§ 114 Hofmarschall Joachim Ernst auf Kittendorf und Klausdorf [1348]

Der einzige Sohn Joachim v. Blüchers [2696], Joachim Ernst, erbte von seinem Vater in Gemeinschaft mit seinen Schwestern den Pfandbesitz der einen Hälfte vom Gute Levitzow. Doch war dieser nur vorübergehend, da der Rittmeister Heinrich v. Lowtzow diese Hälfte, wie die übrigen in die Hände von Gläubigern geratenen Stück seines Stammgutes einlöste.
    Wichtiger ward die Erbschaft des Gutes Kittendorf im Amte Stavenhagen. Dasselbe zählt jetzt zu den schönsten und größten Landgütern in Mecklenburg; bei einer Ausdehnung von mehr als 800.000 qR steuert es beinahe 5400 Scheffeln; das neue Herrenhaus überragt durch Größe und Geschmack die meisten ähnlichen Wohnsitze Mecklenburgs. Damals aber, als sie Familie von Blücher zuerst zu Kittendorf in Beziehung kam, sag es daselbst sehr traurig aus. Dem Besitzer, dem Freiherrn Franz Joachim v. Maltzan, war im „Gallas’schen Ruin“ (im Jahre 1636, als Gallas die Kaiserlichen nach Mecklenburg führte) „all das Seinige genommen.“ Die nächsten Jahre waren nicht darnach angetan, Mecklenburg aufatmen zu lassen. Es ist daher sehr gläublich, daß der Freiherr trotz der Vorzüglichkeit seines Landgutes „nichtes mehr gehabt dann ein Kleid aufm Leibe und den Degen an seiner Seiten“, als er sich 1639 nach Sukow begab, mit der Absicht, bei dem reichen Tönnies (IV) v. Blücher um seine Tochter Anna Maria zu werben. Er fand Gehör, und in den Ehepakten vom 24. Juli 1639 verhieß Tönnies dem Freiherrn Antoni 1640 6000 Gulden Ehegelder zu zahlen, dazu sollten 2000 Gulden aus der Braut eigenem Vermögen kommen; Tönnies versprach seiner Tochter ferner eine Halskette zu 2000 Gulden, ein Paar Armbänder zu 100 Gulden, Kisten und Kasten, zum Ersatz mangelndem Geschmacks 500 Gulden und wegen der Hochzeit auch 500 Gulden, alles zu demselben Termin. Dagegen gelobte der Freiherr Franz Joachim v. Maltzan seiner Braut 600 Rthlr. Morgengabe und, falls sie ihn überleben sollte, 4000 Gulden Besserungsgelder, hab Vieh und Fahrnis, freie Behausung, Pferde und Wagen, Trauerkleider etc., bei der Verpfändung seiner Habe und Güter.
    Das waren Ehepakten, wie man sie hier zu Lande gegen das Ende den 30jährigen Krieges sonst nicht leicht findet. Aber der Schwiegervater, der in Geldangelegenheiten äußerst vorsichtig geworden war, zahlte nicht, da ihm der Schwiegersohn nicht die nötige Sicherheit bieten konnte; das junge Paar geriet auf dem fast verödeten Gute in größte Bedrängnis. Die Frau wusste indessen, was sie zu tun habe; sie entsandte eine reisigen Knecht nach Stralsund, der dort von ihren Kleinodien, Perlen usw. für 1000 Gulden verkaufen mußte, und diese Summe verwandte der Freiherr, wie er im März 1642 bezeugt, bei der Wiederbeziehung und Einrichtung seines Gutes Kittendorf sonderlich zur Erkaufung von Saatkorn, Pferden, Ochsen und Kühen. So zog nun also das freiherrliche Paar ein – nicht in das herrschaftliche Wohnhaus, das gänzlich verfallen war, sondern in den notdürftig zu einer Wohnung umgestalteten Reitstall. ... Es war ihm, wiewohl er hernach die Ehegelder der Frau empfing, nicht vergönnt, die Wiederherstellung seines Wohlstandes zu erleben, er starb um Neujahr 1648.
