aus : August Burckhardt, In : Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, IV. Band, 1905
Es ist bekannt, wie das Auftreten und die erschreckend
rasche Verbreitung durch fast ganz Europa des sogenannten schwarzen Todes
d. h. der Pest in den Jahren 1348 und 1349 überall die schrecklichsten
Judenverfolgungen gezeitigt hat. Man bezichtigte eben die Juden,
gegen die beim, Volke ihrer Wuchergeschäfte wegen sich schon seit
langem viel Haß angesammelt hatte, durch Vergiftung der Brunnen die
furchtbare Epidemie, der man geradezu wehrlos gegenüberstand, erzeugt
zu haben. In Spanien war die Seuche zuerst aufgetreten und hatte
dann von hier aus ihren Weg über Südfrankreich auch nach der
Schweiz - zunächst nach Genf - genommen; hier hören wir daher
auch zuerst von Judenverfolgungen: am 15. September 1348 beginnen in Chillon
die Verhöre von gefangenen Juden und dauern bis zum 11. Oktober.
Die Ausgangspunkte der Bewegung in der deutschen Schweiz aber waren die
Städte Bern und Zofingen, von wo aus sie sich noch im November und
Dezember auch den meisten übrigen Orten mitteilte. Wie die Anklagen
überall dieselben waren, so war auch das Verfahren fast überall
dasselbe, eine Stadt teilte eben der anderen ihr Tatsachenmaterial mit;
so hatte schon am 15. November der Schultheiß von Lausanne das Protokoll
seiner Judenverhandlungen nach Bern geschickt, und auf Grund der hier gewonnenen
Ergebnisse und in Anlehnung an das hier beobachtete Verfahren ging
man dann später auch in Basel und Straßburg gegen die Juden
vor. Am 16. Januar 1349 verbrannte in Basel das aufgeregte Volk, über
das der Rat alle Gewalt verloren hatte, die Juden auf einer kleinen Rheininsel
in der Nähe der Stadt; nur die Kinder wurden dem allgemeinen Verderben
entzogen, indem man sie den Eltern mit Gewalt entriß und sie wider
deren Willen zu Christen machte. Zugleich war von der Bürgerschaft
dem Rate der Beschluß abgenötigt worden, in 200 Jahren keinem
Juden mehr Einlaß in die Stadt zu gewähren.1)
In Basel hatte schon seit der Mitte des XIII.
Jahrhunderts eine starke Judenkolonie bestanden; wahrscheinlich ist überhaupt
Basel der Ort im deutschen Teil der heutigen Eidgenossenschaft, wo die
Juden zuerst Aufnahme gefunden haben, denn schon im Jahre 1213 erfahren
wir von einem in Basel wohnhaften Juden namens Meier, bei dem der Bischof
Lüthold v. Aarburg seinerzeit seinen Siegelring und ein seidenes Gewand
verpfändet hatte, die er jetzt mit sechs Mark wieder zurückkaufte.
Und zehn Jahre später (1223) hören wir sogar von dem durch Bischof
Heinrich v. Thun bei den Juden versetzten Kirchenschatz. E ine größere
Ausdehnung hatte aber, wie gesagt, die Ansiedlüng bereits zu Ende
des XIII. Jahrhunderts gewonnen, indem im Jahre 1290 nicht weniger
als 20 Häuser im Besitze von Juden gewesen sollen.2)
Das Ghetto von Basel befand sich damals am
«Rindermerkt», also im Zentrum der Stadt, in allernächster
Nähe des Kaufhauses, im heutigen Grünpfahlgäßlein,
gegenüber und zu beiden Seiten der Synagoge an deren Stelle später
das Haus und die Herberge «zur Judenschule » (Grünpfahlgäßlein
1) stand. Der Judenkirchhof hatte sich bekanntlich auf dem Areal
des jetzigen Werkhofes befunden.
Im Januar 1349 war also, wie wir gesehen haben,
diese ganze blühende Kolonie auf gräßliche Weise vernichtet
worden; wie es damals schien, auf alle Zeiten hinaus. Doch trotz
des feierlichen Beschlusses, innerhalb 200 Jahren keine Juden mehr in die
Stadt hinein zu lassen, finden wir doch schon 13 Jahre später wieder
eine ganze Anzahl derselben in Basel niedergelassen. Wie schon angedeutet
worden ist, war der Rat zu jenem übereilten Beschlusse von den Bürgern
mit Gewalt gezwungen worden; es war nicht dessen freier Entschluß
gewesen, auch hat derselbe wohl schwerlich je an die Möglichkeit geglaubt,
denselben auch wirklich durchführen zu können. Er konnte
eben die Juden, die Bankiers der damaligen Zeit, einfach nicht entbehren.
Weil die Christen dem kanonischen Gesetz zufolge kein Geld gegen Zinsen
ausleihen durften, man es ohne das zinsbare Darlehen aber doch wieder nicht
machen konnte, so überwies man eben diese Geschäfte den Juden;
da man ihnen aber ferner alle anderen Erwerbszweige sukzessive verbot,
so war schließlich der Wucher neben Ausübung der ärztlichen
Kunst so ziemlich der einzige Beruf, der ihnen noch offen blieb.
Sie habe dann allerdings von ihrem Monopole oft genug recht unmäßigen
Gebrauch gemacht, indem sie meist ganz enorme Zinsen verlangten, sodaß
sich der Haß der Bürgerschaft gegen sie nur allzu leicht erklärt.
Aber sie wären und blieben trotz alledem unentbehrlich. Andererseits
brachten sie dem Staate nicht unbeträchtliche Einnahmen zu, da sie
ein ziemlich hohes Schirmgeld zahlen mußten.
Seit 1362 findet nun also wieder eine starke Juden
Einwanderung in Basel statt, die sich gerade über zehn Jahre erstreckt.
Hauptsächlich eine Familie tritt von jetzt an dabei in den Vordergrund,
diejenige des Juden Eberli aus Kolmar. Die älteste über
ihn noch erhaltene Notiz besagt, daß am Montag nach St. Bartholomeustag,
d. h am 29. August, 1362 «,Eberli, der jude von Colmer, sin wip,
kinde und gesinde » gegen Erlegung von 12 Gulden auf ein Jahr in
der Stadt Schirm und Tröstung aufgenommen wurden; 1363 erneuerte er
für sich und seine Familie sein Niederlassungs-
recht auf zwei weitere Jahre, wieder gegen Zahlung eines Schirmgeldes
im Betrage von 12 Gulden per Jahr. 1365 wurden derselbe Eberli, sowie sein
Sohn Mathis angenommen, beide nebst Weib und Kindern, diesmal für
fünf Jahre, gegen Erlegung von jährlich 20 Gulden; im selben
Jahre auch Eberlis Muhme Frau Sara, die Witwe von Kolmar, nebst ihrer ganzen
Familie. 1368 wird sodann zunächst nur auf ein Jahr aufgenommen
Eberlis Tochtermann Meyer nebst Weib und Kindern, endlich 1370 Aaron, Eberlis
Stieftochtermann, ebenfalls mit Frau und Kind, auf fünf Jahre.3)
1370 wird der alte Eberli aus Kolmar zum letztenmale genannt, 1372 hören
wir, nur noch von Eberlis Erben; er war also inzwischen gestorben.4)
Um so mehr erfahren wir von seinem schon genannten Sohne Mathis und dessen
Nachkommen, sowie weiteren Seitenverandten, die sich in der Folgezeit
in Basel niederließen und hier sehr rasch zu Reichtum und Macht
und Ansehen gelangten. Mathis,
Eberlis des Juden Sohn, ist nämlich, wie ich glaube für sicher
nachweisen zu können, der Stammvater im XV. Jahrhundert in Basel eine
gewisse Rolle spielenden Geschlechts der Eberler genannt Grünenzwig,
deren Name bis in die 1440er Jahre hinein auch « Eberlin »
geschrieben wird, 5) währenddem andererseits
schon 1379 ein Heinrich « Eberler » aus Kolmar in den Basler
Finanzakten genannt wird. 6) Wir werden
an der - relativ kurzen, sich kaum über 150 Jahre erstreckenden -
Geschichte dieses merkwürdigen Geschlechtes hauptsächlich zweierlei
beobachten können, nämlich erstens wie enorm weitherzig das XIV.
