Da der Kirchhof bei der Kirche voll war, legte man
rechts der Karlstrasse und Alten-Netze einen neuen an, welchen der Superintendent
Starke am 27. August 1831 einweihte. Am 8. September starb
darauf die neunjährige Tochter des Maurers Röller an der Cholera
zuerst, und dies war die erste Leiche, welche auf diesem Kirchhof beerdigt
ist. Auf dem Dregackschen Grundstück, Friedrichstrasse No. 3,
wurde eine Krankenanstalt errichtet, ein einfacher Krankenwagen beschafft
und vier in Wachstuch gekleidete Krankenträger angestellt. Die
Cholera trat aber von jetzt ab sehr heftig auf, daher wurden die Häuser,
in welchen Kranke lagen, gesperrt und ein Bürger als Wache vorgestellt.
Die Bewohner durften diese Häuser nicht verlassen, und angestellte
Boten mussten die Bedürfnisse einholen. Anfangs November 1831
hörte die Cholera hier erst auf, nachdem vier Prozent,der Bevölkerung
daran gestorben waren.
Am 15. September 1831 brach in den Scheunen
Feuer aus und es brannten 40 davon nieder. Der Gesamtschaden betrug
40 000 Thaler.
1831 zweigten sich die Gemeinden Vordamm und Mühlendorf
vom hiesigen Schulverbande ab und bauten sich ein eigenes Schulhaus.
Die hiesige Schule war aber trotzdem überfüllt, daher wurde der
sechste Lehrer angestellt.
Im Oktober 1833 hatte Driesen 3 090 Einwohner, darunter
246 stimmfähige Bürger. In diesem Jahre wurde das Berliner
Gesangbuch eingeführt, und dazu für arme Einwohner 20 Thaler
aus der Stadtkasse bewilligt. Da der neue Kirchhof umzäunt war,
wurde der alte bei der Kirche geschlossen und als letzte Leiche der Tuchmacher
Martin Hähn darauf beerdigt. Der Superintendent Heinrich Starke
starb am 11. August 1834, und er sollte noch auf dem alten Kirchhof
beerdigt werden. Die Gruft war auch unter dem Fenster des Oberpfarrhauses
bereits fertig, jedoch der Bürgermeister Menger verweigerte die Beerdigung
und liess die Gruft wieder zuschütten.
Das hier einst so blühende Tuchmachergewerbe
war vollständig gesunken, fast sämtliche Tuchmacher waren verarmt,
und nur wenige betrieben noch das Gewerbe; die meisten arbeiteten als Tagelöhner.
Mit Genehmigung der Königlichen Regierung wurden
im Jahre 1835 hier zwei neue Viehmärkte, der eine am 28. April, der
zweite am 28. Oktober, eingeführt.
Da die Schulzimmer zu klein waren, musste ein neues
Schulhaus bei der Kirche erbaut werden und der Zimmermeister Schilling
erhielt hierzu 1836 mit 3 500 Thalern den Zuschlag; er hat bei dem Bau
1 800 Thaler zugesetzt. Da die Gemeinde Kietz zum Bau nichts beitragen
wollte, schloss der Magistrat mit ihr einen Vergleich, zahlte eine einmalige
Abfindung von 300 Thalern, worauf sich die Kietzer eine eigene Schule einrichteten.
1837 wurden auf Anordnung des Königlichen Bauinspektors
Anders die Linden an der Strasse von Driesen nach Vordamm angepflanzt.
In demselben Jahre verkaufte der Oberamtmann Sydow das von den Driesenern
oft besuchte, in Vordamm an der Brücke gelegene Tanzlokal an die Kaufleute
Mendheim und Eisnecker, welche auf diesem Grundstück die Steingutsfabrik
errichteten. Im Jahre vorher hatte der Buchdrucker Moritz hier die
erste Buchdruckerei eingerichtet und gab das Driesener Wochenblatt heraus.
1837 erbaute der Müller Hennicke hier eine
Dampfmahl- und Schneidemühle mit 7 Pferdekräften. Diese
brannte 1845 ab. Die neue Mühle wurde mit einem Kessel von 20
Pferdestärken versehen.
