§ 105 Hauptmann Friedrich v. Blücher [672]

    Als am 14. April 1708 Ernst Ludwig I v. Blücher [1344] zu Sukow starb, befand sich sein älterer Sohn Anton, der etwa 29 Jahre zählte, in einem dänischen Regiment bei der Armee des Prinzen Eugen; der jüngere aber, Friedrich Ludwig, geboren 1686 (getauft am 21. Juli), der also die Volljährigkeit noch nicht erreicht hatte, stand sei 1707 als Cornet, dann als Leutnant im Seckendorfschen Regiment bei der Reichsarmee am Oberrhein, die unter dem Oberkommando des Markgrafen von Brandenburg-Ansbach gegen die Franzosen focht. Keiner von beiden konnte dem Begräbnis des Vaters am 14. Juni beiwohnen. Friedrich, von des Vaters schwerer Krankheit benachrichtigt, eilte nach Hause, empfing aber bei einem Sturz mit seinem Pferde so schwere Verletzungen, daß er lange zu Rothenburg ob der Tauber auf seine Heilung warten mußte. Im November 1708 finden wir ihn bei der Mutter zu Güstrow. Damals mochten sie noch die Heimkehr des älteren Bruders, Anton, erwarten; bald hiernach aber traf die Botschaft von dessen Tode ein. Friedrich war nun der einzige Lehnerbe zu dem gute Sukow; er nahm darum, als Hauptmann, seinen Abschied. Die Mutter, Marie geb. v. Bredow, muthete für ihn, da er noch minderjährig war, am 9. Februar 1709. Sie war indessen nicht geneigt, die Verwaltung länger zu führen, als bis der Sohn die Volljährigkeit erreichte. In Folge einer Erbteilung zwischen der Witwe v. Blücher und ihren Kindern erhielt Friedrich Trinitatis 1711 „das Gut Suckow mit dessen pertinenti Gemeckendorff“, „sowie – es sein sel. Herr Vater bis dato genutzet und besessen“, für nur 36000 Gulden.
    Noch bevor er das Gut übernahm, verheiratete sich Friedrich v. Blücher mit Barbara Eleonore v. Lowtzow, der zweiten Tochter des weiland dänischen Oberstl.-Wachtmeister Christoph v. Lowtzow auf Teschow, Mistorf und Pohnstorf und der damals noch lebenden Eva geb. v. Lehsten (aus dem Haus Wardow). Die Ehepakten wurden zu Teschow am 15. Februar 1711 unterzeichnet.
    Übrigens verhinderte diese neue Verwandtschaft mit der Familie v. Lowtzow nicht, daß Friedrich v. Blücher von Eler Detlev v. Lowtzow wegen der Gehmkendorfer Pertinenz von Levitzow, wie wir oben gesehen haben, Tönnies v. Blücher erworben hatte, in Anspruch genommen ward. Blücher berief sich seinerseits auf den erwähnten Vertrag vom Jahre 1667, in welchem die v. Lowtzow sich der Reluition für sich und für ihre Nachkommen begeben hatten. Die Echtheit dieses Schriftstückes mußte der Kammerjunker v. Lowtzow auch anerkennen, aber er bestritt die Verbindlichkeit. Der Schluß der Prozeßakten fehlt uns; da jedoch seitdem von Bücherschem Besitze zu Gehmkendorf nicht mehr die Rede ist, so können wir nicht bezweifeln, das v. Lowtzow die dortigen Gehöfte von Blücher eingelöst hat.
