Die Eberler genannt Grünenzwig                            zurück

aus : August Burckhardt, In : Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, IV. Band, 1905

    Es ist bekannt, wie das Auftreten und die erschreckend rasche Verbreitung durch fast ganz Europa des sogenannten schwarzen Todes d. h. der Pest in den Jahren 1348 und 1349 überall die schrecklichsten Judenverfolgungen gezeitigt hat.  Man bezichtigte eben die Juden, gegen die beim, Volke ihrer Wuchergeschäfte wegen sich schon seit langem viel Haß angesammelt hatte, durch Vergiftung der Brunnen die furchtbare Epidemie, der man geradezu wehrlos gegenüberstand, erzeugt zu haben.  In Spanien war die Seuche zuerst aufgetreten und hatte dann von hier aus ihren Weg über Südfrankreich auch nach der Schweiz - zunächst nach Genf - genommen; hier hören wir daher auch zuerst von Judenverfolgungen: am 15. September 1348 beginnen in Chillon die Verhöre von gefangenen Juden und dauern bis zum 11. Oktober.  Die Ausgangspunkte der Bewegung in der deutschen Schweiz aber waren die Städte Bern und Zofingen, von wo aus sie sich noch im November und Dezember auch den meisten übrigen Orten mitteilte.  Wie die Anklagen überall dieselben waren, so war auch das Verfahren fast überall dasselbe, eine Stadt teilte eben der anderen ihr Tatsachenmaterial mit; so hatte schon am 15. November der Schultheiß von Lausanne das Protokoll seiner Judenverhandlungen nach Bern geschickt, und auf Grund der hier gewonnenen
Ergebnisse und in Anlehnung an das hier beobachtete Verfahren ging man dann später auch in Basel und Straßburg gegen die Juden vor. Am 16. Januar 1349 verbrannte in Basel das aufgeregte Volk, über das der Rat alle Gewalt verloren hatte, die Juden auf einer kleinen Rheininsel in der Nähe der Stadt; nur die Kinder wurden dem allgemeinen Verderben entzogen, indem man sie den Eltern mit Gewalt entriß und sie wider deren Willen zu Christen machte.  Zugleich war von der Bürgerschaft dem Rate der Beschluß abgenötigt worden, in 200 Jahren keinem Juden mehr Einlaß in die Stadt zu gewähren.1)
    In Basel hatte schon seit der Mitte des XIII.  Jahrhunderts eine starke Judenkolonie bestanden; wahrscheinlich ist überhaupt Basel der Ort im deutschen Teil der heutigen Eidgenossenschaft, wo die Juden zuerst Aufnahme gefunden haben, denn schon im Jahre 1213 erfahren wir von einem in Basel wohnhaften Juden namens Meier, bei dem der Bischof Lüthold v. Aarburg seinerzeit seinen Siegelring und ein seidenes Gewand verpfändet hatte, die er jetzt mit sechs Mark wieder zurückkaufte.  Und zehn Jahre später (1223) hören wir sogar von dem durch Bischof Heinrich v. Thun bei den Juden versetzten Kirchenschatz.  E ine größere Ausdehnung hatte aber, wie gesagt, die Ansiedlüng bereits zu Ende des XIII.  Jahrhunderts gewonnen, indem im Jahre 1290 nicht weniger als 20 Häuser im Besitze von Juden gewesen sollen.2) Das Ghetto von Basel befand sich damals am
«Rindermerkt», also im Zentrum der Stadt, in allernächster Nähe des Kaufhauses, im heutigen Grünpfahlgäßlein, gegenüber und zu beiden Seiten der Synagoge an deren Stelle später das Haus und die Herberge «zur Judenschule » (Grünpfahlgäßlein 1) stand.  Der Judenkirchhof hatte sich bekanntlich auf dem Areal des jetzigen Werkhofes befunden.
    Im Januar 1349 war also, wie wir gesehen haben, diese ganze blühende Kolonie auf gräßliche Weise vernichtet worden; wie es damals schien, auf alle Zeiten hinaus.  Doch trotz des feierlichen Beschlusses, innerhalb 200 Jahren keine Juden mehr in die Stadt hinein zu lassen, finden wir doch schon 13 Jahre später wieder eine ganze Anzahl derselben in Basel niedergelassen.  Wie schon angedeutet worden ist, war der Rat zu jenem übereilten Beschlusse von den Bürgern mit Gewalt gezwungen worden; es war nicht dessen freier Entschluß gewesen, auch hat derselbe wohl schwerlich je an die Möglichkeit geglaubt, denselben auch wirklich durchführen zu können.  Er konnte eben die Juden, die Bankiers der damaligen Zeit, einfach nicht entbehren.  Weil die Christen dem kanonischen Gesetz zufolge kein Geld gegen Zinsen ausleihen durften, man es ohne das zinsbare Darlehen aber doch wieder nicht machen konnte, so überwies man eben diese Geschäfte den Juden; da man ihnen aber ferner alle anderen Erwerbszweige sukzessive verbot, so war schließlich der Wucher neben Ausübung der ärztlichen Kunst so ziemlich der einzige Beruf, der ihnen noch offen blieb.  Sie habe dann allerdings von ihrem Monopole oft genug recht unmäßigen Gebrauch gemacht, indem sie meist ganz enorme Zinsen verlangten, sodaß sich der Haß der Bürgerschaft gegen sie nur allzu leicht erklärt.  Aber sie wären und blieben trotz alledem unentbehrlich.  Andererseits brachten sie dem Staate nicht unbeträchtliche Einnahmen zu, da sie ein ziemlich hohes Schirmgeld zahlen mußten.
    Seit 1362 findet nun also wieder eine starke Juden Einwanderung in Basel statt, die sich gerade über zehn Jahre erstreckt.  Hauptsächlich eine Familie tritt von jetzt an dabei in den Vordergrund, diejenige des Juden Eberli aus Kolmar.  Die älteste über ihn noch erhaltene Notiz besagt, daß am Montag nach St. Bartholomeustag, d. h am 29. August, 1362 «,Eberli, der jude von Colmer, sin wip, kinde und gesinde » gegen Erlegung von 12 Gulden auf ein Jahr in der Stadt Schirm und Tröstung aufgenommen wurden; 1363 erneuerte er für sich und seine Familie sein Niederlassungs-
recht auf zwei weitere Jahre, wieder gegen Zahlung eines Schirmgeldes im Betrage von 12 Gulden per Jahr. 1365 wurden derselbe Eberli, sowie sein Sohn Mathis angenommen, beide nebst Weib und Kindern, diesmal für fünf Jahre, gegen Erlegung von jährlich 20 Gulden; im selben Jahre auch Eberlis Muhme Frau Sara, die Witwe von Kolmar, nebst ihrer ganzen Familie.  1368 wird sodann zunächst nur auf ein Jahr aufgenommen Eberlis Tochtermann Meyer nebst Weib und Kindern, endlich 1370 Aaron, Eberlis Stieftochtermann, ebenfalls mit Frau und Kind, auf fünf Jahre.3) 1370 wird der alte Eberli aus Kolmar zum letztenmale genannt, 1372 hören wir, nur noch von Eberlis Erben; er war also inzwischen gestorben.4) Um so mehr erfahren wir von seinem schon genannten Sohne Mathis und dessen Nachkommen, sowie weiteren Seitenverandten, die sich in der Folgezeit
in Basel niederließen und hier sehr rasch zu Reichtum und Macht und Ansehen gelangten.  Mathis,
Eberlis des Juden Sohn, ist nämlich, wie ich glaube für sicher nachweisen zu können, der Stammvater im XV. Jahrhundert in Basel eine gewisse Rolle spielenden Geschlechts der Eberler genannt Grünenzwig, deren Name bis in die 1440er Jahre hinein auch « Eberlin » geschrieben wird, 5) währenddem andererseits schon 1379 ein Heinrich « Eberler » aus Kolmar in den Basler Finanzakten genannt wird. 6) Wir werden an der - relativ kurzen, sich kaum über 150 Jahre erstreckenden - Geschichte dieses merkwürdigen Geschlechtes hauptsächlich zweierlei beobachten können, nämlich erstens wie enorm weitherzig das XIV. und dann namentlich das XV.  Jahrhundert noch waren, und in bezug auf Einbürgerung, Freizügigkeit und Gewerbefreiheit im Vergleich zu den nachfolgenden Jahrhunderten bis zur großen Revolution oder selbst bis zum Jahre 1848. Das
