von der zerstörten polnischen Thorbrücke
daselbst zusammengesuchte Holz reichte zur Wiederinstandsetzung nicht aus,
deshalb liess der Kommandeur auf dem Holm eine Scheune einreissen und die
Netze herunterflössen. Am Nachmittag wurde der Kommandeur, da
es mit dem Bau zu langsam ging, ungehalten und liess durch beide Bürgermeister
den Bau beaufsichtigen. Als jedoch abends die Kosacklenwache am deutschen
Thor eingezogen wurde und sich über die Netze
zurückzog, liefen auch die Bürger vom Brückenbau fort
und nach Hause.
Am 18. November mittags kam der Major Völkersam
selbst zur Brücke geritten und sagte zu den Bürgermeistern: "Ich
beklage Euch Driesener, Ihr kommt mir wie die Herrnstädter vor, mit
denen haben wir uns auch solange gezankt, bis es der Feldmarschall in den
Grund schiessen liess. Eure Leute demolieren die Brücke, und
wir zwingen Euch, sie wieder zu bauen. Ich habe vom Marschall den
Befehl, wenn es unmöglich wäre, die Brücke zu bauen, so
würde die Netze doch nicht zu breit sein, als dass die Kosacken durchkommen,
um die Stadt in Asche zu legen".
Der Zimmermann versprach darauf dem Major, mit dem
Bau bis zum nächsten Morgen 9 Uhr fertig zu werden, worauf ihm dieser
als Belohnung einen Rubel zusicherte, andernfalls würde er ihm jedoch
Klötze an die Füsse legen lassen. Darauf ritt er zum deutschen
Thor, liess dieses wieder schliessen und die Bohlen von dieser Brücke
zur polnischen schaffen, welche dann damit bis zum Abend fertig hergestellt
wurde. Die Kosacken gingen darauf zur polnischen Seite zurück,
und die Bürger zogen die polnische Thorbrücke wieder auf.
Den anderen Tag rückte der Major Völkersam
mit einem Regiment Kosacken in die Stadt ein, sodass dessen So da en wieder
von den Bürgern verpflegt werden mussten; Netzbruch hatte das nötige
Heu zu liefern. Ein Kosack, welcher in Trebitsch den Förster
Collins beim Gelderpressen geschlagen hatte, musste diesem auf Anordnung
des Majors Völkersam das Geld zurückgeben und erhielt mit dem
Kantschuh Prügel. Am 22. November 1761 erhielt der Major
Völkersam vom Fürsten Wolchonsky den Befehl, mit seinem Regiment
nach Posen zu marschieren. Es wurden daher hier in Driesen die Thore
geschlossen und es blieb nur ein Wachtkommando zurück. Dem Magistrat
übergab der Major noch ein Rekommandationsschreiben für seinen
Nachfolger, den Obersten Kalpankoff, welcher bereits den 23. November
mit 180 Kosacken eintraf und in der Richtstrasse Quartier nahm. Den
folgenden Tag war er betrunken, und Bürger, welche gegen seine Soldaten
Klagen bei ihm vorbrachten, erhielten von ihm Ohrfeigen. Dem Sohn
des Juden Jacob, Namens Leiser, hing er sein Kruzifix um und zwang ihn,
es zu küssen; hierauf liess er ihn durch einen Kosacken durch die
Stadt führen, bis ihn die Eltern auf vieles Bitten zurückerhielten.
Als gegen Mittag der Rittergutsbesitzer von Brand
aus Wutzig zu ihm kam, welcher um eine Sicherheitswache bat, liess er auch
den Städteforstmeister von Korff holen und die beiden Bürgermeister
zu sich bitten, um mit ihnen zu. trinken. Letztere lehnten jedoch
ab und sandten den Dolmetscher Bürger Weise hin. Der Oberst
bewirtet Gäste gut und der Stadtmusikus musste dabei spielen.
Nach dem Essen wurde mit der Gesellschafterin des Obersten getanzt; diese
hatte man ihm von Arnswalde, wo sie gefangen war, wieder zugesandt.
Bei froher Weinlaune forderte der Landforstmeister den Obersten auf, er
möchte doch auch die Bürgermeister und die Viertelsmänner
holen lassen, jedoch lehnten diese die Einladung wieder ab.
Der Bürger Matzke ging zum Obersten und führte
gegen einen Soldaten Klage. Die Gesellschafterin wollte die Sache
schlichten, jedoch der Sotnick, der zugegen war, prügelte sie und
nannte sie hierbei des Obersten Dirne. Der Oberst wollte ihn dafür
durch einen andern Sotnick prügeln lassen, was dieser jedoch nicht
that. Darüber wurde nun der Oberst so wütend, dass er beide
Sotnicks mit der Faust ins Gesicht schlug und hiernach mit dem Kantschuh.