    Blücher hegte im Gegensatze zu seinem Vater ein reges Interesse für die Landesangelegenheiten; in dem Streite der Ritterschaft mit dem Herzoge Karl Leopold stand er, wie die meisten Mitglieder seiner Familie, auf Seiten der Ersteren. Als der Engere Ausschuß vor dem Herzog Karl Leopold nach Ratzeburg geflüchtet war und der Herzog von jedem Gutsbesitzer Ende April 1718 einen eidlichen Revers verlangte, daß er „an den boshaften, zu einer öffentlichen Rebellion abzielenden Schriften und Unternehmungen“ des Engeren Ausschusses „kein Theil nehme, noch zu nehmen gedenke“: da entzogen sich viele der Unterschrift, indem sie verreisten; andere verweigerten solche; und manche, die sie bereits gegeben hatten, widerriefen sie. Fast alle diese verloren einstweilen ihre Güter, indem dieselben unter fürstliche Administration gestellt wurden.
    Auch Friedrich v. Blücher war, als die herzogliche Kommission auf Sukow am 2. Mai eintraf, nach Pommern verreist, kehrt jedoch auf eine an ihn ergangene Ladung zurück. Er erklärte sich am 6. Mai bereit, zu beschwören, daß er „an einigem strafbaren Verfahren der Land-Räthe und Deputirten zum Engeren Ausschusse keine Theil hätte, noch zu nehmen gedächte“ usw.; „übrigens aber die bei dem Lande in Eid und Pflicht stehenden Land-Räthe und Deputirte vom Engeren Ausschuss vermöge des vorgelegten Eides für Rebellen zu declariren, stünde in seinen Kräften nicht“. Doch wolle er dem Herzog seine Unschuld selbst vortragen und darüber gnädigste Remedur erwarten. Die Antwort genügte den Kommisarien nicht; sie nahmen vielmehr das Gut bis zu ausgemachter Sache „in Possession“ und übertrugen die Verwaltung und Berechnung dem von ihnen in Eid und Pflicht genommene bisherigen Gutsinspektor Blüchers.
    Durch den Landrat v. Bassewitz erreichte indessen der Hauptmann v. Blücher, daß der Herzog ihn schon am 10. Juni „die völlige und geruhige Possession seines Gutes wiederum einräumen ließ“, und auch die zu Sukow „zur Gräsung einquartirten Dragoner-Pferde“ auf ein anderes, in Versicherung genommenes Gut zu verlegen befahl.
 Die Lage der vermittelnden Partei unter den Gutsbesitzers ward nun aber sehr schwierig; denn von Ratzeburg her ergingen an die ritterschaftlichen Ämter Schriften voll der schärfsten Ausdrücke über die, welche den Revers unterschrieben hatten. Blücher fürchtete ,es würde dadurch in der Ritterschaft die größte Uneinigkeit entstehen, und sprach gegen Bassewitz schriftlich den Wunsch aus, daß man sich mit anderen Standesgenossen in diesem Sinne vereinigen und den Engeren Ausschuß noch vor der Eröffnung des bevorstehenden Landtages auffordern möge, sie mit solchen Schriften zu verschonen.
    Dazu kam es aber anscheinend nicht. Die Spannung und beiderseitige Unnachgiebigkeit hatte ihren höchsten Grad erreicht.  Zudem Landtage, dem letzten, welchen der Herzog Karl Leopold am 21. Juni 1718 nach Sternberg berief, waren neben den Mitgliedern der Ritterschaft, welche sich, wie Blücher, dem Herzoge fügten, auch einige wenige geladen, welche ihre Unterschrift nicht gegeben hatten. Diese erschienen, weigerten sich indessen auch hier noch zu unterzeichnen, und wurden darauf von der fürstlichen Gesandtschaft des Landtages verwiesen. Dadurch sah nun aber die Ritterschaft die Freiheit des Landtages beeinträchtigt; und Friedrich v. Blücher übernahm mit v. Plönnies den Auftrag, der fürstlichen Gesandtschaft „beyzusprechen, daß solches Verfahren nicht aufs Künftige zum Präjudiz gereichen möchte“. Der