XIV. und XV.  Jahrhundert sind diejenigen Zeiten, in denen sich die Bürgerschaft relativ am raschesten und stärksten vermehrte, sei es durch Einkauf oder namentlich auch durch freiwillige Teilnahme an einem der vielen - meist gänzlich gefahrlosen Kriegszüge der Stadt.  In den nicht ganz 100 Jahren von 1366-1461 vermehrte sich die Bürgerschaft allein auf letzterem Wege um über 5000 Personen, natürlich Frauen und Kinder nicht miteingerechnet; 7) dabei betrug aber noch 1454 die Gesamtbevölkerung de Stadt, wie wir aus den noch vorhandenen Steuerlisten berechnen können, allerhöchstens 8000 Menschen. 8) Und diese neuen Bürger wurden dann nicht wie es später - namentlich im XVII. und XVIII. Jahrhundert - praktiziert wurde, in der ersten und womöglich noch in der zweiten und dritten Generation von den Ämtern ausgeschlossen; im Gegenteil: wenn wir die Ratslisten jener Jahrhunderte durchgehen so werden wir finden, daß zum großen Teil Vertreter jener neuen Geschlechter, und zwar zum gar nicht selten eben diejenigen Glieder derselben, die selbst
erst vor wenigen Jahren das Bürgerrecht erworben hatten, damals im Rate der Stadt saßen.  Und ebensowenig als man diesen Neubürgern die Staatsstellen verschloß, ebensowenig suchte man sie durch kleinliche Verordnungen in ihrem Gewerbe zu hindern und zu beeinträchtigen. Wohl bestanden schon damals ziemlich strenge Vorschriften über Zunftzwang und ähnliches; doch im Gegensatz zur späteren Zeit hatte :man nichts dagegen einzuwenden, wenn sich die betreffenden Kaufleute und Handwerker damit halfen, daß sie je nach Bedürfnis zwei oder mehr, ja selbst bis zu vier Zünften beitraten, wie wir dies gerade bei den Eberlern fast durchweg finden werden. Die natürliche Folge dieser langen Praxis war ein mächtiges Aufblühen von Handel und Industrie im damaligen Basel.
    Der zweite Punkt, auf den ich hier hinweisen möchte, ist der geradezu typische Entwicklungsgang, den das genannte Geschlecht in knapp 100 Jahren durchgemacht hat, und der überraschend demjenigen gleicht, den wir nicht selten auch heutzutage noch Familien zurücklegen sehen: Wie wir noch finden werden, ist der Ururgroßsohn des verachteten jüdischen Wucherers Eberli aus Kolmar der Junker Mathis Eberler, Herr zu Hiltelingen und Schwiegersohn des Junkers Diepold v. Geroldseck.
    Doch kehren wir wieder zu Mathis Eberlin zurück.  Wir lesen über ihn im Leistungsbuche zum Jahre 1377 9) folgendes: « Mathis, Eberlins des iuden sun, sol niemer in unser stat komen, darumb daz er an dem styllen fryetag in desselben sins vatters hus saß und da unser fröwen clag las zu einer versmecht und zu schanden Got und unser fröwen und ouch der cristenheit.  Und swur uff den mentag Quasimodogeniti etc.  LXXVII.» Es wird also Mathis, des Juden Eberlis Sohn, weil er am Karfreitag in seines Vaters Hause - und offenbar auch im Kreise anderer Juden - die christliche Liturgie lächerlich gemacht und verspottet hatte, auf ewige Zeiten aus der Stadt verwiesen.  Der Name Eberlin verschwindet damit zunächst wieder aus Basel.  Wohin sich Mathis gewandt hat, wissen wir nicht, doch lassen verschiedene Anzeichen darauf schließen, daß er sich nach Bern begeben hatte, woselbst nicht nur für 1382 ein Mathis Eberlin nebst seiner Ehefrau Hesther Mennlin sogar als Bürger der Stadt bezeugt ist, sondern wo wir auch noch im Jahre 1423 möglicherweise mit unserem einem «Äberlin Slosser», den wir Mathis identifizieren dürfen, begegnen.10) Denn wie wir noch sehen werden, trug Mathis Eberlin oder Eberler von Villingen, der sichere Ahnherr der Eberler genannt Grünenzweig, noch lange den Beinamen « Slosser ». Doch nicht von Bern, sondern von Villingen kam, wie schon bemerkt, im Jahre 1393 wieder ein Mathis Eberler nach Basel, der nach Jahre meiner Ansicht also der Sohn wäre jenes im Jahre 1377 wegen Blasphemie aus der Stadt verwiesenen Juden Mathis Eberlin.11)
   Aus der bloßen Namenidentität darf in unserem Falle freilich noch nicht auch auf Identität der Personen geschlossen werden, denn nicht nur ist Eberlin - neben Mennlin - der gebräuchlichste und verbreitetste Judenname der damaligen Zeit, wenigstens in der heutigen Schweiz und im Elsaß,12) sondern es kommt noch dazu, daß gerade der Vorname Mathis bei den verschiedensten Zweigen dieses weitausgebreiteten Geschlechtes gebräuchlich war.  Neben den Kolmarer Eberlin, von denen also die Basler und, wie ich glaube und im folgenden zu beweisen suchen werde, durch diese auch die Berner, Badener und Villinger Eberlin abstammen, sind als weiterer Hauptstamm zu nennen die Gebweiler Eberlin, von denen ein Zweig sich in Zürich niedergelassen hatte, der sich aber hier - vorausgesetzt daß Ulrich recht gelesen hat - nicht «Eberlin» , sondern «Eberhard» schrieb; Mathis der Sohn Eberhards von Gebweiler, ist hier für die Jahre 1377-1393 bezeugt.13) Daß der Name Mathis überhaupt ein beliebter Vorname bei den damaligen Juden war, ersehen wir daraus, daß wir z. B. 1365 in Basel auch einem Juden zu Schaff hausen Mathis von Sennheim, ferner ums Jahr 1400
einem solchen namens Mathias Wölflin, und noch 1457 in Freiburg einem genannt Mathias von Speier begegnen. 14) Wichtiger als diese Namensgleichheit sind nun aber folgende zwei Punkte: einmal die Tatsache, daß auch noch Mathis Eberler von Villingen, ja selbst noch seine Söhne Heinrich und Mathis verschiedene Häuser im Grünpfahlgäßlein besaßen, wenn auch die frühesten Nachrichten darüber nicht über das Jahr 1408 hinausgehen.  In diesem Jahre nämlich kauft « Mathis
Eberler von Villingen, der slosser» ein Haus und Hofstatt an der Gerbergasse und gelegen neben seinem eigenen Hause.  Laut den Angaben des historischen Grundbuchs handelt es sich um einen Teil von Gerbergasse 30, speziell um Ecke Grünpfahlgäßlein 1 und Gerbergasse 30, um dieselbe Liegenschaft, die schon 1395 als das « orthus (d. h. Eckhaus) genannt studershof » bezeichnet wird oder später (1442) «das hus und hofstatt genant studershof, gelegen an dem alten rindermerkt, an dem ort nebend der judenschul », welches Haus dann in dem genannten Jahre des Mathis Sohn, Heinrich Eberler genannt Grünenzweig, wieder verkaufte.  Das andere, neben dem Studershof gelegene Häuschen, in dessen Besitz Eberler also schon vor 1408 genannt wird, war wohl näher neben der Judenschule gelegen, denn schon 1409 wird Mathis als Besitzer eines Hauses neben der Judenschule genannt, währenddem ja, wie wir eben gesehen haben, der Teil der späteren Gesamtliegenschaft, den er erst 1408 dazu gekauft hatte, gegen die Gerbergasse zu gelegen war.  Weiter besaß Mathis Eberler schon 1404 das Haus «zum Ritter» (Gerbergasse 44) dessen Besitzer vor Eberler - soweit wir dieselben überhaupt kennen - sämtlich Juden gewesen sind; allerdings sind uns dieselben leider nur bis zum Jahre 1333 bekannt.15)
    Als zweiten Beweis für die Abstammung des Mathis Eberler von Villingen von Mathis Eberlin des Juden Sohn führe ich die Tatsache an, daß noch 1425 Mathis Eberlers gleichnamiger Sohn als «Vetter» - das heißt hier wohl Verwandter väterlicherseits - von Heinrich Werkmeister, dem Goldschmied, bezeichnet wird,16) der, wie wir aus anderer Quelle wissen, der Sohn ist des Werkmeisters und Zimmermanns Goetz Eberlin von Trier, der etwa auch einfach als «Trier, der
Jude » aufgeführt wird 17) Dieses Heinrich Werkmeister Bruder war dann vermutlich Meister Mathis Eberlin von Trier, der in den Jahren 1398 und 1412 erst als Advokat und später als Schreiber und Pedell des bischöflichen Hofes genannt wird.
