Der einzige Sohn Joachim v. Blüchers
[2696], Joachim Ernst, erbte von seinem Vater in Gemeinschaft mit seinen
Schwestern den Pfandbesitz der einen Hälfte vom Gute Levitzow. Doch
war dieser nur vorübergehend, da der Rittmeister Heinrich v. Lowtzow
diese Hälfte, wie die übrigen in die Hände von Gläubigern
geratenen Stück seines Stammgutes einlöste.
Wichtiger ward die Erbschaft des Gutes Kittendorf
im Amte Stavenhagen. Dasselbe zählt jetzt zu den schönsten und
größten Landgütern in Mecklenburg; bei einer Ausdehnung
von mehr als 800.000 qR steuert es beinahe 5400 Scheffeln; das neue Herrenhaus
überragt durch Größe und Geschmack die meisten ähnlichen
Wohnsitze Mecklenburgs. Damals aber, als sie Familie von Blücher zuerst
zu Kittendorf in Beziehung kam, sag es daselbst sehr traurig aus. Dem Besitzer,
dem Freiherrn Franz Joachim v. Maltzan, war im „Gallas’schen Ruin“ (im
Jahre 1636, als Gallas die Kaiserlichen nach Mecklenburg führte) „all
das Seinige genommen.“ Die nächsten Jahre waren nicht darnach angetan,
Mecklenburg aufatmen zu lassen. Es ist daher sehr gläublich, daß
der Freiherr trotz der Vorzüglichkeit seines Landgutes „nichtes mehr
gehabt dann ein Kleid aufm Leibe und den Degen an seiner Seiten“, als er
sich 1639 nach Sukow begab, mit der Absicht, bei dem reichen Tönnies
(IV) v. Blücher um seine Tochter Anna Maria zu werben. Er fand
Gehör, und in den Ehepakten vom 24. Juli 1639 verhieß Tönnies
dem Freiherrn Antoni 1640 6000 Gulden Ehegelder zu zahlen, dazu sollten
2000 Gulden aus der Braut eigenem Vermögen kommen; Tönnies versprach
seiner Tochter ferner eine Halskette zu 2000 Gulden, ein Paar Armbänder
zu 100 Gulden, Kisten und Kasten, zum Ersatz mangelndem Geschmacks 500
Gulden und wegen der Hochzeit auch 500 Gulden, alles zu demselben Termin.
Dagegen gelobte der Freiherr Franz Joachim v. Maltzan seiner Braut 600
Rthlr. Morgengabe und, falls sie ihn überleben sollte, 4000 Gulden
Besserungsgelder, hab Vieh und Fahrnis, freie Behausung, Pferde und Wagen,
Trauerkleider etc., bei der Verpfändung seiner Habe und Güter.
Das waren Ehepakten, wie man sie hier zu Lande gegen
das Ende den 30jährigen Krieges sonst nicht leicht findet. Aber der
Schwiegervater, der in Geldangelegenheiten äußerst vorsichtig
geworden war, zahlte nicht, da ihm der Schwiegersohn nicht die nötige
Sicherheit bieten konnte; das junge Paar geriet auf dem fast verödeten
Gute in größte Bedrängnis. Die Frau wusste indessen, was
sie zu tun habe; sie entsandte eine reisigen Knecht nach Stralsund, der
dort von ihren Kleinodien, Perlen usw. für 1000 Gulden verkaufen mußte,
und diese Summe verwandte der Freiherr, wie er im März 1642 bezeugt,
bei der Wiederbeziehung und Einrichtung seines Gutes Kittendorf sonderlich
zur Erkaufung von Saatkorn, Pferden, Ochsen und Kühen. So zog nun
also das freiherrliche Paar ein – nicht in das herrschaftliche Wohnhaus,
das gänzlich verfallen war, sondern in den notdürftig zu einer
Wohnung umgestalteten Reitstall. ... Es war ihm, wiewohl er hernach die
Ehegelder der Frau empfing, nicht vergönnt, die Wiederherstellung
seines Wohlstandes zu erleben, er starb um Neujahr 1648.
