Die Marschallin Maria
Elisabeth von Blücher gab ihren einigen Sohn August Christian
(geb. am 9. März 1687) früh an den Gottorpschen Hof, mit welchem
ihre Familie, wie wir gesehen haben, viele Beziehungen hatte. Er ward dort
Hof- und Jagdjunker und zugleich Cornet bei der Garde. Späterhin diente
er als Leutnant und hernach als Kapitän bei dem Bauditzschen und von
der Natte'schen Regiment und nahm Teil an den Kriegszügen in Brabant
und in Pommern. 1711, am 22. Oktober, empfing er von der Mutter die vom
Vater ererbten Güter Kittendorf und Klausdorf unter ziemlich schweren
Bedingungen. Der Wert derselben ward freilich nur auf 23.500 Rthlr., Schulden
5600 Rthlr., und die Erbportionen der drei Schwestern so viel, daß
der Kapitän im Ganzen 24.000 Rthlr. Zu verzinsen übernahm. Die
Mutter überwies er Klausdorf als Witwensitz. Die anderen Verpflichtungen
zu erfüllen ward ihm dadurch erleichtert, daß seine Gemahlin
Oelgard Sophie v.
Pederstorff, die Tochter
Ernst Wilhelm v.
Pederstorff auf Ziesendorf
und der Oelgard geb. v. Plessen aus dem Hause
Cambs, ihm bei der Hochzeit am 20. Mai 1712 ein ansehnliches Vermögen
zubrachte. Der Hauptmann v. Blücher besaß seine beiden Güter
nur noch zu Pfandrecht; es war ihm darum gar sehr daran gelegen, das Einlösungsrecht
den dazu Berechtigten abzukaufen. Mit Klausdorf schien diese gelingen zu
wollen. Der Erbe des Lehns, der damalige Kammerjunker Kord Jürgen
v. Kospoth, verkaufte ihm am 31. Dezember 1711 sein Recht an Klausdorf
um einen Zuschuß von 2000 Rthlrn. zu jenen 4000 Rthlrn. um welche
er das Gut hätte einlösen dürfen. Aber der fürstliche
Konsens erfolgte nicht, und Blücher konnte nach längeren fruchtlosen
Verhandlungen froh sein, daß sein Erbkauf 1715 in einen Pfandkauf
auf 12 Jahre verwandelt ward. Doch verfuhr er ziemlich frei mit dem Gute,
indem er 1720 die zu demselben gehörenden Hufen in Marin an Jacob
Ernst v. Holstein zu Klink und Möllenhagen mit Vorbehalt de fürstlichen
Konsenses, der aber auch erfolgte, erblich verkaufte.
Kittendorf erblich zu erwerben mochte sich keine
Aussicht bieten; doch erreichte der Hauptmann v. Blücher 1715, daß
der Pfandkontrakt bis 1723 verlängert ward.
Die nächsten Jahre waren für Mecklenburg recht stürmisch;
es waren Zeiten wo der Herzog Karl Leopold im heftigsten Streite mit der
Stadt Rostock und mit der Ritterschaft lag. Der Hauptmann August Christian
v. Blücher nahm an diesen Staathändeln als Deputierter der Ritterschaft
im Amte Stavenhagen einen sehr lebhaften Anteil; es ergingen daher auch
über ihn die schweren Bedrängnisse, welche der erzürnte
Herzog über seine Widersacher verhängte. Im Sommer 17169 versuchten
Kommandos der Russen, welche der Herzog in seinen Sold genommen hatte,
sich der Landräte und anderer hervorragender Mitglieder der Ritterschaft
zu bemächtigen. Es gelang dies nur bei wenigern; aber ein großer
Teil der Ritterschaft, welcher sich bedroht fühlte, entfloh mit Weib
und Kind aus dem Lande, nach Pommern, Wismar, Lübeck, Lüneburg
usw. Zu denen, welche sich nach Lüneburg begaben, gehörte der
Hauptmann v. Blücher; ihm ist dort 1717 eine Tochter geboren.
Im Frühling 1718 finden wir ihn wieder auf
Kittendorf. Damals, am 31. März, starb seine Gattin im Wochenbette.
Sie hinterließ ihm zwei Töchter, von denen die älteste
erst 1 ¼ Jahre zählte. Zu deren Pflege siedelte die Großmutter
wieder von Klausdorf nach Kittendorf über.