und dann namentlich das XV. Jahrhundert noch waren, und in bezug
auf Einbürgerung, Freizügigkeit und Gewerbefreiheit im Vergleich
zu den nachfolgenden Jahrhunderten bis zur großen Revolution oder
selbst bis zum Jahre 1848. Das
XIV. und XV. Jahrhundert sind diejenigen Zeiten, in denen sich
die Bürgerschaft relativ am raschesten und stärksten vermehrte,
sei es durch Einkauf oder namentlich auch durch freiwillige Teilnahme an
einem der vielen - meist gänzlich gefahrlosen Kriegszüge der
Stadt. In den nicht ganz 100 Jahren von 1366-1461 vermehrte sich
die Bürgerschaft allein auf letzterem Wege um über 5000 Personen,
natürlich Frauen und Kinder nicht miteingerechnet; 7)
dabei betrug aber noch 1454 die Gesamtbevölkerung de Stadt, wie wir
aus den noch vorhandenen Steuerlisten berechnen können, allerhöchstens
8000 Menschen. 8) Und diese neuen Bürger
wurden dann nicht wie es später - namentlich im XVII. und XVIII. Jahrhundert
- praktiziert wurde, in der ersten und womöglich noch in der zweiten
und dritten Generation von den Ämtern ausgeschlossen; im Gegenteil:
wenn wir die Ratslisten jener Jahrhunderte durchgehen so werden wir finden,
daß zum großen Teil Vertreter jener neuen Geschlechter, und
zwar zum gar nicht selten eben diejenigen Glieder derselben, die selbst
erst vor wenigen Jahren das Bürgerrecht erworben hatten, damals
im Rate der Stadt saßen. Und ebensowenig als man diesen Neubürgern
die Staatsstellen verschloß, ebensowenig suchte man sie durch kleinliche
Verordnungen in ihrem Gewerbe zu hindern und zu beeinträchtigen. Wohl
bestanden schon damals ziemlich strenge Vorschriften über Zunftzwang
und ähnliches; doch im Gegensatz zur späteren Zeit hatte :man
nichts dagegen einzuwenden, wenn sich die betreffenden Kaufleute und Handwerker
damit halfen, daß sie je nach Bedürfnis zwei oder mehr, ja selbst
bis zu vier Zünften beitraten, wie wir dies gerade bei den Eberlern
fast durchweg finden werden. Die natürliche Folge dieser langen Praxis
war ein mächtiges Aufblühen von Handel und Industrie im damaligen
Basel.
Der zweite Punkt, auf den ich hier hinweisen möchte,
ist der geradezu typische Entwicklungsgang, den das genannte Geschlecht
in knapp 100 Jahren durchgemacht hat, und der überraschend demjenigen
gleicht, den wir nicht selten auch heutzutage noch Familien zurücklegen
sehen: Wie wir noch finden werden, ist der Ururgroßsohn des verachteten
jüdischen Wucherers Eberli aus Kolmar der Junker Mathis Eberler, Herr
zu Hiltelingen und Schwiegersohn des Junkers Diepold v. Geroldseck.
Doch kehren wir wieder zu Mathis Eberlin zurück.
Wir lesen über ihn im Leistungsbuche zum Jahre 1377 9)
folgendes: « Mathis, Eberlins des iuden sun, sol niemer in unser
stat komen, darumb daz er an dem styllen fryetag in desselben sins vatters
hus saß und da unser fröwen clag las zu einer versmecht und
zu schanden Got und unser fröwen und ouch der cristenheit. Und
swur uff den mentag Quasimodogeniti etc. LXXVII.» Es wird also
Mathis, des Juden Eberlis Sohn, weil er am Karfreitag in seines Vaters
Hause - und offenbar auch im Kreise anderer Juden - die christliche Liturgie
lächerlich gemacht und verspottet hatte, auf ewige Zeiten aus der
Stadt verwiesen. Der Name Eberlin verschwindet damit zunächst
wieder aus Basel. Wohin sich Mathis gewandt hat, wissen wir nicht,
doch lassen verschiedene Anzeichen darauf schließen, daß er
sich nach Bern begeben hatte, woselbst nicht nur für 1382 ein Mathis
Eberlin nebst seiner Ehefrau Hesther Mennlin sogar als Bürger der
Stadt bezeugt ist, sondern wo wir auch noch im Jahre 1423 möglicherweise
mit unserem einem «Äberlin Slosser», den wir Mathis identifizieren
dürfen, begegnen.10) Denn wie wir
noch sehen werden, trug Mathis Eberlin oder Eberler von Villingen, der
sichere Ahnherr der Eberler genannt Grünenzweig, noch lange den Beinamen
« Slosser ». Doch nicht von Bern, sondern von Villingen kam,
wie schon bemerkt, im Jahre 1393 wieder ein Mathis Eberler nach Basel,
der nach Jahre meiner Ansicht also der Sohn wäre jenes im Jahre 1377
wegen Blasphemie aus der Stadt verwiesenen Juden Mathis Eberlin.11)
Aus der bloßen Namenidentität darf in unserem
Falle freilich noch nicht auch auf Identität der Personen geschlossen
werden, denn nicht nur ist Eberlin - neben Mennlin - der gebräuchlichste
und verbreitetste Judenname der damaligen Zeit, wenigstens in der heutigen
Schweiz und im Elsaß,12) sondern
es kommt noch dazu, daß gerade der Vorname Mathis bei den verschiedensten
Zweigen dieses weitausgebreiteten Geschlechtes gebräuchlich war.
Neben den Kolmarer Eberlin, von denen also die Basler und, wie ich glaube
und im folgenden zu beweisen suchen werde, durch diese auch die Berner,
Badener und Villinger Eberlin abstammen, sind als weiterer Hauptstamm zu
nennen die Gebweiler Eberlin, von denen ein Zweig sich in Zürich niedergelassen
hatte, der sich aber hier - vorausgesetzt daß Ulrich recht gelesen
hat - nicht «Eberlin» , sondern «Eberhard» schrieb;
Mathis der Sohn Eberhards von Gebweiler, ist hier für die Jahre 1377-1393
bezeugt.13) Daß der Name Mathis überhaupt
ein beliebter Vorname bei den damaligen Juden war, ersehen wir daraus,
daß wir z. B. 1365 in Basel auch einem Juden zu Schaff hausen Mathis
von Sennheim, ferner ums Jahr 1400
einem solchen namens Mathias Wölflin, und noch 1457 in Freiburg
einem genannt Mathias von Speier begegnen. 14)
Wichtiger als diese Namensgleichheit sind nun aber folgende zwei Punkte:
einmal die Tatsache, daß auch noch Mathis Eberler von Villingen,
ja selbst noch seine Söhne Heinrich und Mathis verschiedene Häuser
im Grünpfahlgäßlein besaßen, wenn auch die frühesten
Nachrichten darüber nicht über das Jahr 1408 hinausgehen.
In diesem Jahre nämlich kauft « Mathis
Eberler von Villingen, der slosser» ein Haus und Hofstatt an
der Gerbergasse und gelegen neben seinem eigenen Hause. Laut den
Angaben des historischen Grundbuchs handelt es sich um einen Teil von Gerbergasse
30, speziell um Ecke Grünpfahlgäßlein 1 und Gerbergasse
30, um dieselbe Liegenschaft, die schon 1395 als das « orthus (d.
h. Eckhaus) genannt studershof » bezeichnet wird oder später
(1442) «das hus und hofstatt genant studershof, gelegen an dem alten
rindermerkt, an dem ort nebend der judenschul », welches Haus dann
in dem genannten Jahre des Mathis Sohn, Heinrich Eberler genannt Grünenzweig,
wieder verkaufte. Das andere, neben dem Studershof gelegene Häuschen,
in dessen Besitz Eberler also schon vor 1408 genannt wird, war wohl näher
neben der Judenschule gelegen, denn schon 1409 wird Mathis als Besitzer
eines Hauses neben der Judenschule genannt, währenddem ja, wie wir
eben gesehen haben, der Teil der späteren Gesamtliegenschaft, den
er erst 1408 dazu gekauft hatte, gegen die Gerbergasse zu gelegen war.