Seine Witwe blieb auf Kittendorf wohnen, als auch sie sich nach
einigen Jahren (vor 1653) aufs Neue mit dem schwedischen Major Bernhard
von Sanitz verheiratete. Freilich fehlte es nun nicht an Anfechtungen von
Seiten der Lehnerben. Zunächst kam im Juli 1649 ein junger Lehnvetter
aus Hinterpommern, Jürgen Heinrich v. Maltzan, um als nächster
Agnat, weil sein Vater Jürgen ein Bruder Bernd Lüdke Maltzans
und ein Vaterbrudersohn Franz Joachims gewesen sei, die von Bernd Lüdke
und Franz Joachim hinterlassenen Lehngüter Penzlin, Wustrow, Helle,
Kittendorf, und wie sie Namen hätten, zu muthen; und wirklich empfing
er, da ihm seine Verwandtschaft bezeugt ward, am 26. Juli eine Muthschein.
Bald meldeten sich auch andere, und endlich ließ die Güstrowsche
Kanzlei auf den Antrag aller an dem Gute Kittendorf interessierten Lehnfolger,
Erben und Gläubiger das Gut mit allem Zubehör inventieren und
abschätzen.
Der Zustand von Kittendorf war immer so sehr traurig;
den Hof hatte der Major wenigstens eingefriedet; das Wohnhaus und das Pforthaus
und ein altes Bauhaus wurden zusammen nur 120 Gulden wert befunden, ein
Reitstall, welcher noch immer als Wohnhaus diente, auf 300 Gulden geschätzt.
Die Stallungen standen fast leer, wenigstens Rinder und Schafe waren nicht
vorhanden. Roggen, Gerste und Hafer waren etwa 4 Last im Ganzen ausgesät.
Bei guter Zeit hatten 9 Bauleute und 14 Kossaten zu Kittendorf gewohnt;
von ersteren hatte der Major wenigstens den Schulzen und 2 Bauern herbeigeholt,
auch schon 2 Bauerhäuser hergestellt, von den Kossaten sollten noch
3 am Leben, aber in Pommern sein; die Wassermühle war „verweset“.
....
Es verdroß die einzige noch lebende Schwester
Franz Joachims v. Maltzan, Sabine, die Witwe Hans Friedrichs v. Maltzan
auf Sarow, daß der Major v. Sanitz allein Kittendorf besitze, da
sie noch für sich und als Erbin ihrer Schwester Elisabeth über
19.000 Gulden zu fordern habe, und es kam zu Verhandlungen zwischen ihr
und Sanitz; aber den Abschluß derselben erlebte sie nicht mehr. Erst
am 1. Juli 1665 kam ein Vergleich des Obristen v. Sanitz für sich
und in ehelicher Vormundschaft seiner Hausfrau Anna Maria Blücher
mit dem pommerschen Landmarschall Joachim Albrecht v. Maltzan auf Wolde
und Sarow und mit den übrigen Erben Sabines zu Stande, in welchem
Sanitz die Letzteren mit 4000 Gulden und der Übernahme einer auf Kittendorf
behafteten Schuld von 2632 Gulden gänzlich abfand und demgemäß
am 12. Februar 1669 ihren vollständigen Verzicht auf alle ferneren
Ansprüche an Kittendorf empfing.
Die Ehe des Obersten und später Generalmajors
Bernhard v. Sanitz mit Anna Maria v. Blücher blieb kinderlos. Wie
es scheint, hatte der Generalmajor seine Gattin zur Erbin eingesetzt; es
wurden aber nach seinem Tode – er starb vor dem 12. August 1678 – von Christina
Sanitz, des Andreas Krüger Ehefrau, Erbansprüche an seine Witwe
erhoben. Diese wurden auch bei Lebzeiten der Generalmajorin nicht mehr
erledigt; als sie aber ihrem Manne bald (wahrscheinlich 1679) in den Tod
nachgefolgt war, vereinbarten sich ihre Erben am 6. Februar 1680 vor dem
Güstrowschen Kanzlei gütlich mit der Frau Krüger auf eine
geringe Abfindung. In ihrem Testamente hatte die Generalmajorin den einzigen
Sohn ihres einzigen Vollbruders Joachim, Joachim Ernst v. Blücher,
zu ihrem Haupterben eingesetzt; er sollte das Gut Kittendorf, welches sie
auf 20.000 Gulden schätzte, annehmen, aber an Erbportionen für
ihre Neffen und Nichten sowie zu Legaten 10.000 Gulden auszahlen. Das Joachim
Ernst diese Summe zu hoch fand, Kittendorf nur 16.000 Gulden wert hielt,
so vereinbarte er sich am 6. März 1680 mit seinen Miterben dahin,
daß dem entsprechend auch deren Erbteile abgemindert wurden, sein
Oheim, der Rittmeister Jürgen v. Holstein, ihm aber das von diesem
in Pacht genommene Gut Trinitatis 1682 einräumte.