Wie überall im Vaterlande, so war auch hier
tiefe Trauer, als die Nachricht vom Ableben König Friedrich Wilhelms
III. am 3. Pfingstfeiertage 1840 eintraf. Sämtliche Festlichkeiten
wurden sofort abbestellt und 14 Tage von 12 bis 1 Uhr, mittags die Glocken
geläutet.
Am Geburtstag König Friedrich Wilhelms IV.
war auch dessen Huldigungstag, der überall festlich im preussischen
Staate begangen wurde. In Driesen war zu diesem Zweck die Kirche
festlich geschmückt und abends grosse Illumination. Es war beabsichtigt,
an diesem Tage den Knopf und das Kreuz auf den reparierten Kirchturm zu
setzen, jedoch die Arbeiten waren nicht fertig geworden, daher geschah
es am 26. Oktober, da am 26. Oktober 1806 hier in Driesen der König
Friedrich Wilhelm III. mit der Königin Luise im Gasthof zum Kronprinzen
gewohnt hatte.
Der Gelbgiesser Stiller, ein Katholik, schenkte
der evangelischen Kirche einen von ihm selbst gearbeiteten messingnen Kronleuchter,
der jetzt über dem Tauftisch hängt und die Inschrift trägt:
"Diesen von mir selbst gefertigten Kronleuchter widmet der hiesigen Kirche
der Gelbgiessermeister Herr Andreas Stiller und Ehefrau Eva Maria geborene
Schnell. Driesen, den 15. Oktober 1840."
Das Pflaster in den Strassen war in sehr schlechtem
Zustande, und eine Umlegung liess sich nicht mehr hinausschieben.
Man übertrug diese Arbeit dem Steinsetzer Voss in Woldenberg für
22 1/2 Silbergroschen pro Quadratrute. 1840 wurde zuerst die Richtstrasse
und die in diese mündenden Gassen und 1841 die anliegenden Strassen
und 1842 der letzte Teil für 1179 Thaler umgepflastert. In letzterem
Jahre wurde auch der Bau des Oberpfarrhauses vollendet. Ferner schenkte
in diesem Jahre die Aachen-Münchener Feuerversicherungsgesellschaft
der Stadt Driesen 200 Thaler zur Anschaffung von Strassenlaternen, die
bis dahin noch nicht vorhanden waren. Für diese Summe wurden
drei Laternen beschafft und durch freiwillige Beiträge unterhalten.
Am 1. Februar 1842 brannten die Laternen zum ersten Mal, wobei sich auf
dem alten Markt viele Zuschauer eingefunden hatten. Nach und nach
wurden dann die Laternen vermehrt und deren Unterhaltung von der Stadtkasse
übernommen.
Da das Rathaus durch das in demselben befindliche
und sich mehr und mehr vergrössernde Gericht zu klein wurde, kaufte
die Stadt das jetzige, Grusenstrasse No. 5, vom Schankwirt Karow im Jahre
1844 und überliess das alte dem Justizfiskus für 1500 Thaler
mit der darauf ruhenden Holzgerechtigkeit, die später mit 800 Thalern
abgelöst wurde.
Durch die Bemühungen des Oberpfarrers Marquardt
gelang es 1844 und 1845, das Hospital, Kirchplatz No. 3, zu erbauen. Die
Stadt gab hierzu 500 Thaler, 500 Thaler der König Friedrich
Wilhelm IV., 500 Thaler der Oberamtmann Sydow, 200 Thaler der Geheimsekretär
Beinert, 200 Thaler der Justizrat Sturm, 100 Thaler der Seifensieder Ladisch
und 25 Thaler das Fleischergewerk. Vom Konrektor Bolz erhielt das
Hospital nach dessen Tode 600 Thaler, wofür von den Markschen Erben
später die Hospitalwiese angekauft ist.
Am 8. Dezember 1845 entdeckte der hier geborene
Postsekretär a.D. Henke, ein Sohn des Kämmerers hierselbst, die
Astrea, den fünften der kleineren zwischen Mars und Jupiter kreisenden
Planeten und eröffnete den Reigen.der Planetenentdeckungen.
Henke wurde infolgedessen Ehrendoktor und erhielt die grosse goldene preussische
Medaille für Kunst und Wissenschaften und andere Ehrenmedaillen.