Weiter besaß Mathis Eberler schon 1404 das Haus «zum Ritter»
(Gerbergasse 44) dessen Besitzer vor Eberler - soweit wir dieselben überhaupt
kennen - sämtlich Juden gewesen sind; allerdings sind uns dieselben
leider nur bis zum Jahre 1333 bekannt.15)
Als zweiten Beweis für die Abstammung des Mathis
Eberler von Villingen von Mathis Eberlin des Juden Sohn führe ich
die Tatsache an, daß noch 1425 Mathis Eberlers gleichnamiger Sohn
als «Vetter» - das heißt hier wohl Verwandter väterlicherseits
- von Heinrich Werkmeister, dem Goldschmied, bezeichnet wird,16)
der, wie wir aus anderer Quelle wissen, der Sohn ist des Werkmeisters und
Zimmermanns Goetz Eberlin von Trier, der etwa auch einfach als «Trier,
der
Jude » aufgeführt wird 17)
Dieses Heinrich Werkmeister Bruder war dann vermutlich Meister Mathis Eberlin
von Trier, der in den Jahren 1398 und 1412 erst als Advokat und später
als Schreiber und Pedell des bischöflichen Hofes genannt wird.
Am 16. November 1393 nun also hatte Mathis
Eberler, der Slosser, durch seine Teilname an dem freilich unblutig verlaufenen
Streifzuge der Basler, gegen Muttenz nebst noch 572 andern Männern
unentgeltlich das hiesige Bürgerrecht erworben. Die Veranlassung
des von den Baslern unter so großer Machtentfaltung in Szene gesetzten
Kriegszuges nach Muttenz war ein Überfall gewesen, den kurz vorher
die Brüder Heinrich und Diethelm von Krenkingen gegen das seit einigen
Jahren als Pfand der tiefverschuldeten Münche von Münchenstein
im Besitze des Basler Ratsherrn Junker Henman Murnhart befindliche Dorf
unternommen hatten. Außer Mathis Eberler hatten bei demselben
Anlasse noch drei Eberlin das Basler Bürgerrecht erworben, von denen
aber nur einer ausdrücklich als Jude gekennzeichnet wird, nämlich
«Swartz Eberlin », Jecklins von Thann Sohn; 19)
die
beiden anderen waren daher wohl gleich Mathis Eberler damals schon Christen.
Von jenen zwei anderen scheint wenigstens Henmann Eberlin, der Goldschmied
- wie wir aus einer Notiz des Urteilbuches wissen, Bruder eines Bertschman,
Bertschin oder Berchtold Eberlin, ebenfalls eines Goldschmiedes und aus
Baden gebürtig, der schon 1391 durch Kauf das Basler Bürgerrecht
erworben hatte - ein naher Verwandter unseres Mathis gewesen zu sein;20)
er ist höchst wahrscheinlich identisch mit einem Johannes Eberlin,
der später Priester wurde und Kaplan des St. Mathisaltares im Münster,
und der gleichfalls als Bruder des vorhingenannt en Bertschman bezeichnet
wird. 21) Gleichwie Mathis Eberler nach
seinem ursprünglichen Berufe - oder wohl eher dem seines Vaters ?
- in der ersten Zeit fast durchweg als «Mathis Slosser» bezeichnet
wird, so findet sich auch der genannte Priester Johannes etwa als «
Hans Slosser » aufgeführt. 22)
Die weiteren Personen des Namens Eberlin, die in Basel etwa noch vorkommen,
muß ich, da ich vorderhand keine direkten Beweise für ihre Zusammengehörigkeit
zu der von mir hier behandelten Familie habe, einstweilen unberücksichtigt
lassen.
Kehren wir zu Mathis Eberler zurück.
Noch 1397 wird er im Urteilsbuche als «Mathis Eberler der slosser»
bezeichnet; doch schon wenige Jahre später verläßt er die
Schmiedenzunft, der er bisher angehört hatte, und tritt in die Schlüsselzunft
über. Im Eintrittsbuch der Zunft lesen wir: «Meister Mathis
Slosser empfing die zunft dinnstag noch St. Gallusdag (d. h. am 20. Oktober)
1404 jor und sol der zunft 35 fl. an dz gezelt und 4 fl. an die zunft und
ein mal meisten sesschern oder 4 gulden vir dz mal.» 1412 sodann
wird Meister Mathis Schlosser, der Watman Sechser und schon 1414 - vorderhand
freilich nur für ein Jahr - Ratsherr der Zunft, die er dann von 1420-1425
als Meister und von 1426-1428 ein zweites Mal als Ratsherr im Rate vertritt;
weiter war er von 1420-1428 als sogenannter Siebenerherr Mitglied des über
der Stadt Umgeld, Schatz und Einkommen gesetzten Finanzkollegiums.
Von 1427 bis 1429 und wieder 1436 war er endlich auch Mitglied des Stadtgerichts.
Auch auf militärischem Gebiete zeichnete er sich aus: als am 11. Juli
1424 die Basler im Verein mit den elsässischen Reichsstädten
auf das Hülfsgesuch hin der mit verbündeten Herzogin Katharina
von Burgund gegen ihnen den in der Nähe von Altkirch stehenden und
das dortige Gebiet verwüstenden Prinzen von Orange auszogen, da zog
Mathis Eberler als Pannerherr mit ins Feld.23)
Schon 1410 war er übrigens, anläßlich der damals eingeführten
Neueinteilung der ganzen Stadt in vier Militärbezirke oder Quartiere,
als «Offizier» dem zweiten Haufen zugeteilt worden, der sich
aus der waffenfähigen Mannschaft des St. Leonhardkirchspiels zusammensetzte
und der sich bei Alarm bei dem Richtbrunnen vor dem Gerberzunfthaus besammeln
sollte um das Panner, das dazumal Oberstzunftmeister Henman Buchbart empfohlen
war.24) Endlich mag noch beigefügt
werden, daß er auch am 12. Dezember 1428 während des abenteuerlichen,
zwischen dem Spanier Johann von Merlo und Heinrich von Ramstein auf dem
Münsterplatze unter großem Andrange der Bürgerschaft und
des umliegenden Adels ausgefochtenen Zweikampfes das Stadtpanner hielt.
Mathis Eberler, der, wie wir aus einer Notiz des
Urteilbuches erfahren, am 6. Juni 1437 starb,26)
war, mindestens 1404 verheiratet mit Anna, der Witwe des Henman Schlegel,
genannt Grünenzweig von Ettingen, des Schlossers, 27)
und wahrscheinlich Tochter des Schlossers Henman von Kilchen und dessen
Ehefrau Katharina, die schon 1395 als Besitzer des Studershofes genannt
werden, welche Liegenschaft dann, wie wir gesehen haben, Mathis Eberler
im Jahre 1408 zu seinem eigenen an dieselbe stoßenden Hause noch
hinzugekauft hat; noch 1448 ist sie am Leben. Eberler verließ
von ihr, so viel wir wissen, vier Kinder: zwei Söhne und zwei Töchter;
von letzteren war die eine, Anna, die Ehefrau des reichen Henman von Tunsel,
der von 1428-1433 Oberstzunftmeister war, die andere, Katharina, scheint
unverheiratet geblieben zu sein und bei ihrer Schwester von Tunsel gewohnt
zu haben. Von den Söhnen wird der ältere, Mathis, 1421
zum ersten Male genannt und zwar im Steuerregister dieses Jahres, er muß
daher damals schon verheiratet gewesen sein.28) Seine
Ehefrau war Anna, die Tochter des Webers Hans Stör und einer Spitzenberg.
Gleich seinem Vater wird er als Watman bezeichnet, doch machte er seine
Amterkarriere nicht gleich diesem im Schlüsscl, bei welcher Zunft
er also noch im Steuerrodel von 1421i aufgeftihrt wird, sondern zu Weinleuten,
woselbst er schon 1430 - also noch zu Lebzeiten seines Vaters - Meister
und 1440 Ratsherr wurde, welche Stelle er bis zu seinem wohl noch im Jahre
1447 erfolgten Tode bekleidete. 29) Als
Nachfolger seines Vaters war er dann auch von 1430-1447 Mitglied des wichtigen
Siebener Kollegiums, endlich von 1441-1443 und wieder 1447 des Stadtgerichts.