    Am  16. November 1393 nun also hatte Mathis Eberler, der Slosser, durch seine Teilname an dem freilich unblutig verlaufenen Streifzuge der Basler, gegen Muttenz nebst noch 572 andern Männern unentgeltlich das hiesige Bürgerrecht erworben.  Die Veranlassung des von den Baslern unter so großer Machtentfaltung in Szene gesetzten Kriegszuges nach Muttenz war ein Überfall gewesen, den kurz vorher die Brüder Heinrich und Diethelm von Krenkingen gegen das seit einigen Jahren als Pfand der tiefverschuldeten Münche von Münchenstein im Besitze des Basler Ratsherrn Junker Henman Murnhart befindliche Dorf unternommen hatten.  Außer Mathis Eberler hatten bei demselben Anlasse noch drei Eberlin das Basler Bürgerrecht erworben, von denen aber nur einer ausdrücklich als Jude gekennzeichnet wird, nämlich «Swartz Eberlin », Jecklins von Thann Sohn; 19) die beiden anderen waren daher wohl gleich Mathis Eberler damals schon Christen.  Von jenen zwei anderen scheint wenigstens Henmann Eberlin, der Goldschmied - wie wir aus einer Notiz des Urteilbuches wissen, Bruder eines Bertschman, Bertschin oder Berchtold Eberlin, ebenfalls eines Goldschmiedes und aus Baden gebürtig, der schon 1391 durch Kauf das Basler Bürgerrecht erworben hatte - ein naher Verwandter unseres Mathis gewesen zu sein;20) er ist höchst wahrscheinlich identisch mit einem Johannes Eberlin, der später Priester wurde und Kaplan des St. Mathisaltares im Münster, und der gleichfalls als Bruder des vorhingenannt en Bertschman bezeichnet wird. 21) Gleichwie Mathis Eberler nach seinem ursprünglichen Berufe - oder wohl eher dem seines Vaters ? - in der ersten Zeit fast durchweg als «Mathis Slosser» bezeichnet wird, so findet sich auch der genannte Priester Johannes etwa als « Hans Slosser » aufgeführt. 22) Die weiteren Personen des Namens Eberlin, die in Basel etwa noch vorkommen, muß ich, da ich vorderhand keine direkten Beweise für ihre Zusammengehörigkeit zu der von mir hier behandelten Familie habe, einstweilen unberücksichtigt lassen.
    Kehren wir zu Mathis Eberler zurück.  Noch 1397 wird er im Urteilsbuche als «Mathis Eberler der slosser» bezeichnet; doch schon wenige Jahre später verläßt er die Schmiedenzunft, der er bisher angehört hatte, und tritt in die Schlüsselzunft über. Im Eintrittsbuch der Zunft lesen wir: «Meister Mathis Slosser empfing die zunft dinnstag noch St. Gallusdag (d. h. am 20. Oktober) 1404 jor und sol der zunft 35 fl. an dz gezelt und 4 fl. an die zunft und ein mal meisten sesschern oder 4 gulden vir dz mal.» 1412 sodann wird Meister Mathis Schlosser, der Watman Sechser und schon 1414 - vorderhand freilich nur für ein Jahr - Ratsherr der Zunft, die er dann von 1420-1425 als Meister und von 1426-1428 ein zweites Mal als Ratsherr im Rate vertritt; weiter war er von 1420-1428 als sogenannter Siebenerherr Mitglied des über der Stadt Umgeld, Schatz und Einkommen gesetzten Finanzkollegiums.  Von 1427 bis 1429 und wieder 1436 war er endlich auch Mitglied des Stadtgerichts.  Auch auf militärischem Gebiete zeichnete er sich aus: als am 11. Juli 1424 die Basler im Verein mit den elsässischen Reichsstädten auf das Hülfsgesuch hin der mit verbündeten Herzogin Katharina von Burgund gegen ihnen den in der Nähe von Altkirch stehenden und das dortige Gebiet verwüstenden Prinzen von Orange auszogen, da zog Mathis Eberler als Pannerherr mit ins Feld.23) Schon 1410 war er übrigens, anläßlich der damals eingeführten Neueinteilung der ganzen Stadt in vier Militärbezirke oder Quartiere, als «Offizier» dem zweiten Haufen zugeteilt worden, der sich aus der waffenfähigen Mannschaft des St. Leonhardkirchspiels zusammensetzte und der sich bei Alarm bei dem Richtbrunnen vor dem Gerberzunfthaus besammeln sollte um das Panner, das dazumal Oberstzunftmeister Henman Buchbart empfohlen war.24) Endlich mag noch beigefügt werden, daß er auch am 12.  Dezember 1428 während des abenteuerlichen, zwischen dem Spanier Johann von Merlo und Heinrich von Ramstein auf dem Münsterplatze unter großem Andrange der Bürgerschaft und des umliegenden Adels ausgefochtenen Zweikampfes das Stadtpanner hielt.
