4) Die Tracht
Geschichte
Die Männertracht hat zum größten
Teil der ausdruckslosen Stadtkleidung Platz gemacht. Nur Jacke und Weste
haben meist noch ihre alte Form gewahrt. Die Weste ist ganz geschlossen,
hat einen niedrigen, aufrecht stehenden Kragenrand und hat 16 Knöpfe,
gewöhnlich aus Perlmutter, zweireihig angeordnet. Auf jeder Seite
sitzt oben ein einzelner Knopf; nach einem größeren Abstande
folgen die andern sieben Paare in kleinen, gleichmäßigen Zwischenräumen.
Die kurze schwarz und violett oder schwarz und weinrot gekastelte Jacke
hat einen Umlegekragen und zwei Reihen von je 6 Knöpfen in gleichen
Abständen, den obersten über, den zweiten auf der umgeschlagenen
Ecke. Die Jungen besonders gehn im Sommer meist ohne Jacke, nur mit Weste.
Die langen Ärmel des dunkelroten
Flanellhemdes machen einen Schönwälder Jungen schon von weitem
kenntlich. - Die Langschäfter der Männer behaupten sich aus praktischen
Gründen. Die Pelzmütze aber und der im Sommer getragene
niedrige Tellerliut aus Filz haben dem Strohhute oder dem eingekriiffenen
weichen Filzhute weichen müssen. Früher gehörte zur
Staatskleidung des Mannes noch ein langer, schwarzer Tuchmantel, dessen
hoher Umlegekragen bis an die Ohren reichte. Er war das Zeichen
der Volljährigkeit. Wenn der Bursche seine Dienstzeit beendet
hatte, oder wenn er für militäruntauglich erklärt worden
war, schaffte er sich einen solchen Mantel an. Bis dahin ging er
in der kamsele, einer ziemlich langen, eingefaßten schwarzen Tüchjacke,
die etwas Taille und hinten zwei kleine Falten hatte. Zweimal sechs
große schwarze Porzellanknöpfe saßen in zwei Reihen vorn,
hinten über den Falten je einer und einer auf jedem Ärmelaufschlage.
Heute ist diese Art Jacke ausgestorben.
Den Mantel zog man nur in die Kirche an, nie ins Gasthaus. Der
Bräutigam trug ihn zur Trauung nur umgehängt. Früher
gehörte er auch zur Tracht der Kränzelherren. Erst wenn
der Mantel als Festkleid ausgedient hatte, wurde er zum Fuhrmannsmantel.
Heute ist die Fuhrmannszeit freilich längst vorbei. Als das
Fuhrwesen noch blühte, trug der Fuhrmann einen hohen, steifen Hut,
lange, unten umgekrempelte Hosen und einen breiten Ledergurt. Der
hellgraue, unbezogene, mit dem Leder nach außen gekehrte Schafpelz
wird heute noch von den Männern getragen. Kragen und Ärmelaufschläge
sind von schwarzem Schaffell.
Die Frauen haben ihre Kleidung besser gewahrt.
Aber auch da ist in neuerer Zeit schon vieles geschwunden. Das einem
Sacke ohne Boden gleichende, aus gröbster Leinwand gefertigte Unterhemde
[schpoide] der ärmeren Leute ist nicht mehr üblich. Es
wurde zusammen mit dem weißleiienen Oberhenide durch das Mieder festgehalten.
Jetzt gilt allgemein das Hemde aus einem Stück. Die teuren roten
Frauenstrümpfe [foka] mit ihren zahlreichen großen Querfalten
[fauda] werden nicht mehr getragen. Ein einziger Händler, der
fokaklop, der jedes Jahr zu Allerheiligen ins Dorf zu kommen pflegte, versah
früher den ganzen Ort damit und strich für jedes Paar einen Taler
ein. Verschwunden sind auch die einst bei Frauen sehr beliebten Schuhe
aus schwarz-blauem Samte mit grünen Bändern.
Über das weiße Leinenhemde, dessen kurze
Ärmel mit einem meist roten oder grünen Bande, dem iêmobant,
zusammengebunden sind, wird das Mieder [broslak'] gezogen. An ihm ist unten
zu beiden Seiten oberhalb der Hüften eine Wulst, die "Wurst", über
der die Kleider mit dem obersten Rande, dem k'etsk'alems, festgebunden
werden. Dadurch bekommen alle, Frauen wie Mädchen, vor allem
von rückwärts gesehen, eine etwas unförmige Gestalt, indem
die Taille unverhältnismäßig hoch, unmittelbar unter der
Brust sitzt. Die dementsprechend kurze Jacke [flente] erhöht
noch das
Absonderliche des Aussehens. Zu Hause und in der Arbeit wird
gewöhnlich nur das Mieder getragen. Sonst wird darüber
ein kleines, dunkles Umschlagtuch mit buntblumigem Rande geschlagen [fimaticho],
eigtl. Vormachtüchell, dessen Enden vorn zwischen Mieder und Rockrand
[k'etsk'alems] festgesteckt werden.