Schon 1424 hatte er zusammen mit seinem jüngeren Bruder Heinrich an
einem der Hussitenzüge teilgenommen, über den wir aber leider
nichts näheres erfahren;30) 1445 sodann,
im sogenannten St. Jakoberkriege, d. h. den kämpfen, die die Stadt
sofort nach dem Frieden mit Frankreich gegen den umliegenden österreichisch
gesinnten und landesverräterischen Adel führte, ergriff er ein
zweites Mal die Waffen. Das wichtigste Ereignis dieses Krieges war
bekanntlich die am 14. September 1445 erfolgte Übergabe des Steins
von Rheinfelden an die Basler und die mit den selben verbündeten Eidgenossen,
die nun nach Abzug der österreichischen Besatzung aus der Festung
eine neue aus ihren Truppen dareinlegten, zu deren Oberbefehlshaber oder
Hauptmann eben unser Mathis Eberler ernannt wurde.31)
Nach seinem an der Sporengasse gelegenen Hause «zum
Gold» wird er meist als «Mathis zum Gold» bezeichnet.
Zugleich sind aber er und sein Bruder Heinrich auch die ersten Glieder
der Familie, die den Beinamen «Grünenzwig» an den Namen
des führen und zwar offenbar in Erinnerung
ersten Mannes ihrer Mutter, der Witwe, wie wir gesehen haben, von Henman
Schlegel genannt Grünenzwig, der seinerseits wiederum den Beinamen
wohl nach seinem Hause «zum grünen Zweig» bekommen
hatte; zwar läßt sich eine Liegenschaft mit diesem Namen nicht
mehr nachweisen, doch ist es durchaus nicht unmöglich, daß das
Häuschen neben dem Studershof, das Mathis Schlosser schon vor 1408
bewohnte und das er dann mit letzterer Liegenschaft zu einer Behausung
vereinigte, diesen Namen geführt haben könnte. Zum ersten
Male begegnet uns der Beiname «Grünenzwig» für die
Eberler im Jahre 1421; es muß demnach damals des oben genannten Henman
Sohn, der 1412 uum letzten Male erwähnte Hans, Grünenzwig, der
Schwertfeger - ein Stiefbruder also von Mathis und Heinrich Eberler - schon
tot gewesen und ohne Hinterlassung von Kindern gestorben sein, ebenso dessen
Schwester Greda, die Ehefrau des Schuhmachers Hans Göldi von Frick,
mit dem sie schon 1404 verheiratet erscheint. Es kommt noch dazu,
daß Henman Grünenzwigs Witwe - «die alte Grünenzwigin»,
wie sie eben auch noch nach ihrer Wiederverehelichung mit Mathis Eberler
weiter genannt wurde - auch ihre beiden Söhne zweiter Ehe überlebt
hat. Mathis Eberler zum Gold und sein Bruder Heinrich scheinen auch
die ersten des Geschlechts gewesen zu sein, die das bekannte Wappen mit
dem roten Eberkopf geführt haben. Das Siegel ihres Vaters Mathis
Schlosser ist uns nicht mehr erhalten, dasselbe muß aber noch Wurstisen
vorgelegen haben, da derselbe in den Analekten als Wappen der Eberler zum
Jahre 1436 einen von zwei Sternen begleiteten Hammer bezeichnet, und zwar
beruft er sich dabei ausdrücklich auf ein Siegel, das demnach an einer
seither verloren gegangenen Urkunde aus dem Jahre 1436 gehangen haben muß.32)
Heinrich Eberler, des Mathis schon mehrfach genannter
jüngerer Bruder, ein Weinmann und wohnhaft «zum Hasen Marktplatz»,
trat politisch gar nicht hervor, das einzige Amt, das er - und zwar nur
von 1442-1443 - bekleidete, war dasjenige eines Mitgliedes des Stadtgerichts.
Er scheint daher in letzterem Jahre gestorben zu sein; 1448 jedenfalls
ist er tot. Wie noch mehr als 20 Jahre nach seinem Tode seine Schwester
Anna, die Witwe Henmans von Tunsel, einer seiner Töchter berichtete,
war ihr Vater, von jeher ein «wunderlich letz man» gewesen.
Was die von Tunsel zu diesem harten Urteil über ihren längst
verstorbenen Bruder veranlaßte, war eine merkwürdige Bestimmung,
die er trotz allen Abratens von seiten seiner Verwandtschaft in den Ehekontrakt
mit seiner zweiten Ehefrau Anna hatte aufnehmen lassen. Diese, die
Schwester des Junkers Peter zum Thor von Neuenburg am Rhein, und bedeutend
jünger als ihr Mann, hatte er erst kurz vor seinem Tode - jedenfalls
frühestens 1441 - geheiratet. Von seiner ersten Ehefrau Elsa,
- wohl einer gebornen Schlierbach und Schwester Heinrichs,33)
-hatte er nämlich außer drei Töchtern - Margaretha, der
Ehefrau Heinrich Sinners, Agnes, der Ehefrau Bartholome Studlins, und Magdalena,
der Ehefrau des Ratsherrn Ulrich zum Luft - auch noch einen offenbar damals
noch ganz jungen Sohn Mathis, den er nun seiner zweiten Ehefrau zur Morgengabe
vermachte. Als nun im Jahre 1468 Anna zum Thor, Heinrich Eberlers
Witwe, starb, verlangte ihr Stiefsohn Mathis auf Grund ihres Ehekontraktes
mit seinem Vater von ihrem sie überlebenden zweiten Ehemanne, dem
Goldschmied und Ratsherrn Friedrich Tichtler, Herausgabe eines Erbes, oder
genauer ausgedruckt: eines Kindteiles, was dieser aber rundweg verweigerte.
Als nun darauf Mathis Eberler die Angelegenheit vor Gericht zog, ergaben
die verschiedenen Kundschaften wohl einesteils die Richtigkeit von Mathis
Eberlers Behauptung, daß er nämlich seinerzeit von seinem Vater
seiner Stiefmutter sei zur Morgengabe gegeben worden, andererseits aber
war augenscheinlich das Gericht nicht darüber im klaren, was darunter
zu verstehen sei, d. h. welche rechtlichen Folgen diese Ubergabe nach sich
gezogen habe. Der Fall war eben für die Basler Gerichte ein
ganz neuer, noch nicht dagewesenen. Es verlohnt sich daher, die wichtigsten
Zeugenaussagen im Wortlaute wiederzugeben. Zunächst sagen die
drei Schwestern des Klägers übereinstimmend aus, wie sie stets
gehört hätten, daß ihr Bruder ihrer Stiefmutter zur Mörgengabe
sei übergeben worden, ebenso auch eine alte Magd, die bei der Frau
von Tunsel in Diensten stand. Am ausführlichsten sprechen sich
von den Schwestern Margaretha, die Ehefrau Heinrich Sinners, und Agnes,
die Ehefrau Bartholome Studlins, aus. Erstere erzählt unter
anderem wie ihre Base, eben die von Tunsel, ihr einst auf ihre Frage, warum
sie ihrem Bruder Mathis «lypdinge» kaufe, geantwortet habe:
«Wann Mathias stirbt, so wird in syn stieffmuter erben ... din vatter
was ein wunderlich letz man und wolt niemer volgen, und hat. Mathisen,
dinen bruder, siner stieffmuter zu morgengab geben. und ist sin erb, ob
si in überlebt.» Eben diese letztere Eventualität, daß
nämlich die junge Stiefmutter den ihr zur Morgengabe übergebenen
Stiefsohn lange auf ihren Tod könnte warten lassen, ja ihn vielleicht
sogar überleben könnte" war der Grund gewesen warum die von Tunsel
bei Aufrichtung des Ehevertrags ihrem Bruder von dieser Ubergabe abgeraten
hatte, und eben diese Befürchtung hatte sie auch dazu angetrieben,
ihrem Neffen, der nun offenbar seine rechte Mutter nicht auch noch beerbt
hatte, eine Leibrente auszusetzen, damit er doch wenigstens etwas erhalte.