Ferner war er Mitglied der englischen Astronomischen Gesellschaft und erhielt
den Roten Adler-Orden III. Klasse. Auf seinem früheren
Hause, Kietz No. 9, befindet sich noch heute die kleine Sternwarte, die
der Besitzer des Hauses vertragsmässig zu unterhalten hat. Am
1. Juli 1847 entdeckte Henke die "Hebe".
Die Ernte 1846 war sehr schlecht, die Lebensmittel
stiegen bedeutend und in vielen Familien herrschte grosse Not. Der
Scheffel Roggen kostete 1847 im Mai 4 1/2 Thaler und es bildeten sich Wohlthätigkeitsvereine,
welche reichlich unterstützten; daher kam es hier nicht zu Unruhen,
wie in Berlin und in anderen grossen Städten. Die Ernte 1847
war wieder gut und da sich genügend Arbeit bot, war die Not vorüber.
In der Nacht vom 18. zum 19. Mai 1847 brach
eine Räuberbande beim Tuchmacher Bautz in der Neuenstrasse, der für
wohlhabend galt, ein. Die Diebe hatten sich durch den alten Festungsgraben
an das Haus geschlichen, stiegen in den Keller, tranken dort das Bier aus
und drangen durch eine Kammer zur Stube, wo die Eheleute schliefen.
Die Gesichter geschwärzt, mit einem Licht in der Hand und mit Knütteln
bewaffnet, verlangten sie von Bautz dessen Geld. Zugleich drückte
ihm der eine auch schon die Gurgel zu, wobei die Bettstell zusammenbrach.
Ein zweiter Dieb versprach auf das Bitten der Ehefrau des Bautz, ihr das
Leben zu lassen, wenn sie das Geld herausgeben würde. Die 43
Jahre alte Tochter des Bautz schlief in der Hinterstube und war durch einen
Hieb, den sie an der Stirn erhalten hatte, betäubt und wurde später
mit dieser Wunde, einer Schnittwunde am Ellbogen und auf dem Rücken
braun geschlagen, besinnungslos in ihrem Bett aufgefunden. Nur durch
einen Zufall waren die drei gerettet, da der Töpfer Quolke gegen 1
Uhr von seiner Braut beim Bautzschen Hause vorbeikam und das Stöhnen
der Bewohner darin hörte. Er hielt die offenstehende Tür
zu und schrie: "Was geht hier vor"' Frau Bautz, als sie dies hörte,
sprang aus dem Bett, schlug die Fensterscheiben entzwei und schrie Feuer.
Hierauf flüchteten einige der Diebe durch den Garten, während
ein anderer durch das Fenster kroch, den Quolke festhielt. Der Dieb
schlug mit dem Knüppel um sich, wurde aber von im Hemd herbeigeeilten
Nachbarn, Bar'bier Brüning, Schneider Wiesenthal und dem jetzigen
Beigeordneten Modrow umzingelt. Hierauf schlich sich ein zweiter
Dieb, ohne bemerkt zu werden, aus dem Hause und schlug die seinen Kameraden
festhaltenden Personen mit dem Knüppel zu Boden, sodass Modrow mit
2 Löchern im Kopf besinnungslos nach seiner Erzählung in den
Rinnstein fiel, dem Wiesenthal das Ohr und Brüning die Stirm blutig
geschlagen war. Quolke hatte einen Hieb über den Kopf erhalten,
hielt jedoch den Dieb fest, bis er einen starken Hieb über den Arm
erhielt und loslassen musste. Beide Diebe entkamen darauf durch das
Holmerthor. Eine auf dem Kampfplatz zurückgelassene Mütze
wurde als dem Töpfergesellen Druck gehörig erkannt, und Quolke
wie der Schornsteinfegermeister Fürstenberg beeideten später
vor Gericht, dass sie in den entflohenen Dieben den vorgenannten Druck
und den Arbeiter Winkelmann erkannt hätten. Diese beiden wurden
hierauf zu zehn Jahren Zuchthaus bestraft. Die anderen Diebe, welche
geflohen waren, hatten im Gärtner Schmidtschen Garten eine geladene
Pistole verloren, welche der Prediger Berthold in Erchbruch als diejenige
wiedererkannte, die eine bei ihm ei ngebrochene Bande ihm auf die Brust
gesetzt. Der Büchsenmacher Finge gab an, dass er diese Pistole
vor kurzem für den Eigentümer Pahl in Eschbruch repariert habe,
doch blieb die weitere Untersuchung ohne Erfolg.