    Mathis Eberler, der, wie wir aus einer Notiz des Urteilbuches erfahren, am 6. Juni 1437 starb,26) war, mindestens 1404 verheiratet mit Anna, der Witwe des Henman Schlegel, genannt Grünenzweig von Ettingen, des Schlossers, 27) und wahrscheinlich Tochter des Schlossers Henman von Kilchen und dessen Ehefrau Katharina, die schon 1395 als Besitzer des Studershofes genannt werden, welche Liegenschaft dann, wie wir gesehen haben, Mathis Eberler im Jahre 1408 zu seinem eigenen an dieselbe stoßenden Hause noch hinzugekauft hat; noch 1448 ist sie am Leben.  Eberler verließ von ihr, so viel wir wissen, vier Kinder: zwei Söhne und zwei Töchter; von letzteren war die eine, Anna, die Ehefrau des reichen Henman von Tunsel, der von 1428-1433 Oberstzunftmeister war, die andere, Katharina, scheint unverheiratet geblieben zu sein und bei ihrer Schwester von Tunsel gewohnt zu haben.  Von den Söhnen wird der ältere, Mathis, 1421 zum ersten Male genannt und zwar im Steuerregister dieses Jahres, er muß daher damals schon verheiratet gewesen sein.28) Seine Ehefrau war Anna, die Tochter des Webers Hans Stör und einer Spitzenberg.  Gleich seinem Vater wird er als Watman bezeichnet, doch machte er seine Amterkarriere nicht gleich diesem im Schlüsscl, bei welcher Zunft er also noch im Steuerrodel von 1421i aufgeftihrt wird, sondern zu Weinleuten, woselbst er schon 1430 - also noch zu Lebzeiten seines Vaters - Meister und 1440 Ratsherr wurde, welche Stelle er bis zu seinem wohl noch im Jahre 1447 erfolgten Tode bekleidete. 29) Als Nachfolger seines Vaters war er dann auch von 1430-1447 Mitglied des wichtigen Siebener Kollegiums, endlich von 1441-1443 und wieder 1447 des Stadtgerichts.  Schon 1424 hatte er zusammen mit seinem jüngeren Bruder Heinrich an einem der Hussitenzüge teilgenommen, über den wir aber leider nichts näheres erfahren;30) 1445 sodann, im sogenannten St. Jakoberkriege, d. h. den kämpfen, die die Stadt sofort nach dem Frieden mit Frankreich gegen den umliegenden österreichisch gesinnten und landesverräterischen Adel führte, ergriff er ein zweites Mal die Waffen.  Das wichtigste Ereignis dieses Krieges war bekanntlich die am 14. September 1445 erfolgte Übergabe des Steins von Rheinfelden an die Basler und die mit den selben verbündeten Eidgenossen, die nun nach Abzug der österreichischen Besatzung aus der Festung eine neue aus ihren Truppen dareinlegten, zu deren Oberbefehlshaber oder Hauptmann eben unser Mathis Eberler ernannt wurde.31)
    Nach seinem an der Sporengasse gelegenen Hause «zum Gold» wird er meist als «Mathis zum Gold» bezeichnet.  Zugleich sind aber er und sein Bruder Heinrich auch die ersten Glieder der Familie, die den Beinamen «Grünenzwig» an den Namen des führen und zwar offenbar in Erinnerung
ersten Mannes ihrer Mutter, der Witwe, wie wir gesehen haben, von Henman Schlegel genannt Grünenzwig, der seinerseits wiederum den Beinamen wohl nach seinem Hause «zum grünen Zweig»  bekommen hatte; zwar läßt sich eine Liegenschaft mit diesem Namen nicht mehr nachweisen, doch ist es durchaus nicht unmöglich, daß das Häuschen neben dem Studershof, das Mathis Schlosser schon vor 1408 bewohnte und das er dann mit letzterer Liegenschaft zu einer Behausung vereinigte, diesen Namen geführt haben könnte.  Zum ersten Male begegnet uns der Beiname «Grünenzwig» für die Eberler im Jahre 1421; es muß demnach damals des oben genannten Henman Sohn, der 1412 uum letzten Male erwähnte Hans, Grünenzwig, der Schwertfeger - ein Stiefbruder also von Mathis und Heinrich Eberler - schon tot gewesen und ohne Hinterlassung von Kindern gestorben sein, ebenso dessen Schwester Greda, die Ehefrau des Schuhmachers Hans Göldi von Frick, mit dem sie schon 1404 verheiratet erscheint.  Es kommt noch dazu, daß Henman Grünenzwigs Witwe - «die alte Grünenzwigin», wie sie eben auch noch nach ihrer Wiederverehelichung mit Mathis Eberler weiter genannt wurde - auch ihre beiden Söhne zweiter Ehe überlebt hat.  Mathis Eberler zum Gold und sein Bruder Heinrich scheinen auch die ersten des Geschlechts gewesen zu sein, die das bekannte Wappen mit dem roten Eberkopf geführt haben.  Das Siegel ihres Vaters Mathis Schlosser ist uns nicht mehr erhalten, dasselbe muß aber noch Wurstisen vorgelegen haben, da derselbe in den Analekten als Wappen der Eberler zum Jahre 1436 einen von zwei Sternen begleiteten Hammer bezeichnet, und zwar beruft er sich dabei ausdrücklich auf ein Siegel, das demnach an einer seither verloren gegangenen Urkunde aus dem Jahre 1436 gehangen haben muß.32)
    Heinrich Eberler, des Mathis schon mehrfach genannter jüngerer Bruder, ein Weinmann und wohnhaft «zum Hasen Marktplatz», trat politisch gar nicht hervor, das einzige Amt, das er - und zwar nur von 1442-1443 - bekleidete, war dasjenige eines Mitgliedes des Stadtgerichts.  Er scheint daher in letzterem Jahre gestorben zu sein; 1448 jedenfalls ist er tot.  Wie noch mehr als 20 Jahre nach seinem Tode seine Schwester Anna, die Witwe Henmans von Tunsel, einer seiner Töchter berichtete, war ihr Vater, von jeher ein «wunderlich letz man» gewesen. Was die von Tunsel zu diesem harten Urteil über ihren längst verstorbenen Bruder veranlaßte, war eine merkwürdige Bestimmung, die er trotz allen Abratens von seiten seiner Verwandtschaft in den Ehekontrakt mit seiner zweiten Ehefrau Anna hatte aufnehmen lassen.  Diese, die Schwester des Junkers Peter zum Thor von Neuenburg am Rhein, und bedeutend jünger als ihr Mann, hatte er erst kurz vor seinem Tode - jedenfalls frühestens 1441 - geheiratet.  Von seiner ersten Ehefrau Elsa, - wohl einer gebornen Schlierbach und Schwester Heinrichs,33) -hatte er nämlich außer drei Töchtern - Margaretha, der Ehefrau Heinrich Sinners, Agnes, der Ehefrau Bartholome Studlins, und Magdalena, der Ehefrau des Ratsherrn Ulrich zum Luft - auch noch einen offenbar damals noch ganz jungen Sohn Mathis, den er nun seiner zweiten Ehefrau zur Morgengabe vermachte.  Als nun im Jahre 1468 Anna zum Thor, Heinrich Eberlers Witwe, starb, verlangte ihr Stiefsohn Mathis auf Grund ihres Ehekontraktes mit seinem Vater von ihrem sie überlebenden zweiten Ehemanne, dem Goldschmied und Ratsherrn Friedrich Tichtler, Herausgabe eines Erbes, oder genauer ausgedruckt: eines Kindteiles, was dieser aber rundweg verweigerte. Als nun darauf Mathis Eberler die Angelegenheit vor Gericht zog, ergaben die verschiedenen Kundschaften wohl einesteils die Richtigkeit von Mathis Eberlers Behauptung, daß er nämlich seinerzeit von seinem Vater seiner Stiefmutter sei zur Morgengabe gegeben worden, andererseits aber war augenscheinlich das Gericht nicht darüber im klaren, was darunter zu verstehen sei, d. h. welche rechtlichen Folgen diese Ubergabe nach sich gezogen habe.  Der Fall war eben für die Basler Gerichte ein ganz neuer, noch nicht dagewesenen.  Es verlohnt sich daher, die wichtigsten Zeugenaussagen im Wortlaute wiederzugeben.  Zunächst sagen die drei Schwestern des Klägers übereinstimmend aus, wie sie stets gehört hätten, daß ihr Bruder ihrer Stiefmutter zur Mörgengabe sei übergeben worden, ebenso auch eine alte Magd, die bei der Frau von Tunsel in Diensten stand.  Am ausführlichsten sprechen sich von den Schwestern Margaretha, die Ehefrau Heinrich Sinners, und Agnes, die Ehefrau Bartholome Studlins, aus.  Erstere erzählt unter anderem wie ihre Base, eben die von Tunsel, ihr einst auf ihre Frage, warum sie ihrem Bruder Mathis «lypdinge» kaufe, geantwortet habe: «Wann Mathias stirbt, so wird in syn stieffmuter erben ... din vatter was ein wunderlich letz man und wolt niemer volgen, und hat.  Mathisen, dinen bruder, siner stieffmuter zu morgengab geben. und ist sin erb, ob si in überlebt.» Eben diese letztere Eventualität, daß nämlich die junge Stiefmutter den ihr zur Morgengabe übergebenen Stiefsohn lange auf ihren Tod könnte warten lassen, ja ihn vielleicht sogar überleben könnte" war der Grund gewesen warum die von Tunsel bei Aufrichtung des Ehevertrags ihrem Bruder von dieser Ubergabe abgeraten hatte, und eben diese Befürchtung hatte sie auch dazu angetrieben, ihrem Neffen, der nun offenbar seine rechte Mutter nicht auch noch beerbt hatte, eine Leibrente auszusetzen, damit er doch wenigstens etwas erhalte.  Da.  Heinrich Eberler selbstverständlich seinem Sohne durch diese Übergabe einen Vorteil hatte verschaffen wollen, so müssen wirannehmen, daß seine zweite Ehefrau Anna zum Thor sehr vermöglich gewesen ist, jedenfalls vermöglicher als die erste, da diese Bestimmung ja sonst keinen Zweck gehabt hätte. Die andere Schwester berichtet, sie wisse zwar nichts näheres in der Sache, « wol habe sich gemacht das dieselbe ir stieffmuter alleweg me liebe zu Mathisen, irem bruder, dann zu ir hett; sprech sie einsmals. min muter, wie kompt das dir min bruder lieber ist dann ich und ander min geschwisterte?, antworte sy ir: da ist er min kint und mir von dinem vatter geben.Darnach sprech sy zu irer großrnutter, der alten Grünenzwigin: wie kompt, dz min vatter Mathisen miner stieffmuter geben hat, ich wolt wenen, er wer im das allerliebst so er sust dhein knaben hat,' sprech ir großmuter: Hy du böser vogel, du weist nit, was du seist; stirbt din stieffmuter, so würd er sy erben, darum ist dz gescheen».
