Die Mundarten, die hauptsächlich auf dem
linken
Oderufer gesprochen werden und im schlesischen Gebirge besonders
auffällig
sind -darum werden sie auch kurz Gebirgsdialekt genannt-, sind in
unseren
Sammlungen und in Einzeldarstellungen ziemlich gut vertreten.
Ausflüge
und Sommerfrischen begünstigen die Untersuchung. Anders
steht
es mit dem auf dem rechtem Oderufer, soweit es deutsch ist, vertretenen
diphthongierenden Dialekt. Treffliche Proben brachte aus
Klein-Ellguth
das letzte Heft (XI 79 ff.). Doch sonst ist diese Gegend wenig besucht
und von ihrer Sprache wenig gesammelt. - Ich bin früher schon
mehrmals
in der Gegend zwischen Oels und Bernstadt herumgestreift. Reste
eines
Weihnachtsspiels und andre Proben befinden sich in den
Sammlungen.
Voriges Jahr gab mir das Manöver besonders an einem Ruhetage
Gelegenheit,
reichlicher zu beobachten und vor allem der Mundartenscheide
nachzugehen.
Auf Blatt 425 der Generalstabskarte lässt sich die Linie
von SW nach NO bis um Bernstadt, von da nach NNO weiter verfolgen. Das
Verhältnis gestaltet sich folgendermassen:
diphthongierend Gebirgsmundart.
Katzur
Minken (Fürsten-Ellguth, Lampersdorf)
Schmollen, Vielguth, Gross-
und
Mühlatschütz (Prietzen, Windisch-Marchwitz)
Klein
Ellguth
Zantoch
Sadewitz, Gr.- und
Kl.-Zöllnig
Postelwitz (Kraschen)
Cunzendorf (Weidenbach)
Korschlitz (Woitsdorf, Wilkau, Buchwald)
Wabnitz
Unvermittelt stehn hier, nur um wenige Kilometer getrennt, beide
Mundarten
nebeneinander. Und nicht weit davon geht auch die Grenze, welche im
Osten
das Polnische abscheidet. Wo die Gebirgsmundart herrscht, handelt
es sich um zurückerobertes, früher polnisches Sprachgebiet1).
Hier ist also nicht die Mundart der westlichen Nachbargemeinden
eingedrungen,
sondern die Beeinflussung kam von Süden her. Und streng
geschieden
stehn bis heute beide Bezirke nebeneinander, so dass die Bewohner des
einen
die des andern kaum verstehn.
Diese Darstellung bedarf gewiss noch der
Ergänzung
und Vervollständigung. Ich hoffe, gelegentlich mich
länger
in dieser Gegend herumtreiben zu können. Für
Mitteilungen
wäre ich dankbar.
Sadewitz, Gross- und Klein-Zöllnig sind auch
sonst noch merkwürdig. Soviel ich weiss, sind diese
überwiegend
katholischen Dörfer eine Enklave im sonst evangelischen
Gebiete.
Sie sind auch Bauerdörfer, während die Umgegend meist aus
grossen
Latifundien besteht, die zur Oelser Herrschaft gehören.
Einige Sprachproben der diphthonglerenden Mundart
aus Gross- und Klein-Zöllnig mögen zur Erläuterung
dienen
und die Proben aus Klein-Ellguth (XI 82 ff.) ergänzen.
Vielleicht
erwecken sie auch die Mitarbeit des einen oder andern. Denn
zahlreiche
genaue Wiedergaben der Mundart tun not.
Sommerlieder.
1. Frau Wirtin hat an langen Râuk2)
3. Ich kumme zum Summer,
Si grefft âu gern an
Eiertâup.
Juôit mer ok a Pummer,
Si wird sich wull
bedenken,
Doss a mich ni besst,
Si wird mer wull eis
schenken.
Doss a mer ni uf a Summer schesst.
(vgl. XI 82.)
2. Ich stê ufm
Staine,
4. Summer, Summer îbersch Hôus,
Sis mer kâlt a de
Baine;
Brengt mer ock an Prâtzel rôus;
Gatt mer ock a
Kachel,
Ich kuâon nich lange stêin,
Da wâr ich wâider wetter
wackeln.
Ich muss wêider wetter gin.
(vgl. XI 83.)
5. Frau Wirtin sitzt uf der Ûwebank,
De hôt a Geldsâk â der Hand.
Se wird sich wull bedenken,
Se wird mer wull an Tuâuler schenken.
Kinderlieder
1. Schlauf, Kindel,
schîre!
4. Sûse, liebe Ninnei,
Der Vuâuter gêit zum
Biere,
Wuâos raschelt im Strûh ?
De Mutter gêit zum külen
Wain,
De Bullerle3) sein drinne
Se wann alle beide ni lange
sein.
De huâon keine Schûh.
Se kumm schun hingerm
Zaune
Der Schuster huâut Lâder,
Und pflucken am Kindel arm Flaume
Kinn Leisten darzu,
2. Schlauf, Kindel,
lange!
Da missen de Bullerle
Der Tôut sitzt uff der
Stange
Barbest gêin sû.
A huâut an wêissen Kitte
uâo
5. Schlauf, Kindel, schlauf!
A will de bêise Kinder mêite
huâon.
Da Vuäuter schlacht a Scha
3. Schlauf, Kindel,
feste!
A triät das Fâl uf Brassel,
Es kummen fremde
Gäste,
A brengt am Kind a Masser,
Die Gäste di de kummen
rein,
A triät das Fâl uff Pummerland,
Das sind di lieben
Engelein.
A brengt am Kind a Wiegeband
6. Schlauf, Kindel, schlauf!
Der Vuâuter is a Schauf,
De Mutter is a Tûseltier,
Wos kannst du armes Kind dafür?
Schlauf, Kindel, schlauf!
Aberglauben
Mêne Hinder liäin ni, und do huâu ich anne Muâid und die suâite: "Frau, ich war ze ann Sâk sacken und do truâoi ich se hing nôus un do gêich uff Nuckwersch Granze und do driä ich mich drê mol mit a Hindern und ich bât a Vaterunser und dernau schlepp ich se der Kreuze und der Quâre4) und do kumm ich wêider heim und ich luss se rôus und da wann se schu liäin".
Fußnoten :
1) Vgl. Partsch, Schlesien I, Karte bei S. 364.
2) Das ^ bezeichnet denjenigen Bestandteil zusammengesetzter,
Selbstlauter,
auf dem der
Hauptton liegt. Dieser Laut ist zwar
länger
als die vor- oder nachklingenden Bestandteile
des Diphthongen, erreicht aber nicht ganz die
Dauer eines langen einfachen Vokals.
3) die jungen Gänse
4) in Kreuzesform