Da man nun befürchtete, der Oberst würde den Sotnick, der seine
Gesellschafterin geschlagen, töten, legte man ihn auf die Erde, prügelte
ihn auf dem blossen Rücken, wobei der Oberst mitschlug. Kosacken
kamen nun zum Bürgermeister Eiffert, bei dem der Oberst im Quartier
lag, und baten um Hülfe. Dieser ging darauf zum Obersten, entriss
ihm den Kantschuh und der Sotnick wurde losgelassen. Einen anderen
Sotnick, welcher vorher für seinen Kameraden bitten wollte, hatte
der Oberst mit dem Säbel über den Kopf geschlagen. Der
Oberst tanzte darauf und trank mit seinen Gästen weiter, bis er abends
in der Strasse sitzend einschlief und von hier ins Bett getragen-werden
musste.
Bei solcher Wirtschaft zitterten alle Bürger
in der Stadt, jedoch kam abends 9 Uhr der Major Völkersam wieder zurück
und blieb hier. Das Betragen des Obersten wurde ihm sofort erzählt;
doch am nächsten Morgen, als der Oberst nüchtern war, ging er
zum Bürgermeister und bat ihn um Verzeihung.
Landsberg hatte nun wieder 800 Scheffel Roggen und
6 Tonnen Häringe, und Netzbruch und Trebitsch Heu zu liefern.
An einen Kosacken, der sich hier an einem Bürger vergriffen hatte,
statuierte der Major Völkersam folgende Strafe: Er lies ihn so sehr
knuten, dass die anderen Kosacken mit erhobenen Lanzen auf den Major einritten,
wodurch dieser sich jedoch nicht beeinflussen liess und durch ein donnerndes
"Zurück" sie wieder zur Ruhe brachte.
Am 24. Dezember 1761 ging der Major Völkersam
mit seinem Regiment nach Birnbaum, liess hier eine kleine Besatzung zurück
und prägte dem Führer Iwan Saltuschin ein, die schärfste
Manneszucht während seiner Abwesenheit hier zu halten.
Da die Lieferungen aus Friedeberg und Woldenberg
ausblieben, musste die Stadt Driesen zu Weihnachten 100 Zweigroschenbrote
der Besatzung hier und Gottschimm der Besatzung zu Trebitsch ein Schwein
liefern.
Nachdem die Kosacken des Major Völkersamschen
Regiments Driesen verlassen, kam am 18. Januar 1762 eine Eskadron,
94 Mann stark, vom russischen gelben Husarenregiment mit mehreren Weibern
und Kindern nach Driesen und blieben für den Winter hier. Die
Bürger mussten auch diese verpflegen, und es erhielt jeder Soldat
morgens 1 Glas Branntwein und täglich dreimal zu essen.
Die Not wurde immer grösser, und ein Bürger nach dem andern
verliess mit seiner Familie die Stadt, sodass der Magistrat befürchtete,
dass die ganze Bürgerschaft auswandern werde. Der Schulze und
der Gerichtsmann zu Kietz wurden fürchterlich geknutet, weil sie nicht
sofort die nötigen Fische liefern konnten, und ebenso wurden die Bürger
bei jeder Kleinigkeit geschlagen und gestossen. Um diese Zeit stellte
sich denn auch hier noch ein hitziges Fieber, jedenfalls Typhus, ein und
es erkrankten daran 96 Personen. Von 900 Einwohnern starben 96 Personen,
an manchen Tagen 3 bis 4. Die Ställe waren ohne Dächer und Fächer,
und die Husaren verlangten, dass sie ordnungsmässig repariert und
gebohlt würden. Hierzu wurden die Bretter von Thorwegen, Giebeln
und Stuben genommen-. ja selbst in Hausfluren und Stuben stellten die Husaren
ihre Pferde ein. Vom Boden des Amtshauses nahm man die Bohlen und
dielte damit die Ställe auf dem Rittergute, wobei die Bürger
helfen mussten; als sie aber auch die Fuhren stellen sollten, beriefen
sie sich auf ihre Privilegien, wonach sie hierzu erst verpflichtet seien,
wenn kein Pächter., Edelmann, Prediger oder Bauer ein Pferd mehr im
Stalle hätte.
Viele Bürger baten mit weinenden Augen, sie
von der Last der Verpflegung der Truppen zu befreien, da sie sonst mit
ihren Familien verhungern müssten. Daher sandte der Magistrat
an den Herzog von Bevern nach Stettin eine Bittschrift und bat um Befreiung
von den gelben Husaren, an deren Stelle sie zehnmal lieber Kosacken im
Quartier haben möchten.