    Nach Konstatierung des Tatbestandes handelte es sich nun für die Richter darum, auch noch die richtige Interpretation zu finden.  Zu diesem Zwecke mußten weitere Zeugenverhöre vorgenommen werden.  Man konnte jedoch nur zwei Personen ausfindig machen, die darüber aussagen konnten; die erste war der « ersam fürneme her Caspar von Regisheim, alter zunftmeister», der da erzählte, «daß er zu Ofen in Ungarn gewest, daselbst ein frow oder man ... dem andern ein kind ze morgengab geh mit den fürworten, wann es zum fellen kein (d. h. wenn der Fall einträte), daß dasselb kind mit den andern iren elichen kinden erben und zum erb gon solt.  Und als das zum fellen kein, da arbte dasselb kind mit den andern kinden und wurde im also vil ze teilung als der andern kinden einem.» Altoberstzunftmeister Kaspar von Regisheim hat also diesen sonst in Basel nicht bekannten Brauch der Einkindschaft, nach welcher ein zur Wiederverheiratung schreitender Ehegafte und dessen künftiger Ehegatte übereinkommen, die Kinder ihrer früheren Ehen die sogenannten Vorkinder - sowohl gegenüber ihren Stiefeltern, als auch gegenüber den zu erwartenden Kindern der neuen Ehe - den sogenannten Nachkindern - völlig gleichstellen zu wollen, als wären auch sie Kinder der neuen Ehe, seinerzeit in Ungarn kennen gelernt.  Doch auch in Basel selbst ist schließlich noch ein Präzedenzfall gefunden worden, der sich aber immerhin von dem in Frage stehenden Fall dadurch unterscheidet, daß dort nicht, wie es in diesem geschehen ist, bloß ein Kind der früheren Ehe den Nachkindern gleichgestellt worden ist, sondern - wenigstens theoretisch alle; in der Praxis kam es dann freilich- auf dasselbe hinaus, indem nur ein Kind vorhanden war.  Wir lesen nämlich weiter in den Kundschaften: «Item dessglichen hat geseit Burkhart Sifrit, knecht zum beren, wie er ein swöster hab, genannt Gredlin Schaffners, die einen eman gehept, genant Hüglin Wagner von Pfirt, der darnach abgangen und ein kindlein von ir beiden geborn verlassen; demnach neme dieselb sin swöster Heinrich Schaffnern an den Spalen zem steinin crutz, demselben sy das obgedacht kind ze morgenab geh und das (er) dafur uffnemme, und gewunn darnoch by demselben och fier oder funff kind.  Der darnoch abgieng - do erbte das obgedacht kind, so er ze morgengab empfangen hat, mit den andern kinden und wird im ze teilung als vil als der andern einem.» 34) Wie die Sache dann schließlich ausgegangen ist und wer Recht bekommen hat, wissen wir leider nicht; ich habe einen Urteilsspruch darüber nicht finden können.
    Der mehrfach genannte Mathis Eberler stets bezeichnet als «Mathis Eberler, der jung» zur Unterscheidung von seinem ungefähr gleichzeitigen, aber etwas älteren Vetter Mathis Eberler dem Altern, zubenannt «zum Agtstein» erscheint schon seit 1461 verheiratet mit Barbara v. Albeck,
einer zweifachen Witwe, nämlich einmal des 1454 verstorbenen bekannten Oberstzunftmeisters Andreas Ospernell 36) und zweitens eines zer Sunnen.37) Die Ehe war - wenigstens in späteren Jahren keine besonders glückliche; Barbara war sehr viel älter als ihr Mann, der sie jedenfalls noch recht jung geheiratet hatte: sie wird 1491 bei ihrem Tode ausdrücklich als «by sibenzig jaren alt» bezeichnet, währenddem er, da er erst 1461 - also im Jahre seiner Verheiratung zünftig wurde, damals etwa zwanzigjährig gewesen sein wird. 38) Die Ehe blieb kinderlos.  Frau Barbara setzte daher erstlich im Jahre 1475 ihren Neffen Peterhans Studlin zu ihrem Erben ein und als dieser schon I490 starb, noch kurz vor ihrem Tode den Kaspar Brand.  Doch über dieses zweite Testament sollte es zu einem langwierigen, über drei Jahre sich erstreckenden Prozeß zwischen genanntem Kaspar Brand und Mathis Eberler auf der einen und den Verwandten der verstorbenen Frau Barbara auf der andern Seite kommen.  Wir sind über diesen kurturhistorisch äußerst interessanten Prozeß, dessen Verbandlungen einen besonderen Band (O.5) des Gerichtsarchives füllen, bis in alle Details genau unterrichtet.  Als Vertreter der Gegenpartei trat Konrad Ulmer von Konstanz auf, sowohl in seinem eigenen Namen als auch in dem seiner Schwester Adelheid, der Ehefrau des Hans Selmatter, deren Mutter Geschwisterkind zu Frau Barbara selig gewesen war.  Eine Unmenge Zeugen werden auf Verlangen Ulmers verhört: nicht nur alle Freunde und Bekannten der Verstorbenen, sowie die jetzigen und früheren Nachbarn, sondern auch sämtliche Dienstboten, die je bei derselben gedient hatten, und alle Handwerker, die einmal ins Haus gekommen waren, werden vorgeladen um über das Verhältnis auszusagen, das ihren Beobachtungen nach zwischen den Ehegatten geherrscht habe.  Denn wie Ulmer von allem Anfang an behauptete und schließlich auch ziemlich wahrscheinlich gemacht hat, war Kaspar Brand ein bloßer Strohmann, hinter dem sich in Wirklichkeit Mathis Eberler verbarg.39) War nun aber das Verhältnis zwischen den Ehegatten wirklich ein solches gewesen, daß anzunehmen war, die Frau habe in ihrem Testament ihren Mann als Erben einsetzen wollen?  Dies war der zweite Punkt, den es für die Ulmerschen galt klarzulegen; sie glaubten die Frage mit nein beantworten zu können.  Festgestellt wurde zunächst nun freilich, daß die Frau oft und den verschiedensten Leuten gegenüber geklagt habe, Mathis halte sie unfreundlich zu Tisch und zu Bett, sei fast nie bei ihr in Basel, sondern wohne den größten Teil des Jahres in seinem Schlößchen zu Hiltelingen, woselbst er verschiedene Kinder außer der Ehe gezeugt habe; auch lasse er sie Mangel leiden, sodaß sie zu ihrer Notdurft ihre Kleider, Kleinodien, Ringe und Tüchlein verkaufen müsse.  Anderseits wurde dann aber auch wieder konstatiert, daß die Frau mit zunehmendem Alter eben recht wunderlich geworden sei, bald so und bald wieder anders geredet habe, auch sei sie sehr jähzornig gewesen und so habe es wohl kommen können, daß oft Zank und Streit zwischen ihr und Mathis, der eben auch sehr zornmütig war, entstanden sei, der aber nie lange angehalten habe.  Daß ihr Mathis nicht mehr Geld gegeben habe, habe darin seinen Grund gehabt, daß sie solches ganz sinnlos verschwendet habe.  Im ganzen und großen hätten sie zusammengelebt wie andere Eheleute auch, und wenn sie heute uneins gewesen seien, so seien sie morgen wieder in bestem Einvernehmen zueinander gestanden, sodaß man sich leicht, wie Bürgermeister Hans von Bärenfels aussagte, Undank statt Dank habe holen können, wenn man sich durch die Klagen der Frau dazu hatte verleiten lassen mit Mathis zu sprechen; auch stehe fest, daß Frau Barbara oft gesagt habe, sie gönne das Ihre niemandem mehr als ihrem Manne.  Das einzige, was von den gelegentlichen Klagen der Frau schließlieb wirklich bestehen blieb, war die Tatsache des etwas liederlichen Lebens, das Mathis in Hiltelingen führte.40)