Da. Heinrich Eberler selbstverständlich seinem Sohne durch diese
Übergabe einen Vorteil hatte verschaffen wollen, so müssen wirannehmen,
daß seine zweite Ehefrau Anna zum Thor sehr vermöglich gewesen
ist, jedenfalls vermöglicher als die erste, da diese Bestimmung ja
sonst keinen Zweck gehabt hätte. Die andere Schwester berichtet, sie
wisse zwar nichts näheres in der Sache, « wol habe sich gemacht
das dieselbe ir stieffmuter alleweg me liebe zu Mathisen, irem bruder,
dann zu ir hett; sprech sie einsmals. min muter, wie kompt das dir min
bruder lieber ist dann ich und ander min geschwisterte?, antworte sy ir:
da ist er min kint und mir von dinem vatter geben.Darnach sprech sy zu
irer großrnutter, der alten Grünenzwigin: wie kompt, dz min
vatter Mathisen miner stieffmuter geben hat, ich wolt wenen, er wer im
das allerliebst so er sust dhein knaben hat,' sprech ir großmuter:
Hy du böser vogel, du weist nit, was du seist; stirbt din stieffmuter,
so würd er sy erben, darum ist dz gescheen».
Nach Konstatierung des Tatbestandes handelte es
sich nun für die Richter darum, auch noch die richtige Interpretation
zu finden. Zu diesem Zwecke mußten weitere Zeugenverhöre
vorgenommen werden. Man konnte jedoch nur zwei Personen ausfindig
machen, die darüber aussagen konnten; die erste war der « ersam
fürneme her Caspar von Regisheim, alter zunftmeister», der da
erzählte, «daß er zu Ofen in Ungarn gewest, daselbst ein
frow oder man ... dem andern ein kind ze morgengab geh mit den fürworten,
wann es zum fellen kein (d. h. wenn der Fall einträte), daß
dasselb kind mit den andern iren elichen kinden erben und zum erb gon solt.
Und als das zum fellen kein, da arbte dasselb kind mit den andern kinden
und wurde im also vil ze teilung als der andern kinden einem.» Altoberstzunftmeister
Kaspar von Regisheim hat also diesen sonst in Basel nicht bekannten Brauch
der Einkindschaft, nach welcher ein zur Wiederverheiratung schreitender
Ehegafte und dessen künftiger Ehegatte übereinkommen, die Kinder
ihrer früheren Ehen die sogenannten Vorkinder - sowohl gegenüber
ihren Stiefeltern, als auch gegenüber den zu erwartenden Kindern der
neuen Ehe - den sogenannten Nachkindern - völlig gleichstellen zu
wollen, als wären auch sie Kinder der neuen Ehe, seinerzeit in Ungarn
kennen gelernt. Doch auch in Basel selbst ist schließlich noch
ein Präzedenzfall gefunden worden, der sich aber immerhin von dem
in Frage stehenden Fall dadurch unterscheidet, daß dort nicht, wie
es in diesem geschehen ist, bloß ein Kind der früheren
Ehe den Nachkindern gleichgestellt worden ist, sondern - wenigstens theoretisch
alle; in der Praxis kam es dann freilich- auf dasselbe hinaus, indem nur
ein
Kind vorhanden war. Wir lesen nämlich weiter in den Kundschaften:
«Item dessglichen hat geseit Burkhart Sifrit, knecht zum beren, wie
er ein swöster hab, genannt Gredlin Schaffners, die einen eman gehept,
genant Hüglin Wagner von Pfirt, der darnach abgangen und ein kindlein
von ir beiden geborn verlassen; demnach neme dieselb sin swöster Heinrich
Schaffnern an den Spalen zem steinin crutz, demselben sy das obgedacht
kind ze morgenab geh und das (er) dafur uffnemme, und gewunn darnoch by
demselben och fier oder funff kind. Der darnoch abgieng - do erbte
das obgedacht kind, so er ze morgengab empfangen hat, mit den andern kinden
und wird im ze teilung als vil als der andern einem.»
34)
Wie die Sache dann schließlich ausgegangen ist und wer Recht bekommen
hat, wissen wir leider nicht; ich habe einen Urteilsspruch darüber
nicht finden können.
Der mehrfach genannte Mathis Eberler stets bezeichnet
als «Mathis Eberler, der jung» zur Unterscheidung von seinem
ungefähr gleichzeitigen, aber etwas älteren Vetter Mathis Eberler
dem Altern, zubenannt «zum Agtstein» erscheint schon seit 1461
verheiratet mit Barbara v. Albeck,
einer zweifachen Witwe, nämlich einmal des 1454 verstorbenen bekannten
Oberstzunftmeisters Andreas Ospernell 36)
und zweitens eines zer Sunnen.37) Die Ehe
war - wenigstens in späteren Jahren keine besonders glückliche;
Barbara war sehr viel älter als ihr Mann, der sie jedenfalls noch
recht jung geheiratet hatte: sie wird 1491 bei ihrem Tode ausdrücklich
als «by sibenzig jaren alt» bezeichnet, währenddem er,
da er erst 1461 - also im Jahre seiner Verheiratung zünftig wurde,
damals etwa zwanzigjährig gewesen sein wird. 38)
Die Ehe blieb kinderlos. Frau Barbara setzte daher erstlich im Jahre
1475 ihren Neffen Peterhans Studlin zu ihrem Erben ein und als dieser schon
I490 starb, noch kurz vor ihrem Tode den Kaspar Brand. Doch über
dieses zweite Testament sollte es zu einem langwierigen, über drei
Jahre sich erstreckenden Prozeß zwischen genanntem Kaspar Brand und
Mathis Eberler auf der einen und den Verwandten der verstorbenen Frau Barbara
auf der andern Seite kommen. Wir sind über diesen kurturhistorisch
äußerst interessanten Prozeß, dessen Verbandlungen einen
besonderen Band (O.5) des Gerichtsarchives füllen, bis in alle Details
genau unterrichtet. Als Vertreter der Gegenpartei trat Konrad Ulmer
von Konstanz auf, sowohl in seinem eigenen Namen als auch in dem seiner
Schwester Adelheid, der Ehefrau des Hans Selmatter, deren Mutter Geschwisterkind
zu Frau Barbara selig gewesen war. Eine Unmenge Zeugen werden auf
Verlangen Ulmers verhört: nicht nur alle Freunde und Bekannten der
Verstorbenen, sowie die jetzigen und früheren Nachbarn, sondern auch
sämtliche Dienstboten, die je bei derselben gedient hatten, und alle
Handwerker, die einmal ins Haus gekommen waren, werden vorgeladen um über
das Verhältnis auszusagen, das ihren Beobachtungen nach zwischen den
Ehegatten geherrscht habe. Denn wie Ulmer von allem Anfang an behauptete
und schließlich auch ziemlich wahrscheinlich gemacht hat, war Kaspar
Brand ein bloßer Strohmann, hinter dem sich in Wirklichkeit Mathis
Eberler verbarg.39) War nun aber das Verhältnis
zwischen den Ehegatten wirklich ein solches gewesen, daß anzunehmen
war, die Frau habe in ihrem Testament ihren Mann als Erben einsetzen wollen?
Dies war der zweite Punkt, den es für die Ulmerschen galt klarzulegen;
sie glaubten die Frage mit nein beantworten zu können. Festgestellt
wurde zunächst nun freilich, daß die Frau oft und den verschiedensten
Leuten gegenüber geklagt habe, Mathis halte sie unfreundlich zu Tisch
und zu Bett, sei fast nie bei ihr in Basel, sondern wohne den größten
Teil des Jahres in seinem Schlößchen zu Hiltelingen, woselbst
er verschiedene Kinder außer der Ehe gezeugt habe; auch lasse er
sie Mangel leiden, sodaß sie zu ihrer Notdurft ihre Kleider, Kleinodien,
Ringe und Tüchlein verkaufen müsse. Anderseits wurde dann
aber auch wieder konstatiert, daß die Frau mit zunehmendem Alter
eben recht wunderlich geworden sei, bald so und bald wieder anders geredet
habe, auch sei sie sehr jähzornig gewesen und so habe es wohl kommen
können, daß oft Zank und Streit zwischen ihr und Mathis, der
eben auch sehr zornmütig war, entstanden sei, der aber nie lange angehalten
habe. Daß ihr Mathis nicht mehr Geld gegeben habe, habe darin
seinen Grund gehabt, daß sie solches ganz sinnlos verschwendet habe.