Seine Witwe blieb auf  Kittendorf wohnen, als auch sie sich nach einigen Jahren (vor 1653) aufs Neue mit dem schwedischen Major Bernhard von Sanitz verheiratete. Freilich fehlte es nun nicht an Anfechtungen von Seiten der Lehnerben. Zunächst kam im Juli 1649 ein junger Lehnvetter aus Hinterpommern, Jürgen Heinrich v. Maltzan, um als nächster Agnat, weil sein Vater Jürgen ein Bruder Bernd Lüdke Maltzans und ein Vaterbrudersohn Franz Joachims gewesen sei, die von Bernd Lüdke und Franz Joachim hinterlassenen Lehngüter Penzlin, Wustrow, Helle, Kittendorf, und wie sie Namen hätten, zu muthen; und wirklich empfing er, da ihm seine Verwandtschaft bezeugt ward, am 26. Juli eine Muthschein. Bald meldeten sich auch andere, und endlich ließ die Güstrowsche Kanzlei auf den Antrag aller an dem Gute Kittendorf interessierten Lehnfolger, Erben und Gläubiger das Gut mit allem Zubehör inventieren und abschätzen.
    Der Zustand von Kittendorf war immer so sehr traurig; den Hof hatte der Major wenigstens eingefriedet; das Wohnhaus und das Pforthaus und ein altes Bauhaus wurden zusammen nur 120 Gulden wert befunden, ein Reitstall, welcher noch immer als Wohnhaus diente, auf 300 Gulden geschätzt. Die Stallungen standen fast leer, wenigstens Rinder und Schafe waren nicht vorhanden. Roggen, Gerste und Hafer waren etwa 4 Last im Ganzen ausgesät. Bei guter Zeit hatten 9 Bauleute und 14 Kossaten zu Kittendorf gewohnt; von ersteren hatte der Major wenigstens den Schulzen und 2 Bauern herbeigeholt, auch schon 2 Bauerhäuser hergestellt, von den Kossaten sollten noch 3 am Leben, aber in Pommern sein; die Wassermühle war „verweset“. ....
    Es verdroß die einzige noch lebende Schwester Franz Joachims v. Maltzan, Sabine, die Witwe Hans Friedrichs v. Maltzan auf Sarow, daß der Major v. Sanitz allein Kittendorf besitze, da sie noch für sich und als Erbin ihrer Schwester Elisabeth über 19.000 Gulden zu fordern habe, und es kam zu Verhandlungen zwischen ihr und Sanitz; aber den Abschluß derselben erlebte sie nicht mehr. Erst am 1. Juli 1665 kam ein Vergleich des Obristen v. Sanitz für sich und in ehelicher Vormundschaft seiner Hausfrau Anna Maria Blücher mit dem pommerschen Landmarschall Joachim Albrecht v. Maltzan auf Wolde und Sarow und mit den übrigen Erben Sabines zu Stande, in welchem Sanitz die Letzteren mit 4000 Gulden und der Übernahme einer auf Kittendorf behafteten Schuld von 2632 Gulden gänzlich abfand und demgemäß am 12. Februar 1669 ihren vollständigen Verzicht auf alle ferneren Ansprüche an Kittendorf empfing.
    Die Ehe des Obersten und später Generalmajors Bernhard v. Sanitz mit Anna Maria v. Blücher blieb kinderlos. Wie es scheint, hatte der Generalmajor seine Gattin zur Erbin eingesetzt; es wurden aber nach seinem Tode – er starb vor dem 12. August 1678 – von Christina Sanitz, des Andreas Krüger Ehefrau, Erbansprüche an seine Witwe erhoben. Diese wurden auch bei Lebzeiten der Generalmajorin nicht mehr erledigt; als sie aber ihrem Manne bald (wahrscheinlich 1679) in den Tod nachgefolgt war, vereinbarten sich ihre Erben am 6. Februar 1680 vor dem Güstrowschen Kanzlei gütlich mit der Frau Krüger auf eine geringe Abfindung. In ihrem Testamente hatte die Generalmajorin den einzigen Sohn ihres einzigen Vollbruders Joachim, Joachim Ernst v. Blücher, zu ihrem Haupterben eingesetzt; er sollte das Gut Kittendorf, welches sie auf 20.000 Gulden schätzte, annehmen, aber an Erbportionen für ihre Neffen und Nichten sowie zu Legaten 10.000 Gulden auszahlen. Das Joachim Ernst diese Summe zu hoch fand, Kittendorf nur 16.000 Gulden wert hielt, so vereinbarte er sich am 6. März 1680 mit seinen Miterben dahin, daß dem entsprechend auch deren Erbteile abgemindert wurden, sein Oheim, der Rittmeister Jürgen v. Holstein, ihm aber das von diesem in Pacht genommene Gut Trinitatis 1682 einräumte.