Am 26. März 1762 verliessen die Husaren
Driesen, und die Stadt hatte eine Forderung von 379 Scheffel Roggen, 95
Scheffel Grütze und 1294 Thaler an Geld, welches der Kommandeur, von
Schwartreit, nach einem Befehl des Generals von Berg an die Stadt zahlen
sollte. Zu diesem Zweck traf am 1. Oktober 1762 der Lieutenant von
Carpen, ein Wachtmeister und 2 Husaren hier ein, die den Bürgern mittelst
Vergleiches 858 Thaler bezahlten. Dafür mussten letztere dem
Lieutenant 30 Thaler als Geschenk und Fuhren zur Rückreise nach Dratzig
geben. Die Deputierten und Ersatzgeschworenen erhielten von dem gezahlten
Gelde 4 Thaler zu Ergötzlichkeiten; der Magistrat erhielt für
seine Bemühungen davon 36 Thaler, und der Rest wurde an die Quartierwirte
verteilt.
Nachdem Peter der Dritte den russischen Thron bestiegen,
schloss er mit Preusseri am 5. Mai zu Petersburg Frieden. Am 1. Pfingstfbiertag
wurde in der Driesener Kirche von den hier liegenden Russen das Friedensfest
mitgefeiert, und bald
Nachdem am 15. Februar 1763 zu Hubertusburg
auch mit Österreich der Frieden geschlossen war, endete der für
Driesen so verderblich gewordene siebenjährige Krieg. Am 13.
Mai desselben Jahres fand die Feier des Friedensfestes statt, und der Oberprediger
Kröbel predigte über Kapitel 33 des Propheten Jeremias.
Einen günstigen Einfluss auf Driesen übte die Ende 1762 beginnende
Kolonisation des Netzbruchs durch den Wirklichen Geheimen Oberfinanz- und
Domänenrat Balthasar Schönberg von Brenkenhoff, der seinen Sitz
in Driesen nahm. Ihm war die Aufgabe zugefallen, die von den Russen
verwüstete Neumark wieder herzustellen und das Netzund Warthebruch
urbar zu machen und mit einer Arbeitskraft und Arbeitsliebe ohnegleichen
hat er das Werk vollendet. Viele wegen Glaubenshass in andere Länder
Vertriebene fanden hier in und bei Driesen eine neue Heimat. Zu gleicher
Zeit hörte auch Driesen auf, Festung zu sein, die Häuser in derselben
wurden mit Kolonisten besetzt und die Neustadt hierselbst nach einem Plane
Brenkenhoffs neuerbaut. Ebenso wurden auf Drieserer Grund die Kämmerei-Kolonien
Neu-Ulm und Militzwinkel angelegt, deren Bewohner eine jährliche Grundrente
von 979 Thalern 16 Groschen 3 Pfennige an die Kämmereikasse zu zahlen
hatten.
Das Tuchmachergewerbe begann sich nach und nach
zu heben und stand bald in voller Blüte, da Brenkenhoff für Absatzquellen
sorgte; es wurden namentlich viele Tuche nach Russland und der Moldau verkauft.
Driesen gehörte mit den Städten Memel,
Tilsit, Königsberg, Elbing, Bromberg, Stettin und Breslau zu den begünstigten
und privilegierten, denen allein die Erlaubnis erteilt war, mit Polen auf
Grund des Zolltarifs vom 24. Mai 1775 Handel zu treiben und fremde
und seidene Tücher, sowie andere Waren nach Polen einzufahren.
Die vom Kommerzienrat-Treppmacher aus Posen hier
in Driesen auf dem Festungsplatz No. 17 mit einem Betriebskapitel von 100
000 Thalern errichtete Handlung versandte viele Waren, namentlich Wein
nach Polen, und Ungarwein bis an den Königlichen Hof nach Schweden.
Der Fleischer Modrow betrieb einen regen Handel
mit podolischen und ukrainischen Ochsen nach Berlin.
Da Driesen wenig Acker besass, war es den Bürgern
gestattet, das Getreide aus Polen zum eigenen Gebrauche zollfrei einzuführen;
doch durften sie unverzolltes Getreide durch das deutsche Thor nicht wieder
ausfahren.