Im Jahre 1847 bildete sich aus den ehemaligen Kriegern
von 18o6 bis 1814 und 1815 der Kriegerbegräbnisverein, dessen letzte
Mitglieder bis zum Jahre 1885 dem KampfgenossenVerein angehört haben
und von diesem bestattet sind.
1847 verkaufte die Stadt den an der Schützenstrasse
gelegenen 3 1/2 Magd. Morgen grossen Platz an den Zimmermeister Schmidt
als Zimmerplatz und erwarb im Jahre 1848 den Speicher auf dem Festungsplatz
No. 20 für 132 Thaler.
Grosse Bestürzung trat hier ein, als die Nachricht
von den Unruhen des 18. März 1848 in Berlin ankam, und wie überall
im Lande, wurden auch hier Volksversammlungen abgehalten. Die grosse
Masse wusste eigentlich nicht, was sie wollte, und nach einer am Sonntag
nach Ostern im Schützenhause abgehaltenen Versammlung kam es auch
hier zu Aufläufen. Ein von einem Tischler geführter Volkshaufen
setzte sich von der Restauration an der polnischen Brücke nach der
Stadt zu in Bewegung und brachte dem Deposital-Kassen-Rendanten Weitzmann,
welchem man das in einer Rede gebrauchte Wort "Spiessbürger" übelgenommen
hatte, eine Katzenmusik, anderen Personen dagegen "Hochs" und "Hurrahs".
Zu weiteren Ausschreitungen kam es jedoch nicht.
Zur ersten preussischen National-Versammlung wählte
der Friedeberger Kreis den Färber und Ratmann Salis aus Driesen zum
Abgeordneten. Zu gleicher Zeit war auch im Grossherzogtum Posen der
Aufstand der Polen ausgebrochen und Insurgentenbanden griffen vielfach
das Militär an.
Der Mühlenbesitzer Grun in Neuteich hatte nachts einige Gewehrschüsse
abgefeuert, die Dorfbewohner alarmiert und nach Hammer einen Boten um Hülfte
gesandt. Darauf meldete der Rittmeister von Rochow in Hammer dem
Domänenrat Steinke in Driesen, dass sich polnische Horden nahten.
Infolgedessen wurde hier in den ersten Stunden des 11. Mai 1848 Alarm
geschlagen. Die Bürger sammelten sich auf den Marktplätzen
und zogen unter Kommando des Major a.D. Netzer nach der Posener Vorstadt.
Hier wurde der Haufen einigermassen geordnet und eine Patrouille unter
Oberprediger Marquard (ehemaligem freiwilligem Jäger) nach Neu-Ansbach
zur Rekognoszierung ausgesandt, welche mit der Meldung zurückkam,
dass dort alles ruhig sei, worauf jeder wieder nach Hause ging und sich
schlafen legte. Die Nachricht vom Anrücken der Polen war durch
das ganze Bruch, ja sogar bis Cüstrin gedrungen und hatte fast alle
Orte alarmiert. Die Leute aus Carbe und den Bruchkolonien gingen
bei Trebitsch über die Brücke, die Trebitscher und Neu-Ulmer
schlossen sich an und eilten der Stadt Driesen, wo man die Polen vermutete,
zu Hülfe. Die auf dem Driesener Felder arbeitenden Menschen,
vom Schrecken der Nacht noch aufgeregt, eilten beim Anblick dieser mit
Sensen, die gerade gerichtet, bewaffneten Schar in die Stadt und schrieen:
"Jetzt kommen die Polen von Neu Ulm her" Es war mittags 1 Uhr. Schnell
wurde die Sturm-. glocke geläutet und die Bürgerschaft alarmiert.
Die Landleute, durch das Läuten der Glocken stutzig gemacht, hielten
vor der Stadt an und sandten eine Patrouille hinein. Nachdem sich
dann der Irrtum aufgeklärt, wurden die Landleute mit Musik eingeholt,
nach dem Festungsplatz geführt, hier als treue Bundesgenossen bewirtet
und abends mit Musik zur Stadt hinaus begleitet.