    Da der Gegenpartei nach dieser Richtung bin der Beweis nicht gelungen war, so versuchten sie es nun auf andere Weise: Sie fochten das Testament jetzt an, weil die Frau bei Abfassting desselben nicht mehr im Vollbesitz ihrer geistigen Tätigkeiten, also nicht mehr testierfähig gewesen sei; ja sie gingen sogar noch weiter und behaupteten, das Testament sei überhaupt erst nach dem Tode von Frau Barbara errichtet worden. 41) Doch auch damit hatten sie keinen Erfolg.  Sie machten daher einen dritten Versuch und behaupteten nun, das Testament sei überhaupt gegen der Stadt Recht und Herkommen; wohl könnten sich in kinderloser Ehe lebende Ehegatten ihr fahrendes Gut je für ein Jahr gegenseitig vermachen und ihr liegendes Gut einander überhaupt widmen, ja sie dürften auch anderen Personen gegenüber so handeln, doch könnten sie niemals, solange "gesippte Erben" eines Ehegatten vorhanden seien, endgültig über das gesamte Vermögen verfügen.  In diesem Falle war es nun freilich vollkommen gleichgültig, ob das Testament zugunsten von Eberler oder zugunsten von Brand gemeint war, den gesippten Erben von Frau Barbara - d. h. in unserem Falle den Ulmerschen Geschwistern - gegenüber waren sie beide gleicherweise im Nachteil, und zwar war es wieder vollkommen gleichgültig, ob der Erblasser diese Verwandten anerkannte oder nicht, wie Frau Barbara getan hatte. 42)
    Am 25. Oktober 1492 entschied daher das Basler Stadtgericht dahin, daß Kaspar Brand kein Erbe der Frau Grünenzwigin sei und verurteilte ihn zu den Kosten und zu einer Vergütung an die Ulmerschen. Brand und mit ihm Eberler appellierten nun an den Kaiser, doch ohne Erfolg; obgleich der Prozeß durch diese Appellation noch zwei weitere Jahre hingeschleppt wurde, wurde dadurch an der ersten Entscheidung nichts geändert.  Durch kaiserliches Urteil vom 24. November 1494 wurde die Hinterlassenschaft der Frau Barbara, endgültig ihren Verwandten, den Ulmern, zugesprochen und Eberler dazu verurteilt, denselben das von ihm bisher mit Arrest belegte Vermögen seiner verstorbenen Frau auszuliefern .43)
    Mathis Eberler, der jedenfalls eine äußerst jähzornige wie übrigens auch die übrigen damals lebenden Glieder und der Familie, eine recht gewaltätige Natur war, wurde durch dieses Urteil doppelt schwer getroffen.  Schon während derVerhandlungen in Basel hatte er sich einmal durch eine ihm mißfällige Zeugenaussage dazu hinreißen lassen, einen armen Weberknecht, namens Andreas Koler, dazu zu dingen, daß er jenem Zeugen - leider wird uns sein Name verschwiegen - einen Arm oder Schenkel abhaue.  Doch das Gericht verstand keinen Spaß: Eberler wurde ergriffen und erst gegen Urfehde und Hinterlegung einer Kaution von 500 Gulden wieder freigelassen.  Doch durfte er die Stadt nicht verlassen, und erst als sich sieben angesehene Männer darunter die Ratsherren Mathis Iselin, Hans Bär, Thomas Zscheggenbürlin, Hans Oberriet, sowie der Ratschreiber Klaus Meyer 44) für ihn verbürgt hatten, wurde ihm gestattet, sich für höchstens zwei bis drei Tage aus der Stadt zu entfernen; auch mußte er von seiner Ratsstelle resignieren. 45)
    Verhältnismäßig erst recht spät finden wir Mathis Eberler in Ämtern: 1480 wurde er Sechser, 1484 Meister und 1492 Ratsherr zum Schlüssel; außerdem ist er für 1488 als Statthalter des damals von der Stadt abwesenden Oberstzunftmeisters Junker Thomas Sürlin bezeugt. 46)
    Wir haben gesehen, wie er noch im Jahre 1461 nach seinem väterlichen Hause als "Mathis Eberler zum Hasen" bezeichnet wurde.  Wie lange er noch in demselben geblieben ist,. wissen wir nicht, jedenfalls begegnet er uns schon 1468 als im Kleinbasel wohnhaft und zwar im Hause «zum Igel», 47)
und noch in, Steuerregister von 1475 wird er unter den Kleinbaslern aufgezählt ; 48) 1477 jedoch erwarb er den Engelhof auf dem Nadelberg, nach welchem er fortan als «Mathis Eberler zum Engel» bezeichnet wird. Er hatte den Hof, wie wir aus den Kundschaften im Prozeß Brand-Ulmer erfahren, durch Ruman Faesch, den bekannten Erbauer des Thanner Münsterturmes, umbauen lassen.  Eine Idee von detreichen inneren Ausstattung des Gesesses zur Zeit Eberlers erhalten wir nicht nur aus den spärlichen, noch jetzt an Ort und Stelle befindlichen Resten aus jenen Tagen - als deren wichtigster die gothische Vertäfelung des mit Unrecht sogenannten Condézimmers gelten kann 49) -
sondern namentlich auch aus verschiedenen, jetzt im historischen Museum aufbewahrten Stücken derselben, unter denen hauptsächlich zwei zu nennen sind, nämlich der mit dem Eberler Wappen geschmückte Gobelin, der von Rankenwerk umgeben die Gestalten des Judas Makkabäus, König Artus, Karls des Großen und Gottfrieds von Bouillon zeigt, und dann zweitens der mit den Wappen Eberler und von Albeck geschmückte, äußerst zierlich geschnitzte Getäferabschluß.  Außer dem Engelhof besaß er dann noch seit 1488 das später durch die Froben und Episcopius berühmt gewordene Haus «zum Sessel» am Totengäßlein.50) Daß er ferner auch das Weiherschlößchen Hiltelingen besaß, ist schon früher gesagt worden.51) Aus allem dem ergibt sich, daß Mathis Eberler nicht nur ein sehr reicher, sondern offenbar auch ein recht prachtliebender Herr gewesen sein muß, eine Wahrnehmung, die wir auch sonst noch bestätigt finden, so hauptsächlich auch durch die Errichtung einer besonderen Grabkappelle für sein Geschlecht in der St. Peterskirche, die noch jetzt - aber leider durch die in derselben angebrachte Heizungsanlage arg verunstaltet - dort zu sehen ist. 52) Im Jahre 1462 finden wir ihn neben seinem Stiefvater Friedrich Tichtler unter den Hauptgläubigern des Bischofs Johann von Vennigen genannt, dem er damals in zwei Raten 1400 Gulden vorstreckte, wofür die Städte Delsberg und Laufen ihm Bürgschaft leisten mußten 53); 1472 kam dann noch St. Ursanne dazu.54) Mathis Eberler zum Engel ist auch der einzige des Geschlechts, der nachweisbar den Junkertitel geführt hat.55) In der Jahrzeit, die er im Jahre 149I "zumb syner, ouch wilent der ersamen frow Barbaren, siner gemahel, siner vatter und muter, frow Lena zum Lufft, siner schwester, Petterhansen Studelins, sines vettern, und aller siner und dero vorderen seligen seelenheil willen" stiftet, wird er ausdrücklich als "domicellus" bezeichnet auch in dem uns von Prof.  Heinrich Pantaleon überlieferten versus memorialis: «Mürli, Sürli, Tschekenpürli, Ofentürli, Grieben und Schweinefleisch, ist der beste Adel, den ich in Basel weiß», werden die Eberler ausdrücklich unter der, auf ihr Wappen anspielenden Bezeichnung «Schweinefleisch» als zum Patriziat gehörig aufgezählt.57) Wir ersehen daraus jedenfalls soviel, daß Mathis Eberler bei den Achtbürgern Stubenrecht besessen hat, wenn er faktisch auch niemals die hohe Stube im Rat der Stadt vertreten hat.  Wir können dies bekanntlich noch bei verschiedenen anderen Geschlechtern der damaligen Zeit beobachten, so bei den zum Luft, Halbisen, Wiler, Meyer zum Pfeil und anderen.