Nach einer Viktualientabelle des Magistrats vom
5. März 17,67 kostete der Scheffel Weizen 1 Thaler 7 1/2 Groschen,
1 Scheffel Roggen 24 Groschen, 1 Scheffel kleine Gerste 17 1/2 Groschen,
1 Scheffel Hafer 11 1/4 Groschen, die Tonne Eier 2 Thaler, 1 Quart Bier
6 Pfennige. Eine Semmel für 3 Pfennige wog 13 Loth 1 Quentchen,
1 Scharrenbrot für 2 1/2 Groschen 6 Pfund, ein Hausbackenbrod für
2 1/2 Groschen 6 Pfund 26 1/2 Loth. Das Pfund Rindfleisch kostete
1 1/4 Groschen, das Pfund Schweinefleisch 1 1/3 Groschen, das Pfund Kalbfleisch
1 Groschen.
Da die Sperlinge für schädlich gehalten
wurden, erliess die Regierung eine Verordnung, wonach jeder Hausbesitzer
jährlich an den Magistrat 12 Sperlingsköpfe zu liefern hatte.
Auf diese Weise wurden im Jahre 1767 in Driesen 2124 Sperlingsköpfe
geliefert.
Im Jahre 1772 wurde die grosse Poststrasse von Berlin
nach Königsberg i. Pr. und die von Posen nach Stettin über Driesen
gelegt.
Zum Transport der vielen nach Ostpreussen zu transportierenden
Rekruten stand hier ein Kommando Dragoner. Am Holmerthor war nur
eine Pforte, und es musste hier ein Thorschreiberhaus und zwischen der
kleinen Netze und dem Festungsgraben Pallisaden errichtet werden, um das
Desertieren der Soldaten zu verhindern. Das Brennholz zu den Wachen
und zum Lazarett musste durch Abgabe je einer Klobe von den die Thore passierenden
Holzwagen geliefert werden, und nach dem AcciseManual passierten jährlich
5500 Fuhren mit Holz die beiden Stadtthore.
Im Jahre 1775 gab es in Driesen 5 Schutzjuden, welche
Häuser als Eigentum erwerben durften, jedoch mussten sie dafür
einen hohen Schutzzoll zahlen. Ausser diesen waren hier noch andere
jüdische Familien wohnhaft, im ganzen 95 Köpfe stark. Den
Gottesdienst in ihren Häusern zu halten, wurde ihnen verboten, und
auf Brenkenhoffs Anordnung mussten sie 1767 eine Synagoge bauen.
Am 7. Februar 1774 brach bei einem starken Sturm
die Kirchturmspitze ab und schlug durch das Dach, sodass sie 4 Fuss in
dem Schiff der Kirche steckte.
Am 2. August 1777 schlug der Blitz in den Kirchturm
und setzte diesen in Brand. Infolgedessen musste später die
oberste Kapsel abgenommen werden.
Das auf dem alten Markt stehende Rathaus war so
baufällig, das es dem Einsturz drohte, und es wurde 1780 abgebrochen.
Die alten Materialien wurden verkauft und brachten 54 Thaler 21 Groschen.
Beim Sattler Rohleder, Richtstrasse No. 1 wurde ein passendes Lokal gemietet,
bestehend aus einer Stube zum Sessionszimmer, einer Stube mit Alkoven zur.Registratur,
Küche und Kammer zum Holzgelass, ferner im Seitengebäude eine
Stube und Kammer.zur Dienstwohnung und ein Stall zur Unterbringung der
Ratswage und Röhrspritze, Die Miete dafür betrug vom 21.
Juli 1780 bis 1. Oktober 1786 jährlich 30 Thaler, da aber die Nachbargebäude
mit Stroh und Schindel gedeckt waren, wurde vom 1. Oktober 1786 eine ähnliche
Wohnung in der Holmstrasse 25 gemietet.
Im Jahre 1792 erhielt der Magistrat vom Ministerium
den Befehl, ein eigenes Rathaus zu bauen, doch unterblieb es, da nicht
soviel Geld dafür vorhanden war, denn die Kommune hatte nur 200 Thaler
ausgeliehen, und der Kämmereiüberschuss betrug nur 18 Thaler,
die Anschlagssijmme zum neuen Rathaus aber 3500 Thaler. Da aber das
Ministerium bei seiner Anordnung blieb, kaufte 1798 der Magistrat das Haus
des Schutzjuden Abraham Judas in der Richtstrasse No. 26 (jetzt Amtsgerichtsgebäude)
fü r 4150 Thaler als Rathaus an und lieh der Rittergutsbesitzer von
Waldow-Mehrenthin der Stadt hierauf 3000 Thaler à 4 % zur ersten
Stelle. Beim Ausbau des Gebäudes erhielt der Maurermeister Herold
pro Tag 15 Groschen, für den Gesellen 11 1/4 Groschen und für
den Handlanger 7 1/2 Groschen.
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