    Doch scheint Joachim Ernst von seinem Landgute, das freilich in dem Reitstalle immer noch einen dürftigen Wohnsitz bot, nicht eben sehr angezogen und gefesselt zu sein. Die Verbindungen, in welche er durch seine Heirat gelangte, eröffneten ihm bald eine Gelegenheit zu einem behaglicheren Aufenthalte. Er vermählte sich nämlich 1682 mit Maria Elisabeth von Parkentin, der Tochter des ehemaligen Hofmarschalls und Stallmeisters am Hofe des Bischofs von Lübeck zu Eutin und nachmaligen sachsen-lauenburgischen Oberhauptmanns Berthold v. Parkentin auf Preten und Dammereez und der Anna Lucia geb. v. Wittorf aus dem Hause Lüdersburg. Schon Berthold v. Parkentins Vater (Wulf Ludolf) war Geh. Rat und Stiftsmann zu Eutin gewesen, er selbst dort Hofmarschall geworden, und seine Gattin Anna Lucia war Oberhofmeisterin der holstein-gottorphischen Prinzessin Maria Elisabeth, der Nichte des Fürstbischofs August Friedrich, die hernach zu Quedlinburg Äbtissin ward. Es war demnach gewiß nicht schwierig, dem Schwiegersohn v. Blücher zur Erlangung der Charge eines Stallmeisters am Eutiner Hofe zu verhelfen; späterhin ward dieser daselbst auch Jägermeister und etwa 1695 Hofmarschall.
Übrigens ließ Joachim Ernst v. Blücher über dem Eutiner Hofleben doch sein Gut Kittendorf nicht aus den Augen. Ein großer Gewinn war es für ihn, daß ihm der Herzog Gustav Adolf von Mecklenburg-Güstrow (der Schwager des Fürstbischofs von Lübeck) am 15. Januar 1690 um den geringen Preis von  800 Rthlrn. Die sieben zum Klosteramte Ivenack gehörigen und seit dem 30jährigen Kriege noch wüsten Bauerhufen, welche auf der Kittendorfer Feldmark und mit dem Kittendorfschen Äckern im Gemenge lagen, verkaufte. Ein Fürschreiben des Bischofs August Friedrich erwirkte leicht die Zustimmung des Herzogs Christian Louis von Mecklenburg-Schwerin zu jenem Verkauf, und auch der Herzog Friedrich Wilhelm hat ihn später (1696) bestätigt.
    Bald (1695) führte nun der Hofmarschall sich auch ein neues Wohnhaus, „nicht unnöthig groß“, zu Kittendorf auf; es schien so, als wenn er sich ganz dahin zurückziehen gedächte. Er suchte seine Besitz immer mehr abzurunden. Daß auf der Kittendorfer Feldmark noch Äcker lagen, die zu Klausdorf gehörten, war unbequem; vielleicht zunächst aus diesem Grunde erwarb er das nicht große, aber sehr freundlich gelegene und fruchtbare Gut Klausdorf am 10. Dezember 1695 von dem Leutnant Friedrich Gottlieb v. Kospoth zunächst bis zum Jahre 1711 zum Pfandbesitz um 9000 Fl.