    Mathis Eberler starb im Jahre 1502, 58) nachdem er noch vor 1501 eine zweite Ehe eingegangen war mit Margaretha, der Tochter Diepolds v. Geroldseck.59) Auch diese zweite Ehe war kinderlos und Mathis Eberler hinterließ nur fünf Bastarde - vier Söhne und eine Tochter, 60) zu deren Vormund er noch zu seinen Lebzeiten den Schultheiß von Solothurn, Daniel Babenberg, eingesetzt hatte. Dieser verkaufte namens seiner Vogtskinder den Engelhof im Jahre 15o6 und nahm die Knaben mit nach Solothurn, woselbst sie spät er zu Erbbürgern aufgenommen wurden; auch Eberlers Witwe hatte sich dorthin begeben.  Von Solothurn aus führten sie dann noch einen langen Prozeß mit den Erben des Thomas Zscheggenbürlin, dem Mathis Eberler noch kurz vor dessen ebenfalls im Jahre 1502 erfolgten Tode ein nicht unbedeutendes Darlehen will gern cht haben, von dem aber die Erben nichts zu wissen behaupteten.61) Der älteste der Bastarde des Mathis Eberler, gleichen Namens wie der Vater, begegnet uns 1517 wieder als bischöflicher Vogt zu Binzen. 62) Damit aber verschwindet für uns diese Linie des Geschlechts vollständig.
    Wir wenden uns nun zu seinen Vettern, den Söhnen des früher behandelten Ratsherrn Mathis Eberler zum Gold.  Es hatte dieser von seiner Ehefrau Anna Stör, so viel, wie wir wissen, drei Söhne hinterlassen: Hans, Mathis und Leonhard, alle drei des Rats.  Daß Hans der älteste der Söhne gewesen ist, ersehen wir daraus, daß, als im Jahre 1428 sein Vater in die Hausgenossenzunft aufgenommen wurde, der Zunft Schreiber beifügte, der Petent habe einen Sohn namens Hans, der aber nicht zünftig sei; da nur Hans hier genannt ist, waren die übrigen Söhne also damals noch nicht geboren.63) Er trat auch später nicht in die Hausgenossenzunft ein, sondern (1449) in diejenige zu Weinleuten; von 1473 bis 1474 war er hier ein erstes Mal Meister, von 1475-1477 Ratsherr und von 1477-1478 ein zweites Mal Meister.  1475 zog er als einer der beiden Hauptleute mit vor Blamont.64) Ob er sich auch noch weiter in den Burgunderkriegen ausgezeichnet hat, wissen wir nicht.
    Es mag auffallen, wie spät erst Hans Eberler zu Amt und Würden gekommen ist.  Der Grund ist wohl einfach der, daß er eben bis dahin von Basel abwesend gewesen und sich zu Neuenburg am Rhein aufgehalten hatte; wenigstens wird er gelegentlich als "Hans zum Gold von Nüwenburg", bezeichnet 65) auch ist er, wie wir noch sehen werden, in seinen alten Tagen wieder dorthin zurückgekehrt. 66) Gleich seinen beiden Brüdern war auch er im Jahre 1474 mit in den Prozeß der Wechsler und Münzmeiser verwickelt worden; zwar hatte die Sache für ihn damals keine schlimmen Folgen gehabt, indem er sich von allem auf ihm ruhenden Verdacht hatte reinigen können.  Er blieb daher auch weiterhin in Amt und Würden.67) Doch brach ihm dann im Jahre 1478 eine andere Geschichte den Hals: seine Teilnahme am sogenannten Bisingerhandel, den wir aber hier, da er schon von Wilhelm Vischer in den Beiträgen zur vaterländischen Geschichte ausführlich behandelt worden ist, 68) nicht nochmals erzählen wollen; nur von dem Ausgang der Sache mag hier noch kurz die Rede sein.  Eberler hatte sich bekanntlich, nach dem Ende August (1478) der Rat die Wache vom deutschen Haus, woselbst er und sein Komplize Klaus Meyer ein Asyl gefunden hatten, wieder zurückgezogen hatte, nach Zürich begeben, wo er eine Tochter verheiratet hatte, und war hier
auch Bürger geworden.  Die Stadt nahm sich ihres neuen Bürgers sofort sehr energisch an und verlangte sogar vom Basler Rat - wie übrigens auch Solothurn im Namen des dorthin geflohenen Meyers - derselbe solle seinem Schützling nicht nur seine Familie nachschicken, sondern ihm auch unverzüglich sein immer noch mit Arrest belegtes Eigentum ausfolgen lassen, ein Begehren, auf das der Rat selbstverständlich nicht eingehen konnte.  Während nun aber schon im Mai 1479 mit Meyer eine vollständige Aussöhnung erfolgte, zog sich der Streit mit Eberler noch über 1 1/2 Jahre hin.  Erst im Januar I481 kam eine Verständigung zwischen ihm und der Stadt zustande und zwar durch Vermittlung des Grafen Wilhelm v. Rappoltstein, der schon früher in derselben Angelegenheit zwischen Basel und dem deutschen Orden vermittelt hatte.  Es ist auffallend, wie gut Eberler dabei wegkommt: nicht nur folgen ihm die Basler nach Aufhebung des seinerzeit am 1. August 1478 gegen ihn ergangenen Urteils, nach welchem er Leibes und Gutes verlustig erklärt worden war, all sein von ihnen mit Arrest belegtes Gut wieder aus, sondern sie zahlen ihm noch obendrein 50 Gulden für an seinem Hausrat geschehenen Schaden; auch wollen sie ihm, falls er vorhabe, mit seiner Habe von Basel wegzuziehen, ohne alle Beschwerung mit Steuern, Nachsteuern oder Zöllen ungehindert ziehen lassen.  Daß die Stadt Eberler gegenüber so nachgiebig gewesen ist, mag zuerst befremden; vielleicht daß die Rücksicht auf anderweitige, wichtigere Geschäfte - ich erinnere namentlich an die gerade damals wieder mit erneuter Gewalt und Heftigkeit ausgebrochenen Kämpfe mit dem Bischof - eine solche Behandlung der Angelegenheit wünschbar machten.  Dazu kam noch, daß die Reklamationen seitens der in Feindschaft von der Heimat gewichenen Bürger in der damaligen Zeit des Faustrechtes jeweilen zu den allerunangenehmsten Dingen für die Städte gehörten, 69) und es ist gewiß auch anderswo mehr als einmal vorgekommen, daß bei derartigen Händeln die Aussicht auf eine rasche Erledigung alle andern Rücksichten zurückgedrängt hat.  Es ist daher nur zu begreiflich, daß der Rat sich auch bei dieser Gelegenheit eines unbequemen Ruhestörers gerne für immer entledigt hat; gerade mit den Eberlern, die, wie schon früher betont worden ist, ein besonders unruhiges und streitsüchtiges Geschlecht gewesen sind, hatte der Rat bisher in dieser Hinsieht nicht gerade die besten Erfahrungen gemacht.70)
    Über des Hans Eberler Familie wissen wir gar nichts; kennen weder den Namen seiner Frau, noch diejenigen wir seiner Kinder.  Daß er eine Tochter hatte, die in Zürich verheiratet war, ist schon früher erwähnt worden.  Nun werden zwar gerade zu Ende des 15. und zu Anfang des 16. Jahrhunderts verschiedene Eberler, resp. Grünenzwig, genannt, deren Eltern wir nicht kennen,; doch können dieselben ebensogut Kinder von Hansens Bruder Leonhard gewesen sein.71) 15o1 wird Hans Eberler zum letztenmale genannt und zwar wieder zu Neuenburg.