Doch scheint Joachim Ernst von seinem Landgute,
das freilich in dem Reitstalle immer noch einen dürftigen Wohnsitz
bot, nicht eben sehr angezogen und gefesselt zu sein. Die Verbindungen,
in welche er durch seine Heirat gelangte, eröffneten ihm bald eine
Gelegenheit zu einem behaglicheren Aufenthalte. Er vermählte sich
nämlich 1682 mit Maria Elisabeth von Parkentin,
der Tochter des ehemaligen Hofmarschalls und Stallmeisters am Hofe des
Bischofs von Lübeck zu Eutin und nachmaligen sachsen-lauenburgischen
Oberhauptmanns Berthold v. Parkentin auf Preten
und Dammereez und der Anna Lucia geb. v. Wittorf
aus dem Hause Lüdersburg. Schon Berthold v. Parkentins Vater (Wulf
Ludolf) war Geh. Rat und Stiftsmann zu Eutin gewesen, er selbst dort Hofmarschall
geworden, und seine Gattin Anna Lucia war Oberhofmeisterin der holstein-gottorphischen
Prinzessin Maria Elisabeth, der Nichte des Fürstbischofs August Friedrich,
die hernach zu Quedlinburg Äbtissin ward. Es war demnach gewiß
nicht schwierig, dem Schwiegersohn v. Blücher zur Erlangung der Charge
eines Stallmeisters am Eutiner Hofe zu verhelfen; späterhin ward dieser
daselbst auch Jägermeister und etwa 1695 Hofmarschall.
Übrigens ließ Joachim Ernst v. Blücher über dem
Eutiner Hofleben doch sein Gut Kittendorf nicht aus den Augen. Ein großer
Gewinn war es für ihn, daß ihm der Herzog Gustav Adolf von Mecklenburg-Güstrow
(der Schwager des Fürstbischofs von Lübeck) am 15. Januar 1690
um den geringen Preis von 800 Rthlrn. Die sieben zum Klosteramte
Ivenack gehörigen und seit dem 30jährigen Kriege noch wüsten
Bauerhufen, welche auf der Kittendorfer Feldmark und mit dem Kittendorfschen
Äckern im Gemenge lagen, verkaufte. Ein Fürschreiben des Bischofs
August Friedrich erwirkte leicht die Zustimmung des Herzogs Christian Louis
von Mecklenburg-Schwerin zu jenem Verkauf, und auch der Herzog Friedrich
Wilhelm hat ihn später (1696) bestätigt.
Bald (1695) führte nun der Hofmarschall sich
auch ein neues Wohnhaus, „nicht unnöthig groß“, zu Kittendorf
auf; es schien so, als wenn er sich ganz dahin zurückziehen gedächte.
Er suchte seine Besitz immer mehr abzurunden. Daß auf der Kittendorfer
Feldmark noch Äcker lagen, die zu Klausdorf gehörten, war unbequem;
vielleicht zunächst aus diesem Grunde erwarb er das nicht große,
aber sehr freundlich gelegene und fruchtbare Gut Klausdorf am 10. Dezember
1695 von dem Leutnant Friedrich Gottlieb v. Kospoth zunächst bis zum
Jahre 1711 zum Pfandbesitz um 9000 Fl.
Indessen erhoben sich Schwierigkeiten. Klausdorf
war ein altes Besitztum der v. Kospoth, „Drewes Kossebade“ hatte es 1412
von Henneke Scherf gekauft; der Halbbruder des Pfandgebers, Paul Johann
v. Kospoth auf Torgelow, erhob, weil er den gänzlichen Verlust des
Gutes befürchtete, Einspruch. Er erwirkte auch, daß die Verpfändung
auf 8 Jahre beschränkt ward, und überdies mußte ihm Blücher
noch eine Pertinenz in Schlön einräumen. Während Blücher
noch wegen günstigerer Bedingungen unterhandelte, starb er am 22.