Zum Ausgehn kommt im Sommer die langärmelige
Flente, im Winter der Faulenzer über das Mieder. Die kurze,
kaum bis unter die Brust reichende Flente hat unten und an den Ärmeln
einen mindestens 6 cm breiten schwarzen Samtbesatz, der am oberen Ende
von einem schmalen, mit schwarzen Glasperlen besetzten Streifen begleitet
ist. Sie ist nur oben am niedrigen Kragen [lems] zugehakt; von da
aus ist sie nach unten ausgeschweift und abgerundet, so daß das fimaticho
und der "Brusttleck" [broslak'] hervorguckt. Erst eine neuere Form
ist ganz geschlossen und zum Zuknöpfen. Bei der Feldarbeit wurde
die vorn offen stehende Flente abgelegt, und über die bloßen
Arme wurden zum Schutze gegen das Zerkratzen durch die Ähren dünne
Tuchärmel gezogen. Die geschlossene Form der Flente, die für
die Arbeit praktischer ist und heute darum lieber getragen wird. wird auch
zur Feldarbeit anbehalten. Der Faulenzer gleicht der Flente, aber
er ist gefüttert, und es fehlt der Samtbesatz. Statt dessen
ist das Tuch unten herum in derselben Breite stärker gefüttert
und abgesteppt.
Der faltige, weite, bis an die Knöchel reichende
Rock ist meist schwarz. Ein besonderer Feiertagsrock, der an hohen
Kirchenfesten und an den ersten Sonntagen im Monat von Frauen und Mädchen
auf dem Kirchgange getragen wurde, hatte unten herum einen etwa 4 cm breiten
Rand aus ziegelrotem Tuche. Danach hieß er k'etsk'e met reotem.
Heute tragen ihn nur noch die Braut und die Brautfrauen bei Hochzeiten.
Sonst gilt der einfarbige Rock. Über den Rock kommt eine lange, breite
Schürze mit breiten, meist bunten Bändern. Sie ist dunkelrot,
dunkelgrün oder schwarz, aus Seide oder Samt oder aus unauffällig
geblümtem Stoff. Blaue Farbe ist weniger häufig; ganz vermieden
wird das Gelb. Unter der Schürze hat der Rock oft einen großen
Einsatz. Um Stoff zu sparen, nimmt man Futterbarchent für die
Stelle, die doch beständig von der Schürze bedeckt ist.
Es ist eine Verkennung der eigentlichen Absicht, wenn statt dessen Plüsch
genommen wird,
Statt der Flente wurde an Festtagen als Kirchentracht
die Faltenjacke getragen, die länger als jene, an der Taille eingezogen,
vorn unten glatt war und hinten sechs Falten hatte. Sie war aus schwarzem
Tuch, dunkelrot gefüttert, hatte an den Ärmeln blauen, unten
herum und vorn bis unter den Kragenrand roten Besatz, wie ihn der Feiertagsrock
hatte. Der Kragen war wie bei der Flente. Im Winter trat an
Stelle der Faltenjacke das Pelzchen aus graublauem Tuch. Unten herum
war roter Besatz, unter dem das Pelzfutter, meist Schaffell, hervorguckte.
Vorn, um den Hals und um die Ärmel lief ein breiter Pelzbesatz, gewöhnlich
aus gutem Karnickelfell. Das Pelzchen hatten nur Frauen. Jetzt
stirbt es aus, und die Faltenjacke wird nur noch zu Hochzeiten von der
Braut und den frauadruschk'a und mat'chadruschk'a der Braut und des Bräutigams
getragen.
Früher hatten die Mädchen vorn an der
Jacke eine kleine Schleife, das schlepcha, und um den bloßen Hals
an hohen Festen eine Krause mit rotem und grünem Bandbesatz.
Die Frauen trugen die Krause nur bei Hochzeiten. Heute wird sie nur
bei Hochzeiten von der Braut und allen druschk'a getragen.
Eigenartig und mannigfaltig war besonders der Kopfputz
der Frauen. Über den Kopf kam die zum Zusammenziehen eingerichtete,
eng anliegende Haube aus weißer Leinwand . Das Haar wurde darunter
zusammengelegt und eng um den Kopf gewickelt. Um die Stirne wurde
über die Haube die Borte gebunden. Das ist ein weißer
Streifen aus feiner Leinwand, mit bunten Fäden, oft auch mit runden,
goldfarbenen Scheibchen benäht. Über die Haube kam die ebenfalls
weiße kapitse mit gebrauster Spitze. Hinten in der Mitte und
vorn an beiden Seiten hängen zwei Zoll breite, bis unter die Taille
reichende bunte Bänder in je zwei Enden herab. Das hintere ist gewöhnlich
wasserblau. Die vorderen wechselten wohlhabende Frauen früher
nach den Kirchenfarben. Zur Fastenzeit und im Advent trugen sie violette,
an den hohen Feiertagen rote Bänder. Karfreitags waren alle
drei Bänder schwarz, ebenso bei tiefer Trauer das ganze Trauerjahr
hindurch. Bei Hochzeiten sind heute die vorderen Bänder rot
und grün. Alle diese kapitsaschnicha (-schnürchen) oder
-tsapcha sind mit bunten Blumen und Blättern oder sonstigem Schmuckwerk
verziert; die schwarzen waren gewöhnlich mit roten Herzen versehen.