    Des Hans Bruder Mathis, zubenannt "zum Agtstein", war seines Berufs ein Wechsler und seit 1454 Mitglied des Stadtgerichts, ferner von 146o-1471 Meister, von da an bis 1474 Ratsherr zu Hausgenossen, welche Zunft er zwar erst 1454 erworben hatte, nachdem er schon 1450 die väterliche Zunft zu Weinleuten erneuert hatte; daneben war er zusammen mit Balthasar Hützschy, Verwalter des Stadtwechsels.  Als zu Ende des Jahres 1474 die umfangreichen Münzbetrügereien an den Tag kamen, deren sich, unter stillschweigendem Geschehenlassen von seiten ihrer Kollegen, der Münzmeister Gsell und der Wardiner Hützschy schuldig gemacht hatten, da mußte auch Mathis Eberler nebst der ganzen übrigen in die Angelegenheit verwickelten Gesellschaft - nebenbei gesagt die reichsten und vornehmsten Herren der Stadt und an deren Spitze sogar der damalige Oberstzunftmeister Hans Zscheggenbürlin! - schwören, die Stadt nicht zu verlassen, bevor er nicht vor Rat sich zur Verantwortung gestellt habe.72) Trotzdem verschwand er Anfang Januar 1475 heimlich aus der Stadt und begab sich erst nach Freiburg im Breisgau,73) dann nach Zürich und von dort dann endlich nach Baden.  Hier wurde er auch, nachdem er sich zuvor noch seiner Verpflichtungen Basel gegenüber durch Bezahlung einer Enschädigungssumme im Betrag von 5000 Gulden entledigt hatte, zum Bürger angenommen.  In Baden kaufte er dann im Sommer 1476 von Conrad am Stad um die kolossale Summe von 5150 Gulden dessen Hof in den Bädern, den noch heutzutage nach seinem einstigen Besitzer sogenannten Stadhof. 74) Von seiner ersten Ehefrau Anna, der Tochter des bekannten Glockengießers Hans Peiger oder Peyer, hinterließ er, so viel wir wissen, zwei Kinder: einen Sohn und eine Tochter.  Ersterer, Niclaus Grünenzwig, 75) zog mit dem Vater nach Baden, woselbst er seit 1492 als Richter, seit 1497 auch als Ratsherr und endlich von 1501 bis 1504 als Schultheiß erscheint.76) Er starb zu Baden als der letzte des Geschlechts, von dem wir Kunde haben, am 15. September 1531.77) Er war verheiratet gewesen mit einer Engelhardt.78) Zusammen mit dieser seiner Ehefrau hatte Niclaus Grünenzwig im Jahre 1516 in die Klosterkirche zu Wettingen einen großen geschnitzten Altar gestiftet, der 1843 bei der Säkularisierung des Klosters von Antiquar von Speyr in Basel erworben und von diesem dann zu Anfang der 1860er Jahre ins Ausland verkauft wurde.79) Auf den Außenseiten des Mittelstückes der beiden Flügel waren, links und rechts vom heiligen Michael, die Stifter mit ihren Wappenschilden abgebildet: Niclaus Grünenzwig zu den Füßen des heiligen Christophorus kniend, seine Frau zu denen des heiligen Hieronymus.80)
    Des Niclaus Schwester Anna war seit mindestens 1484 die Ehefrau des Ratsherrn Hans Bär.81) Ihr Vater hatte sich nach dem Tode seiner ersten Ehefrau Anna Peiger im Jahre 1478 wieder verheiratet mit Walpurg Hummelberg aus Ravensburg, von der er auch noch einen Sohn namens Michael bekam, von dem wir aber weiter nichts wissen, als daß er 1482 beim Tode seines Vaters noch am Leben war.82) Des Mathis jüngster Bruder, Leonhard Eberler, ebenfalls wie sein Vater und sein Bruder Hans zubenannt «zum Gold», mit dem wir uns zum Schluß noch zu befassen haben, war ein Weinmann.  1450 trat er in die Weinleutenzunft ein; doch erneuerte er daneben auch - zwar erst 1466, unter dem Meistertum seines Bruders Mathis - die väterliche Zunft zu Hausgenossen.  Von 1463-1471 gehörte er als Meister zu Weinleuten dem Rat an, gleichzeitig mit seinem Bruder Mathis; 1473 resignierte er von seiner Ratsstelle, um dieselbe dem ältesten Bruder, Hans, zu überlassen.83) Auch Lienhard war gleich seinen beiden Brüdern in den Münzhandel von 1474 und 1475 mitverwickelt und hat wohl infolge davon sein Bürgerrecht aufgegeben und die Stadt verlassen; wohin er sich gewendet hat, erfahren wir freilich nicht, doch treffen wir ihn 1482, zugleich mit seinem Bruder Hans, in Baden als Zeugen bei dem Teilungsvertrag zwischen der Witwe und den Kindern erster Ehe seines kurz vorher verstorbenen Bruders Mathis; 84) es ist dies das letztemal, daß er genannt wird.  Auch über seine Familienverhältnisse wissen wir gar nichts, doch steht fest, daß er verheiratet gewesen ist und daß seine Frau 1467 noch am Leben war.  Im Herbst jenes Jahres nämlich war Lienhard Eberler mit seiner Frau nach Reichenweier gefahren, um Wein einzukaufen, den er dann weiter «nach Swaben oder Brabant » führen wollte; er hatte zu diesem Behufe bei einem Basler Faßbauer zwanzig gute Fässer bestellt gehabt, die sich dann aber doch für die weite Reise als zu schwach erwiesen, so daß der größte Teil des Weines verloren ging, wodurch er in schweren Schaden kam.  Er klagte nun vor Gericht gegen den Handwerker, der ihm die Fässer geliefert hatte, auf Schadenersatz, doch wurde er mit seiner Klage abgewiesen.85) Seitdem lebte er, wie übrigens aus ähnlichen Ursachen auch sein Bruder Hans mit dem Rate mehr oder weniger auf dem Kriegsfuße.86)
    Es ist bezeichnend für den raschen Niedergang des Geschlechtes in der zweiten Hälfte des 15.  Jahrhunderts, daß man in jenen Jahren seine Glieder sozusagen nur noch in den Gerichtsakten erwähnt findet; eine maßlose Heftigkeit und Starrköpfigkeit, verbunden zum Teil mit einem gewissen
junkerlichen Ubermut - welch letzteren wir vielleicht am stärksten bei Hans Eberler ausgeprägt finden 87) - hat es dazu gebracht, daß im Verlauf von nur wenigen Jahren die Familie spurlos wieder aus Basel verschwand.  Und doch sind andererseits die letzten Repräsentanten des Geschlechts
jedenfalls durchaus keine unbedeutenden Männer gewesen - bloß nur Raufbolde - sonst hätten sie doch wohl nicht alle ohne Ausnahme noch im Rate der Stadt gesessen.  In seinem allerletzten Vertreter dann freilich, der zwar ja nicht mehr in Basel weilte, sehen wir die Familie nochmals eine Höhe erklimmen, die nach den letzten unruhigen Zeiten in ihrer stillen Ruhe um so imponierender wirkt; sie bilden doch für uns einen ganz besonders versöhnlichen Abschluß der Eberler'schen Familiengeschichte, die Worte des Badener Landvogtes an den Rat von Zürich: daß da soeben der greise Altschultheiß Grünenzwig gestorben sei, man trotz der Wichtigkeit und Dringlichkeit der Geschäfte den Großen Rat jetzt nicht einberufen könne.88)

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