Im ganzen und großen hätten sie zusammengelebt wie andere Eheleute
auch, und wenn sie heute uneins gewesen seien, so seien sie morgen wieder
in bestem Einvernehmen zueinander gestanden, sodaß man sich leicht,
wie Bürgermeister Hans von Bärenfels aussagte, Undank statt Dank
habe holen können, wenn man sich durch die Klagen der Frau dazu hatte
verleiten lassen mit Mathis zu sprechen; auch stehe fest, daß Frau
Barbara oft gesagt habe, sie gönne das Ihre niemandem mehr als ihrem
Manne. Das einzige, was von den gelegentlichen Klagen der Frau schließlieb
wirklich bestehen blieb, war die Tatsache des etwas liederlichen Lebens,
das Mathis in Hiltelingen führte.40)
Da der Gegenpartei nach dieser Richtung bin der
Beweis nicht gelungen war, so versuchten sie es nun auf andere Weise: Sie
fochten das Testament jetzt an, weil die Frau bei Abfassting desselben
nicht mehr im Vollbesitz ihrer geistigen Tätigkeiten, also nicht mehr
testierfähig gewesen sei; ja sie gingen sogar noch weiter und behaupteten,
das Testament sei überhaupt erst nach dem Tode von Frau Barbara errichtet
worden. 41) Doch auch damit hatten sie
keinen Erfolg. Sie machten daher einen dritten Versuch und behaupteten
nun, das Testament sei überhaupt gegen der Stadt Recht und Herkommen;
wohl könnten sich in kinderloser Ehe lebende Ehegatten ihr fahrendes
Gut je für ein Jahr gegenseitig vermachen und ihr liegendes Gut einander
überhaupt widmen, ja sie dürften auch anderen Personen gegenüber
so handeln, doch könnten sie niemals, solange "gesippte Erben" eines
Ehegatten vorhanden seien, endgültig über das gesamte Vermögen
verfügen. In diesem Falle war es nun freilich vollkommen gleichgültig,
ob das Testament zugunsten von Eberler oder zugunsten von Brand gemeint
war, den gesippten Erben von Frau Barbara - d. h. in unserem Falle den
Ulmerschen Geschwistern - gegenüber waren sie beide gleicherweise
im Nachteil, und zwar war es wieder vollkommen gleichgültig, ob der
Erblasser diese Verwandten anerkannte oder nicht, wie Frau Barbara getan
hatte. 42)
Am 25. Oktober 1492 entschied daher das Basler Stadtgericht
dahin, daß Kaspar Brand kein Erbe der Frau Grünenzwigin sei
und verurteilte ihn zu den Kosten und zu einer Vergütung an die Ulmerschen.
Brand und mit ihm Eberler appellierten nun an den Kaiser, doch ohne Erfolg;
obgleich der Prozeß durch diese Appellation noch zwei weitere Jahre
hingeschleppt wurde, wurde dadurch an der ersten Entscheidung nichts geändert.
Durch kaiserliches Urteil vom 24. November 1494 wurde die Hinterlassenschaft
der Frau Barbara, endgültig ihren Verwandten, den Ulmern, zugesprochen
und Eberler dazu verurteilt, denselben das von ihm bisher mit Arrest belegte
Vermögen seiner verstorbenen Frau auszuliefern .43)
Mathis Eberler, der jedenfalls eine äußerst
jähzornige wie übrigens auch die übrigen damals lebenden
Glieder und der Familie, eine recht gewaltätige Natur war, wurde durch
dieses Urteil doppelt schwer getroffen. Schon während derVerhandlungen
in Basel hatte er sich einmal durch eine ihm mißfällige Zeugenaussage
dazu hinreißen lassen, einen armen Weberknecht, namens Andreas Koler,
dazu zu dingen, daß er jenem Zeugen - leider wird uns sein Name verschwiegen
- einen Arm oder Schenkel abhaue. Doch das Gericht verstand keinen
Spaß: Eberler wurde ergriffen und erst gegen Urfehde und Hinterlegung
einer Kaution von 500 Gulden wieder freigelassen. Doch durfte er
die Stadt nicht verlassen, und erst als sich sieben angesehene Männer
darunter die Ratsherren Mathis Iselin, Hans Bär, Thomas Zscheggenbürlin,
Hans Oberriet, sowie der Ratschreiber Klaus Meyer 44)
für
ihn verbürgt hatten, wurde ihm gestattet, sich für höchstens
zwei bis drei Tage aus der Stadt zu entfernen; auch mußte er von
seiner Ratsstelle resignieren. 45)
Verhältnismäßig erst recht spät
finden wir Mathis Eberler in Ämtern: 1480 wurde er Sechser, 1484 Meister
und 1492 Ratsherr zum Schlüssel; außerdem ist er für 1488
als Statthalter des damals von der Stadt abwesenden Oberstzunftmeisters
Junker Thomas Sürlin bezeugt. 46)
Wir haben gesehen, wie er noch im Jahre 1461 nach
seinem väterlichen Hause als "Mathis Eberler zum Hasen" bezeichnet
wurde. Wie lange er noch in demselben geblieben ist,. wissen wir
nicht, jedenfalls begegnet er uns schon 1468 als im Kleinbasel wohnhaft
und zwar im Hause «zum Igel», 47)
und noch in, Steuerregister von 1475 wird er unter den Kleinbaslern
aufgezählt ; 48) 1477 jedoch erwarb
er den Engelhof auf dem Nadelberg, nach welchem er fortan als «Mathis
Eberler zum Engel» bezeichnet wird. Er hatte den Hof, wie wir aus
den Kundschaften im Prozeß Brand-Ulmer erfahren, durch Ruman Faesch,
den bekannten Erbauer des Thanner Münsterturmes, umbauen lassen.
Eine Idee von detreichen inneren Ausstattung des Gesesses zur Zeit Eberlers
erhalten wir nicht nur aus den spärlichen, noch jetzt an Ort und Stelle
befindlichen Resten aus jenen Tagen - als deren wichtigster die gothische
Vertäfelung des mit Unrecht sogenannten Condézimmers gelten
kann 49) -
sondern namentlich auch aus verschiedenen, jetzt im historischen Museum
aufbewahrten Stücken derselben, unter denen hauptsächlich zwei
zu nennen sind, nämlich der mit dem Eberler Wappen geschmückte
Gobelin, der von Rankenwerk umgeben die Gestalten des Judas Makkabäus,
König Artus, Karls des Großen und Gottfrieds von Bouillon zeigt,
und dann zweitens der mit den Wappen Eberler und von Albeck geschmückte,
äußerst zierlich geschnitzte Getäferabschluß.
Außer dem Engelhof besaß er dann noch seit 1488 das später
durch die Froben und Episcopius berühmt gewordene Haus «zum
Sessel» am Totengäßlein.50)
Daß er ferner auch das Weiherschlößchen Hiltelingen besaß,
ist schon früher gesagt worden.51)
Aus allem dem ergibt sich, daß Mathis Eberler nicht nur ein sehr
reicher, sondern offenbar auch ein recht prachtliebender Herr gewesen sein
muß, eine Wahrnehmung, die wir auch sonst noch bestätigt finden,
so hauptsächlich auch durch die Errichtung einer besonderen Grabkappelle
für sein Geschlecht in der St. Peterskirche, die noch jetzt - aber
leider durch die in derselben angebrachte Heizungsanlage arg verunstaltet
- dort zu sehen ist. 52) Im Jahre 1462
finden wir ihn neben seinem Stiefvater Friedrich Tichtler unter den Hauptgläubigern
des Bischofs Johann von Vennigen genannt, dem er damals in zwei Raten 1400
Gulden vorstreckte, wofür die Städte Delsberg und Laufen ihm
Bürgschaft leisten mußten 53);
1472 kam dann noch St. Ursanne dazu.54)
Mathis Eberler zum Engel ist auch der einzige des Geschlechts, der nachweisbar
den Junkertitel geführt hat.55) In
der Jahrzeit, die er im Jahre 149I "zumb syner, ouch wilent der ersamen
frow Barbaren, siner gemahel, siner vatter und muter, frow Lena zum Lufft,
siner schwester, Petterhansen Studelins, sines vettern, und aller siner
und dero vorderen seligen seelenheil willen" stiftet, wird er ausdrücklich
als "domicellus" bezeichnet auch in dem uns von Prof. Heinrich Pantaleon
überlieferten versus memorialis: «Mürli, Sürli, Tschekenpürli,
Ofentürli, Grieben und Schweinefleisch, ist der beste Adel, den ich
in Basel weiß», werden die Eberler ausdrücklich unter
der, auf ihr Wappen anspielenden Bezeichnung «Schweinefleisch»
als zum Patriziat gehörig aufgezählt.57)
Wir ersehen daraus jedenfalls soviel, daß Mathis Eberler bei den
Achtbürgern Stubenrecht besessen hat, wenn er faktisch auch niemals
die hohe Stube im Rat der Stadt vertreten hat. Wir können dies
bekanntlich noch bei verschiedenen anderen Geschlechtern der damaligen
Zeit beobachten, so bei den zum Luft, Halbisen, Wiler, Meyer zum Pfeil
und anderen.