Die Winterkapitse war leicht gefuttert, der Überzug von roter Seide
mit grünein Rande und gelbem Vorstoß. Den Kopf umrahmte
wie bei der weißleinenen Somrnerkapitse eine weiße Krause.
Über die Kapitse kam in der kühleren Jahreszeit
und bei Hochzeiten schließlich die Mütze, gewöhnlich aus
roter Seide, oder auch braun und grün schillernd. Sie war von
einem breiten Pelzbesatze eingefaßt, dem breasem. Auch an der
Mütze waren rote und grüne Bänder, die man vorn und hinten
herunterhängen ließ. Seit dem Kirchbau wird diese Feiertagskopftracht
nur noch bei Hochzeiten getragen; aber auch dann haben sie nicht mehr alle
Frauen, sondern mir die frauadruschk'a. Im Sommer trugen die Frauen
früher an hohen Kirchenfesten und an den Monatssonntagen das weiße
Kopftuch, das die Mädchen das ganze Jahr hindurch trugen. Das
war ein dreieckiges, auf zwei Seiten Mit einer breiten Spitze besetztes
Glanzleinwandtuch, das kunstvoll um den Kopf gefaltet wurde, wobei die
in einer Ecke befindliche kleine schwarze Stickerei nach hinten kam und
die Spitze, die jedesmal beim Waschen abgenommen werden mußte, den
Hinterkopf bis an die Ohren umrahmte. Die Mädchen trugen dieses
Tuch auf dem bloßen Kopfe, die Frauen legten es über die kapitse,
so daß es bei ihnen völlig die Stelle der rotseidenen, pelzverbrämten
Mütze einnahm. Die Frauen waren also, wenn sie nicht die Mütze
trugen, die das Vorrecht der Frauen war, von vorn an dem Stirnbändchen,
von hinten am Fehlen des Zopfes und an den Kapitsenbändern als verheiratete
Frauen kenntlich. Die weiße Glanzleinenhaube gehörte auch
zur Trauertracht. Die nächsten Verwandten, Frauen wie Mädchen,
trugen sie; die Frauen hatten außerdem, wie oben erwähnt, schwarze
Kapitsenbänder. Um die Lenden hatten alle weiblichen Leidtragenden
das weiße Lenden- oder Totentuch geschlungen.
Heute ist das weiße Glanzleinenkopftuch ganz
verschwunden, und die rotseidne, pelzverbrämte Miltze der Frauen wagt
sich nur noch spärlich an Hochzeiten hervor. Da Männer
und Frauen getrennt sitzen, muß es an Feiertagen ein stattliches
Bild gewesen sein, wenn die eine Hälfte der Kirche im Winter ein Gemisch
von Rot und Weiß und im Sommer ein weisses Glanztuch neben dem andern
aufwies. Daß dies Bild verschwand, daran ist der Kirchbau schuld.
Die Kirche wurde nämlich allmählich umgebaut, ohne daß
ihre Benutzung aufhörte. Da gab es beständig Staub und
Schmutz. Man ging infolgedessen während des Baues im Alltagskleide,
nur mit den schwarzen Kopftüchern und in den gewöhnlichen Röcken
zum Gottesdienst. Als der Umbau fertig war,
fingen wohl einige Frauen wieder an, mit dem rotbesetzten Kirchrocke
und der Glanzhaube zu erscheinen. Da hetzten jedoch einige Betschwestern
den damaligen Pfarrer auf. Die Frauen stunden vor der Kirche stundenlang
am Spiegel und putzten sich; das sei unwürdig und nichts als Eitelkeit.
Auf dieses Geschwätz hin forderte der Pfarrer die Frauen auf, weiter
in ihrer schmucklosen Alltagstracht mit den Kopftüchern zu kommen
So ward der althergebrachten Kirchentracht für immer ein Ende gemacht.
Die frühere Wochentagstracht hat den Feiertagsstaat
ganz verdrängt. Früher war der Zopf das Vorrecht der Mädchen;
viele trugen zwei Zöpfe, wer aber seinen guten Ruf verloren hatte,
durfte nur einen Zopf tragen. Heute lassen Frauen wie Mädchen
das Haar in einem Zopfe lang herabhängen. Über den bloßen
Kopf legen beide ein schwarzes Tuch mit buntblumiger Kante. Deshalb
sind sie in dieser Tracht heute gar nicht mehr voneinander zu unterscheiden.
Im Winter tragen allerdings die Frauen zum Schutze gegen die Kälte
noch die Mütze über dem bloßen Kopfe und darüber das
Kopftuch. Der darunter hervorguckende schmale Streifen des grauen
Pelzbesatzes der Mütze kennzeichnet dann die Trägerin noch als
verheiratete Frau.
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