Dieser Schrecken hatte zur Folge, dass die Bürgerwehr
wieder errichtet wurde, um die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten.
Dieselbe bestand hier aus 5 Kompagnien, den Schützen und 4 mit Lanzen
bewaffneten 2 Kompagnien erhielten anstatt der Lanzen vom Staate später
Gewehre. Zum Kommandeur wählte sich die Bürgerwehr den
Major a.D. Netzer und zu dessen Adjutanten den Gerichts-Assessor Sachse.
Komuagnieführer wurden Rendant Müller, Hauptmann Sasse, Domänenrat
Steinke, Bauinspektor Berndt und Gerichts-Direktor von Räbenau.
Die Begeisterung für das neue Institut war allgemein, und es wurde
tüchtig exerziert. Die Jungfrauen Driesens vereinigten sich
und schenkten der Bürgerwehr eine Fahne, zu welcher die Stickerei
von den Fräuleins von Rabenau, Gebhard, Kuntzemüller, Sommerfeld,
Menger und Marquard gefertigt wurde,
Diese Fahne wurde am 30. Juli 1848 eingeweiht.
Hierzu traten die Bürgerwehrmänner nachmittags 2 Uhr zusammen,
marschierten 561 Mann stark durch die mit Guirlanden geschmückten
Strassen nach dem Neuen Markt und formierten hier Carré. Hinter
ihnen standen 1900 Mann zu Fuss aus den umliegenden Ortschaften, die wackeren
Bundesbrüder des 11. Mai, denen die Banner von Hammer, Dragebruch.
Neu-Dessau und Liependorf voranwehten. 102 Mann waren beritten und wurden
vom Domänenrat Steinke geführt.
Die Hauptleute traten vor die inmitten des Marktplatzes
errichtete Rednertribüne, von der herab die beiden Fahnen der Schützen
wehten, wie an jeder Ecke preussische Fahnen und über alle in der
Mitte das deutsche Banner. Hierauf-zogen, dem voranschreitenden Musikchor
folgend, die myrthenbekränzten 153 Ehrenjungfrauen, zugweise in blauen,
weissen, rosa und schwarzen Kleidern mit der neuen Fahne, welche der Glaser
Gebhardt trug, in das Carrb. Die Fahne hatte im weissen Felde den
schwarzen Adler mit der Inschrift: "Driesens Bürgerwehr 1848".
Von der Spitze derselben wehte ein schwarz-rot-goldenes Band. Das
Musikcorps spielte zuerst den Choral "Lobe den Herrn" und Fräulein
Julie Gebhardt, später verehelichte Klettner in Friedeberg, sprach
hierauf ein zu diesem Zweck vom Rendanten Weitzmann verilasstes Gedicht.
Hierauf übergab der Major Netzer die Fahne dem Brauer Steinke, der
sie künftig tragen sollte, und der Oberprediger Marquardt hielt die
Weihrede, in welcher er die Thaten der preussischen Waffen im siebenjährigen
und Befreiungskriege hervorhob und daran den Wunsch knüpfte, der preussische
Adler möge fortan den Doppeladler überfiügeln, obgleich
man jetzt versuche, dem ersteren die Flügel zu stutzen. Hierauf
sang man zum Schluss "Nun danket alle Gott" und mit dreimaligem Hurrah
wurde die Fahne begrüsst. In ähnlicher Weise sprach auch
der Major Netzer, der die Fahne für die Wehr übernahm, gedachte
hierbei des Patriotismus der Frauen von 1813/14, der hier in den Töchtern
wieder auflebe und schloss mit einem Hoch auf den König, Geberinnen
der Fahne, Vaterland, Stadt- und Landgemeinden. Ein Parademarsch
beschloss die Feier, die Bataillone marschierten nach dem Anger am Schiessplatz,
setzten hier die Gewehre zusammen und tanzten bis zum frühen Morgen.
Zweimal musste die Bürgerwehr in dieser Zeit die Ordnung wiederherstellen.
Die Holzdefraudanten waren hier zum Forstgerichtstag vorgeladen, und da
sie von einer erlassenen Amnestie gehört, wovon das Gericht noch keine
Nachricht hatte, nahmen sie an, dass ihnen die Strafe erlassen sei.