Mathis Eberler starb im Jahre 1502, 58)
nachdem er noch vor 1501 eine zweite Ehe eingegangen war mit Margaretha,
der Tochter Diepolds v. Geroldseck.59)
Auch diese zweite Ehe war kinderlos und Mathis Eberler hinterließ
nur fünf Bastarde - vier Söhne und eine Tochter, 60)
zu deren Vormund er noch zu seinen Lebzeiten den Schultheiß von Solothurn,
Daniel Babenberg, eingesetzt hatte. Dieser verkaufte namens seiner Vogtskinder
den Engelhof im Jahre 15o6 und nahm die Knaben mit nach Solothurn, woselbst
sie spät er zu Erbbürgern aufgenommen wurden; auch Eberlers Witwe
hatte sich dorthin begeben. Von Solothurn aus führten sie dann
noch einen langen Prozeß mit den Erben des Thomas Zscheggenbürlin,
dem Mathis Eberler noch kurz vor dessen ebenfalls im Jahre 1502 erfolgten
Tode ein nicht unbedeutendes Darlehen will gern cht haben, von dem aber
die Erben nichts zu wissen behaupteten.61)
Der älteste der Bastarde des Mathis Eberler, gleichen Namens wie der
Vater, begegnet uns 1517 wieder als bischöflicher Vogt zu Binzen.
62)
Damit aber verschwindet für uns diese Linie des Geschlechts vollständig.
Wir wenden uns nun zu seinen Vettern, den Söhnen
des früher behandelten Ratsherrn Mathis Eberler zum Gold. Es
hatte dieser von seiner Ehefrau Anna Stör, so viel, wie wir wissen,
drei Söhne hinterlassen: Hans, Mathis und Leonhard, alle drei des
Rats. Daß Hans der älteste der Söhne gewesen ist,
ersehen wir daraus, daß, als im Jahre 1428 sein Vater in die Hausgenossenzunft
aufgenommen wurde, der Zunft Schreiber beifügte, der Petent habe einen
Sohn namens Hans, der aber nicht zünftig sei; da nur Hans hier genannt
ist, waren die übrigen Söhne also damals noch nicht geboren.63)
Er trat auch später nicht in die Hausgenossenzunft ein, sondern (1449)
in diejenige zu Weinleuten; von 1473 bis 1474 war er hier ein erstes Mal
Meister, von 1475-1477 Ratsherr und von 1477-1478 ein zweites Mal Meister.
1475 zog er als einer der beiden Hauptleute mit vor Blamont.64)
Ob er sich auch noch weiter in den Burgunderkriegen ausgezeichnet hat,
wissen wir nicht.
Es mag auffallen, wie spät erst Hans Eberler
zu Amt und Würden gekommen ist. Der Grund ist wohl einfach der,
daß er eben bis dahin von Basel abwesend gewesen und sich zu Neuenburg
am Rhein aufgehalten hatte; wenigstens wird er gelegentlich als "Hans zum
Gold von Nüwenburg", bezeichnet 65)
auch ist er, wie wir noch sehen werden, in seinen alten Tagen wieder dorthin
zurückgekehrt. 66) Gleich seinen beiden
Brüdern war auch er im Jahre 1474 mit in den Prozeß der Wechsler
und Münzmeiser verwickelt worden; zwar hatte die Sache für ihn
damals keine schlimmen Folgen gehabt, indem er sich von allem auf ihm ruhenden
Verdacht hatte reinigen können. Er blieb daher auch weiterhin
in Amt und Würden.67) Doch brach ihm
dann im Jahre 1478 eine andere Geschichte den Hals: seine Teilnahme am
sogenannten Bisingerhandel, den wir aber hier, da er schon von Wilhelm
Vischer in den Beiträgen zur vaterländischen Geschichte ausführlich
behandelt worden ist, 68) nicht nochmals
erzählen wollen; nur von dem Ausgang der Sache mag hier noch kurz
die Rede sein. Eberler hatte sich bekanntlich, nach dem Ende August
(1478) der Rat die Wache vom deutschen Haus, woselbst er und sein Komplize
Klaus Meyer ein Asyl gefunden hatten, wieder zurückgezogen hatte,
nach Zürich begeben, wo er eine Tochter verheiratet hatte, und war
hier
auch Bürger geworden. Die Stadt nahm sich ihres neuen Bürgers
sofort sehr energisch an und verlangte sogar vom Basler Rat - wie übrigens
auch Solothurn im Namen des dorthin geflohenen Meyers - derselbe solle
seinem Schützling nicht nur seine Familie nachschicken, sondern ihm
auch unverzüglich sein immer noch mit Arrest belegtes Eigentum ausfolgen
lassen, ein Begehren, auf das der Rat selbstverständlich nicht eingehen
konnte. Während nun aber schon im Mai 1479 mit Meyer eine vollständige
Aussöhnung erfolgte, zog sich der Streit mit Eberler noch über
1 1/2 Jahre hin. Erst im Januar I481 kam eine Verständigung
zwischen ihm und der Stadt zustande und zwar durch Vermittlung des Grafen
Wilhelm v. Rappoltstein, der schon früher in derselben Angelegenheit
zwischen Basel und dem deutschen Orden vermittelt hatte. Es ist auffallend,
wie gut Eberler dabei wegkommt: nicht nur folgen ihm die Basler nach Aufhebung
des seinerzeit am 1. August 1478 gegen ihn ergangenen Urteils, nach welchem
er Leibes und Gutes verlustig erklärt worden war, all sein von ihnen
mit Arrest belegtes Gut wieder aus, sondern sie zahlen ihm noch obendrein
50 Gulden für an seinem Hausrat geschehenen Schaden; auch wollen sie
ihm, falls er vorhabe, mit seiner Habe von Basel wegzuziehen, ohne alle
Beschwerung mit Steuern, Nachsteuern oder Zöllen ungehindert ziehen
lassen. Daß die Stadt Eberler gegenüber so nachgiebig
gewesen ist, mag zuerst befremden; vielleicht daß die Rücksicht
auf anderweitige, wichtigere Geschäfte - ich erinnere namentlich an
die gerade damals wieder mit erneuter Gewalt und Heftigkeit ausgebrochenen
Kämpfe mit dem Bischof - eine solche Behandlung der Angelegenheit
wünschbar machten. Dazu kam noch, daß die Reklamationen
seitens der in Feindschaft von der Heimat gewichenen Bürger in der
damaligen Zeit des Faustrechtes jeweilen zu den allerunangenehmsten Dingen
für die Städte gehörten, 69)
und es ist gewiß auch anderswo mehr als einmal vorgekommen, daß
bei derartigen Händeln die Aussicht auf eine rasche Erledigung alle
andern Rücksichten zurückgedrängt hat. Es ist daher
nur zu begreiflich, daß der Rat sich auch bei dieser Gelegenheit
eines unbequemen Ruhestörers gerne für immer entledigt hat; gerade
mit den Eberlern, die, wie schon früher betont worden ist, ein besonders
unruhiges und streitsüchtiges Geschlecht gewesen sind, hatte der Rat
bisher in dieser Hinsieht nicht gerade die besten Erfahrungen gemacht.70)
Über des Hans Eberler Familie wissen wir gar
nichts; kennen weder den Namen seiner Frau, noch diejenigen wir seiner
Kinder. Daß er eine Tochter hatte, die in Zürich verheiratet
war, ist schon früher erwähnt worden. Nun werden zwar gerade
zu Ende des 15. und zu Anfang des 16. Jahrhunderts verschiedene Eberler,
resp. Grünenzwig, genannt, deren Eltern wir nicht kennen,; doch können
dieselben ebensogut Kinder von Hansens Bruder Leonhard gewesen sein.71)
15o1 wird Hans Eberler zum letztenmale genannt und zwar wieder zu Neuenburg.