Juli 1697.
Die Kinder, welche der Hofmarschall Joachim Ernst
hinterließ, waren :
1) Christine Dorothea, geb. zu Eutin am 27. April
1683. Diese Tochter ward – vor 1711 – vermählt mit Balthasar Friedrich
von Berg auf Neuenkirchen.
2) Anna Lucia finden wird schon 1711 am Gottorpschen
Hofe. Sie starb unvermählt am 12. Oktober 1738, als Hofdame („Cammer-Fräulein“)
des Äbtissin Maria Elisabeth, Prinzessin von Holstein-Gottorp, zu
Quedlinburg, und ward am 18. im „neuen adeligen Gewölbe“ zu St. Servatius
beigesetzt.
3) August Christian,
geb. am 9. März 1687
4) Friderike Amalie, verheiratete sich am 6. Mai
1718 mit dem Vizelandmarschall (hernach auch Landrat) Ernst Ludwig v. Genzkow
auf Dewitz. Sie starb am 7. September 1727, ihr Gemahl am 20. März
1762.
Für diese vier Kinder übernahmen die Mutter (in Gemeinschaft
mit E.F. von Fineke) die Vormundschaft und die Verwaltung der Güter
Kittendorf und Klausdorf, an welche sie wegen ihres eingebrachten Vermögens
bedeutende Forderungen hatte, und sie bewies in diesen Verhältnissen
ebenso viel Tatkraft als Umsicht. Da es leicht geschehen konnte, daß
die Freiherren von Maltzan Kittendorf reluirten, so schloß sie im
Jahre 1700 unter fürstlicher Genehmigung mit dem Freiherrn Georg Julius
v. Maltzan einen Pfandkontrakt über dieses Gut bis zum Jahre 1711
ab. Als sie aber 1702 mit fürstlicher Genehmigung 200 „zur Mast fast
undienliche Eichen“ aus dem übergroßen Forst des Gutes verkaufte,
führte der Freiherr Hans Heinrich von Maltzan hierüber Klage
und erklärte, er wolle auf Trinitatis des nächsten Jahres die
ganze Herrschaft Penzlin und damit auch das Gut Kittendorf einlösen.
Wirklich erbat dieser Freiherr eine Kommission, welche die Inhaber der
vormals zur Herrschaft Penzlin gehörigen Güter vorladen musste.
Als nächster Agnat erachtete er sich nicht gebunden an jenen Pfandkontrakt.
Indessen urteilte die Marschallin v. Blücher wohl nicht zu Unrecht,
Maltzan wolle sie „nur überraschen“. Sie wich der Ladung mit einer
Einrede aus, und damit war diese Angelegenheit in der Tat erledigt.
Bedrohlicher erschien ihr die Absicht der herzoglichen
Kammer zu Schwerin, jene 7 wüsten Hufen einzulösen, welche der
Herzog Gustav Adolf ihrem Gemahl verkauft hatte. Sie legte dagegen am 24.
Mai 1705 Verwahrung ein, und sie wußte von dem Koadjutor des Stifts
Lübeck, dem Prinzen Christian August, auch ein Fürschreiben in
dieser Angelegenheit an den Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg zu
erwirken. Die Kammer gab dann ihr Vorhaben auf.
Im Jahre 1711 wünschte die Marschallin sich
der ferneren Verwaltung des Gutes zu entschlagen. Am 22. Oktober traf sie
mit ihren Kindern eine Auseinandersetzung darüber und erhielt die
Meierei Klausdorf zu ihrem Witwensitz. Wie werden hernach sehen, daß
sie 1718 unter sehr schwierigen Verhältnissen noch einmal nach Kittendorf
zurückkehrte, auch ihren Witwensitz zu Klausdorf eine Weile verlor,
hernach aber gewann sie denselben wieder und behielt ihn in ihrem Besitz
bis zu ihrem Tode im Jahre 1724.