Landtag führte keine Verständigung herbei; her Herzog gab allgemeine gnädige Versicherungen, aber auf die Wünsche der anwesenden Mitglieder der Ritterschaft, die schweren „Portionen“ zur Erhaltung der großen, wesentlich als Exekutionstruppen gegen die renitente Ritterschaft verwandten Armee zu ermäßigen und den Landtag zu prorogieren, gingen seine Räte nicht ein; ebenso erfolglos war der schwach besuchte Konvokationstag zu Güstrow im Juli 1718. – Ein Erlass des Herzogs vom 5. August, die adeligen Güter den Eigentümern wieder einzuräumen, fand kein Vertrauen mehr; die herzoglichen beamten warteten auch nicht einmal mehr den befehl ab, gegen die Ritterschaft wieder vorzugehen. Als am 31. Oktober der Amtmann Müller zu Neukalen von der Regierung angewiesen ward, das Gut Sukow „Fordersambsten in Possession zu nehmen“, antwortete er, „daß solches schon vorlängstens bewerkstelliget“. „Da vernommen, daß der Edelmann Blücher sein Gut verlassen, welches Medio Augusti ohngefähr war, so habe [ich] soft die Possession im Namen Sr. Hochfürstl. Durchl. Allda genommen, habe auch einen Administratoren dahin gesetzt“. Von Letzterem war das Gut auch im November noch verwaltet; im Februar 1719 finden wir dagegen auf demselben einen Pächter. Als dann aber im Frühling 1719 Hannoveraner und Braunschweiger als kaiserliche Exekutionstruppen gegen den Herzog Karl Leopold das Land besetzten, wird auch der Hauptmann v. Blücher, wie seine Standesgenossen, auf sein Landgut zurückgekehrt sein.
    So viel man sieht, hat er sich bei den Landesangelegenheiten fernerhin nicht mehr beteiligt. Wie sein Großvater und sein Vater sah auch er sich bald durch eine langwierige Lähmung an sein Haus gefesselt; er schreibt 1725, daß er schon seit einem halben Jahre auf Krücken gehen müsse. Dessen ungeachtet bewirtschaftete er sein Gut so rationell,  als man es damals verstand. Namentlich hielt er auf seinem Gute eine Brennerei, und vorzugsweise suchte er den übermäßig großen Holzbestand auf das rechte Maß zurückzuführen. Er räumte nicht nur unter der großen Zahl bereits schadhaft gewordenen alter Eichen auf, sonder schloß auch am 28. mai 1729 mit dem Rostocker Ratsverwandten Walther Stein einen Kontrakt über eine im „Sukower Walde“ (an der Jördenstorfer, Pohnstorfer und Schwetziner Scheide) anzulegenden Glashütte ab. Diese bestand auch schon im Jahre 1732; doch hat der Hauptmann v. Blücher die Anlage nicht mehr erlebt. Er starb Anfang Juni 1729, also in seinem 43.  Lebensjahre.
    Da bei dem Tode des Hauptmanns sein ältester Sohn erst 17, der jüngste erst 4 Jahre zählte, so nahm seine Witwe nach dem Willen ihres Gemahls das Gut Sukow selbst in Pension und verwaltete es bis 1735, wo sie es ihrem ältesten Sohn übergab. Sie scheint dann ihren Wohnsitz zunächst in Güstrow genommen zu haben; im Juni 1764 wohnte sie aber zu Dobbertin, wo sie wahrscheinlich bis ihrer (1763 selbst verstorbenen) Tochter gelebt hatte; dann zog sie sich nach Waren zurück und beschloß hier am 24. August 1766 ihre Tage, nachdem ihr von fünf Kindern  drei vorangegangen waren.
    Diese Kinder waren :
    1) Ernst Ludwig, geb. 1711 (getauft am 16. Oktober)
    2) Eva Margarete, geb. 1713, gestorben als Konventualin zu Dobbertin am 22. März 1763.
    3) Magdalena Oelgard, (geb. 1720?), als Konventualin zu Malchow gest. am 27. August 1764.
    4) August, geb. 1723
    5) Christoph Anton, geboren 1725, + Berlin 4. Juni 1793

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