Sie zerrissen daher in der Gerichtsstube ihre Vorladungen, schimpften auf
den Richter und wollten die Förster angreifen, weshalb sich letztere
im Gerichtszimmer einschliessen mussten. Die infolgedessen alarmierte
Bürgerwehr verhaftete die Rädelsführer und begleitete den
bedrohten Oberförster Sonnenberg bis zu seiner Wohnung nach der Oberförsterei
Driesen.
Am 22. Januar 1849 fand in der Rittergutschänke
eine grosse Schlägerei zwischen Leutten vom Sande und den Kietzern
statt. Nachdem die Ruhestörer in der Schankstube alles zerschlagen
hatten, zogen sie jubelnd zum Marktplatz. Die Bewohner schlossen
ihre Läden, und die Büreerwehr wurde alarmiert. Der Gefährlichste
der Rotte war ein oft bestrafter Dieb, namens Seifert, welchen man später
aus seiner Wohnung auf dem Sande beim Fuhrmann Druck, jetzt Wilhelmsstrasse
No. 20, herausholte und mit einer Lanze erstach. Der Thäter,
der ihm den Stich beigebracht, wurde nicht ermittelt. Ausser Seifert
hatte auch der Arbeiter Fischer einen Stich in den Schenkel erhalten.
Seitdem blieb in Driesen Ruhe.
Nach dem Erlöschen des polnischen Aufstandes
wurde am 24. Oktober 1849 auch hier in Driesen die Bürgerwehr
wieder aufgelöst. Die Fahne wurde zuerst im Rathause aufbewahrt,
später dem Turnverein und nachdem sie entsprechend geändert,
dem sich 1866 bildenden Kampfgenossen-Verein im Jahre 1872 von den städtischen
Behörden geschenkt, welcher sie noch heute führt.
Am 1. April 1849, bei der Reorganisation des Gerichtswesens,
ging in Driesen das Land- und Stadtgericht ein und blieb nur eine Deputation
von 3 Richtern bestehen, während Friedeberg ein Kreisgericht erhielt.
Die Bürgerschaft hatte den Gerichts-Direktor von Rabenau, den Bürgermeister
Menger und den Ratmann Salis nach Berlin deputiert, um dahin zu wirken,
dass das Kreisgericht nicht von Driesen verlegt werde, und trotzdem der
König und der Justizminister sich dafür erklärten, blieb
das Kreisgericht in Friedeberg.
Bei der Volkszählung am 3. Dezember 1849 hatte
Driesen 3 900 Einwohner.
Im Jahre 1850 wurden die drei gesprungenen Kirchenglocken
vom Glockengiesser Voss in Stettin umgegossen, und nachdem sie der Prediger,
Diakonus Gensichen, geweiht, im September im Kirchturm aufgehängt.
Die grosse Glocke hat folgende Inschrift :
"Der erste Guss dieser Glocke ist unbekannt.
"Umgegossen im November 1662 durch Lorenz
"Kokeritz. Zum zweiten Male umgegossen
"in Gemeinschaft mit den anderen zwei Glocken
"zu Stettin 1850 von Carl Voss No. 97 unter der
"glorreichen Regierung des constitutionellen
"Königs Friedrich Wilhelm IV. und Seiner
"Gemahlin, der Königin Elisabeth, geborenen Prinzess
"von Bayern.
"Nachdem die Form in Stücke war zerbrochen,
"Die uns umgab in finst'rer Grabesnacht,
"Erstanden wir, da es begann zu tagen,
"Wo neugeschaffen durch des Feuers Macht,
"Ein ehernes Geschwister Dreigeläute;
"Wir künden jetzt in schöner Harmonie,
"Dass Alle, die uns hören, einst wie heute
"Nur holder Friedl und Eintracht stets umzieht".
Die mittlere Glocke hat folgende Inschrift:
"Ich ruf Euch, wenn der Herr will in den Tempel gehen,
"kommt in grosser Zahl, sein theures Wort zu hören,
"Ich lehre Euch zugleich auch Eure Sterblichkeit,
"Drum macht, wenn Ihr mich hört, zum Sterben Euch bereit.
"Von Philipp Carl Schwenn am 29. Juli 1797 zu
"Alt-Stettin umgegossen; desgleichen von Carl Voss
"in Stettin 1850 No. 99"
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