Des Hans Bruder Mathis, zubenannt "zum Agtstein",
war seines Berufs ein Wechsler und seit 1454 Mitglied des Stadtgerichts,
ferner von 146o-1471 Meister, von da an bis 1474 Ratsherr zu Hausgenossen,
welche Zunft er zwar erst 1454 erworben hatte, nachdem er schon 1450 die
väterliche Zunft zu Weinleuten erneuert hatte; daneben war er zusammen
mit Balthasar Hützschy, Verwalter des Stadtwechsels. Als zu
Ende des Jahres 1474 die umfangreichen Münzbetrügereien an den
Tag kamen, deren sich, unter stillschweigendem Geschehenlassen von seiten
ihrer Kollegen, der Münzmeister Gsell und der Wardiner Hützschy
schuldig gemacht hatten, da mußte auch Mathis Eberler nebst der ganzen
übrigen in die Angelegenheit verwickelten Gesellschaft - nebenbei
gesagt die reichsten und vornehmsten Herren der Stadt und an deren Spitze
sogar der damalige Oberstzunftmeister Hans Zscheggenbürlin! - schwören,
die Stadt nicht zu verlassen, bevor er nicht vor Rat sich zur Verantwortung
gestellt habe.72) Trotzdem verschwand er
Anfang Januar 1475 heimlich aus der Stadt und begab sich erst nach Freiburg
im Breisgau,73) dann nach Zürich und
von dort dann endlich nach Baden. Hier wurde er auch, nachdem er
sich zuvor noch seiner Verpflichtungen Basel gegenüber durch Bezahlung
einer Enschädigungssumme im Betrag von 5000 Gulden entledigt hatte,
zum Bürger angenommen. In Baden kaufte er dann im Sommer 1476
von Conrad am Stad um die kolossale Summe von 5150 Gulden dessen Hof in
den Bädern, den noch heutzutage nach seinem einstigen Besitzer sogenannten
Stadhof. 74) Von seiner ersten Ehefrau
Anna, der Tochter des bekannten Glockengießers Hans Peiger oder Peyer,
hinterließ er, so viel wir wissen, zwei Kinder: einen Sohn und eine
Tochter. Ersterer, Niclaus Grünenzwig, 75)
zog
mit dem Vater nach Baden, woselbst er seit 1492 als Richter, seit 1497
auch als Ratsherr und endlich von 1501 bis 1504 als Schultheiß erscheint.76)
Er starb zu Baden als der letzte des Geschlechts, von dem wir Kunde haben,
am 15. September 1531.77) Er war verheiratet
gewesen mit einer Engelhardt.78) Zusammen
mit dieser seiner Ehefrau hatte Niclaus Grünenzwig im Jahre 1516 in
die Klosterkirche zu Wettingen einen großen geschnitzten Altar gestiftet,
der 1843 bei der Säkularisierung des Klosters von Antiquar von Speyr
in Basel erworben und von diesem dann zu Anfang der 1860er Jahre ins Ausland
verkauft wurde.79) Auf den Außenseiten
des Mittelstückes der beiden Flügel waren, links und rechts vom
heiligen Michael, die Stifter mit ihren Wappenschilden abgebildet: Niclaus
Grünenzwig zu den Füßen des heiligen Christophorus kniend,
seine Frau zu denen des heiligen Hieronymus.80)
Des Niclaus Schwester Anna war seit mindestens 1484
die Ehefrau des Ratsherrn Hans Bär.81)
Ihr Vater hatte sich nach dem Tode seiner ersten Ehefrau Anna Peiger im
Jahre 1478 wieder verheiratet mit Walpurg Hummelberg aus Ravensburg, von
der er auch noch einen Sohn namens Michael bekam, von dem wir aber weiter
nichts wissen, als daß er 1482 beim Tode seines Vaters noch am Leben
war.82) Des Mathis jüngster Bruder,
Leonhard Eberler, ebenfalls wie sein Vater und sein Bruder Hans zubenannt
«zum Gold», mit dem wir uns zum Schluß noch zu befassen
haben, war ein Weinmann. 1450 trat er in die Weinleutenzunft ein;
doch erneuerte er daneben auch - zwar erst 1466, unter dem Meistertum seines
Bruders Mathis - die väterliche Zunft zu Hausgenossen. Von 1463-1471
gehörte er als Meister zu Weinleuten dem Rat an, gleichzeitig mit
seinem Bruder Mathis; 1473 resignierte er von seiner Ratsstelle, um dieselbe
dem ältesten Bruder, Hans, zu überlassen.83)
Auch Lienhard war gleich seinen beiden Brüdern in den Münzhandel
von 1474 und 1475 mitverwickelt und hat wohl infolge davon sein Bürgerrecht
aufgegeben und die Stadt verlassen; wohin er sich gewendet hat, erfahren
wir freilich nicht, doch treffen wir ihn 1482, zugleich mit seinem Bruder
Hans, in Baden als Zeugen bei dem Teilungsvertrag zwischen der Witwe und
den Kindern erster Ehe seines kurz vorher verstorbenen Bruders Mathis;
84)
es ist dies das letztemal, daß er genannt wird. Auch über
seine Familienverhältnisse wissen wir gar nichts, doch steht fest,
daß er verheiratet gewesen ist und daß seine Frau 1467 noch
am Leben war. Im Herbst jenes Jahres nämlich war Lienhard Eberler
mit seiner Frau nach Reichenweier gefahren, um Wein einzukaufen, den er
dann weiter «nach Swaben oder Brabant » führen wollte;
er hatte zu diesem Behufe bei einem Basler Faßbauer zwanzig gute
Fässer bestellt gehabt, die sich dann aber doch für die weite
Reise als zu schwach erwiesen, so daß der größte Teil
des Weines verloren ging, wodurch er in schweren Schaden kam. Er
klagte nun vor Gericht gegen den Handwerker, der ihm die Fässer geliefert
hatte, auf Schadenersatz, doch wurde er mit seiner Klage abgewiesen.85)
Seitdem lebte er, wie übrigens aus ähnlichen Ursachen auch sein
Bruder Hans mit dem Rate mehr oder weniger auf dem Kriegsfuße.86)
Es ist bezeichnend für den raschen Niedergang
des Geschlechtes in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts,
daß man in jenen Jahren seine Glieder sozusagen nur noch in den Gerichtsakten
erwähnt findet; eine maßlose Heftigkeit und Starrköpfigkeit,
verbunden zum Teil mit einem gewissen
junkerlichen Ubermut - welch letzteren wir vielleicht am stärksten
bei Hans Eberler ausgeprägt finden 87)
- hat es dazu gebracht, daß im Verlauf von nur wenigen Jahren die
Familie spurlos wieder aus Basel verschwand. Und doch sind andererseits
die letzten Repräsentanten des Geschlechts
jedenfalls durchaus keine unbedeutenden Männer gewesen - bloß
nur Raufbolde - sonst hätten sie doch wohl nicht alle ohne Ausnahme
noch im Rate der Stadt gesessen. In seinem allerletzten Vertreter
dann freilich, der zwar ja nicht mehr in Basel weilte, sehen wir die Familie
nochmals eine Höhe erklimmen, die nach den letzten unruhigen Zeiten
in ihrer stillen Ruhe um so imponierender wirkt; sie bilden doch für
uns einen ganz besonders versöhnlichen Abschluß der Eberler'schen
Familiengeschichte, die Worte des Badener Landvogtes an den Rat von Zürich:
daß da soeben der greise Altschultheiß Grünenzwig gestorben
sei, man trotz der Wichtigkeit und Dringlichkeit der Geschäfte den
Großen Rat jetzt nicht einberufen könne.88)
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