    Indessen erhoben sich Schwierigkeiten. Klausdorf war ein altes Besitztum der v. Kospoth, „Drewes Kossebade“ hatte es 1412 von Henneke Scherf gekauft; der Halbbruder des Pfandgebers, Paul Johann v. Kospoth auf Torgelow, erhob, weil er den gänzlichen Verlust des Gutes befürchtete, Einspruch. Er erwirkte auch, daß die Verpfändung auf 8 Jahre beschränkt ward, und überdies mußte ihm Blücher noch eine Pertinenz in Schlön einräumen. Während Blücher noch wegen günstigerer Bedingungen unterhandelte, starb er am 22. Juli 1697.
    Die Kinder, welche der Hofmarschall Joachim Ernst hinterließ, waren :
    1) Christine Dorothea, geb. zu Eutin am 27. April 1683. Diese Tochter ward – vor 1711 – vermählt mit Balthasar Friedrich von Berg auf Neuenkirchen.
    2) Anna Lucia finden wird schon 1711 am Gottorpschen Hofe. Sie starb unvermählt am 12. Oktober 1738, als Hofdame („Cammer-Fräulein“) des Äbtissin Maria Elisabeth, Prinzessin von Holstein-Gottorp, zu Quedlinburg, und ward am 18. im „neuen adeligen Gewölbe“ zu St. Servatius beigesetzt.
    3) August Christian, geb. am 9. März 1687
    4) Friderike Amalie, verheiratete sich am 6. Mai 1718 mit dem Vizelandmarschall (hernach auch Landrat) Ernst Ludwig v. Genzkow auf Dewitz. Sie starb am 7. September 1727, ihr Gemahl am 20. März 1762.

Für diese vier Kinder übernahmen die Mutter (in Gemeinschaft mit E.F. von Fineke) die Vormundschaft und die Verwaltung der Güter Kittendorf und Klausdorf, an welche sie wegen ihres eingebrachten Vermögens bedeutende Forderungen hatte, und sie bewies in diesen Verhältnissen ebenso viel Tatkraft als Umsicht. Da es leicht geschehen konnte, daß die Freiherren von Maltzan Kittendorf reluirten, so schloß sie im Jahre 1700 unter fürstlicher Genehmigung mit dem Freiherrn Georg Julius v. Maltzan einen Pfandkontrakt über dieses Gut bis zum Jahre 1711 ab. Als sie aber 1702 mit fürstlicher Genehmigung 200 „zur Mast fast undienliche Eichen“ aus dem übergroßen Forst des Gutes verkaufte, führte der Freiherr Hans Heinrich von Maltzan hierüber Klage und erklärte, er wolle auf Trinitatis des nächsten Jahres die ganze Herrschaft Penzlin und damit auch das Gut Kittendorf einlösen. Wirklich erbat dieser Freiherr eine Kommission, welche die Inhaber der vormals zur Herrschaft Penzlin gehörigen Güter vorladen musste. Als nächster Agnat erachtete er sich nicht gebunden an jenen Pfandkontrakt. Indessen urteilte die Marschallin v. Blücher wohl nicht zu Unrecht, Maltzan wolle sie „nur überraschen“. Sie wich der Ladung mit einer Einrede aus, und damit war diese Angelegenheit in der Tat erledigt.
    Bedrohlicher erschien ihr die Absicht der herzoglichen Kammer zu Schwerin, jene 7 wüsten Hufen einzulösen, welche der Herzog Gustav Adolf ihrem Gemahl verkauft hatte. Sie legte dagegen am 24. Mai 1705 Verwahrung ein, und sie wußte von dem Koadjutor des Stifts Lübeck, dem Prinzen Christian August, auch ein Fürschreiben in dieser Angelegenheit an den Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg zu erwirken. Die Kammer gab dann ihr Vorhaben auf.
    Im Jahre 1711 wünschte die Marschallin sich der ferneren Verwaltung des Gutes zu entschlagen. Am 22. Oktober traf sie mit ihren Kindern eine Auseinandersetzung darüber und erhielt die Meierei Klausdorf zu ihrem Witwensitz. Wie werden hernach sehen, daß sie 1718 unter sehr schwierigen Verhältnissen noch einmal nach Kittendorf zurückkehrte, auch ihren Witwensitz zu Klausdorf eine Weile verlor, hernach aber gewann sie denselben wieder und behielt ihn in ihrem Besitz bis zu ihrem Tode im Jahre 1724.

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