Bald sollten dieser aber noch weiterer Mühen
zufallen. Denn als der Herzog Karl Leopold, wie schon oben
erwähnt ist, von den einzelnen Gutsbesitzern einen eidlichen Revers
begehrte, durch welchen sie sich von dem Engeren Ausschuß lossagen
sollten, da entwich der Hauptmann v. Blücher nach Pommern. In Folge
dessen ward Kittendorf gleich anderen Rittergütern im Mai 1718 von
herzoglichen Kommissarien in Beschlag und Verwaltung genommen. Die Marschallin
suchte die Aufhebung des Sequesters und der drückenden „Portionen“
(für das Militär) dadurch zu erwirken, daß sie vorstellte,
das Gut gehöre im Grunde ihr, ihren jüngeren Kindern und ihren
Enkelinnen für ihre Forderungen; aber es ward ihr vor weiterer Entscheidung
jenes Revers gleichfalls vorgelegt. Diesen unterzeichnete sie freilich,
jedoch mit der Klausel: Sie ließe sich alles gefallen, wofür
Ihro Durchlaucht die Schriften des Engeren Ausschusses halten wolle, weil
sie eine Dame von Sachen, die über ihren Verstand gingen, nicht zu
urteilen vermöge; übrigens werde sie, so lange sie des herzoglichen
Schutzes genieße, sich als eine gehorsame und getreue Untertanin
aufführen. Die „unnöthigen und ihr unabständigen Formalien“
wies die Regierung zurück; die Marschallin gab aber auch nicht nach.
So blieb Kittendorf, und anscheinend auch Klausdorf, unter der herzoglichen
Verwaltung und unter dem Druck der Verpflegungsgelder, bis im Jahre 1719
die Reichsexekutions- truppen das Land besetzten, und die herzoglichen
Administrationen der mit Beschlag belegten Rittergüter aufhörten.
Der Hauptmann kehrte nun einstweilen nach Kittendorf zurück.
Nach wenigen Jahren verödeten aber die Herrenhäuser
zu Kittendorf und Klausdorf wieder. Die Hofmarschallin starb nämlich
1724 auf ihrem Witwensitze zu Klausdorf, und ihr Sohn, der Hauptmann, übernahm
das Amt eines schleswig-holsteinischen Hofmarschalls bei der damaligen
Äbtissin zu Quedlinburg, der holstein-gottorpischen Prinzessin Marie
Elisabeth, in deren Umgebung, wie wir schon wissen, bereits seine Schwester
Anna Lucia v. Blücher als Hofdame lebte. Der Hofmarschall gründete
sich hier in Quedlinburg ein neues Haus, indem er sich 1722 aufs Neue vermählte.
Seine zweite Gattin war Anna Elisabeth v. Löser, die Witwe Otto Werner
v. Steubens (aus Gerbstädt ?), eine Tochter Kurds v. Löser auf
Hainichen und der Eleonore Katharina v. Zaschnitz aus dem Hause Priestäblich.
Indessen, so angenehm sich auch die Verhältnisse
des Hofmarschalls in Quedlinburg gestalten mochten, auf die Dauer fesselten
sie ihn nicht; vielmehr zog es ihn nach Mecklenburg zurück. Zunächst
mag die Schwierigkeit, aus so weiter Ferne seine Güter zu verwalten,
ihn dazu bewogen haben, sein Hofamt nach etwa zehnjähriger Führung
desselben aufzugeben; wahrscheinlich war aber auch sein lebhaftes Interesse
für die ständischen Angelegenheiten nicht ohne Einfluss auf diesen
Entschluß. Im November 1733 nahm er an den Landtage zu Rostock teil
und hat dort auch am 20. November die ritterliche Union mit unterzeichnet.
Er übernahm damals die Stelle eines Malchower Klosterhauptmanns. Auf
dem Landtage 1734 ward er Mitglied der ständischen Committe, welche
eine genauer Information von der Beschaffenheit aller mecklenburgischen
Klöster einziehen sollte und sich dieser Aufgabe 1738 in einem umständlichen
Bericht sehr zur Zufriedenheit ihrer Standesgenossen entledigte. Auch auf
den Landtagen von 1736 und 1737 war der Hofmarschall in Klosterangelegenheiten
tätig. Am 4. November 1740 legte er sein Amt als Klosterhauptmann
nieder, und seitdem scheint er sich von der ständischen Tätigkeit
mehr zurückgezogen zu haben.
Vielleicht nötigte ihn dazu sein körperlicher
Zustand. Wenigstens wissen wir aus seinen späteren Lebensjahren, daß
er von einer schweren Lähmung heimgesucht ward, die ihn des Gebrauches
seiner Füße ganz beraubte und ihn nötigte, sich in einem
Rollwagen fahren zu lassen.
Dazu kamen schwere Verluste in seiner Familie. Von
beiden Frauen hatte ihm die erste drei, die zweite vier Kinder geschenkt,
die meisten derselben aber sah er dahinsterben :
Aus der ersten Ehe stammen :
1) Joachim Ernst, der im zarten Alter (vor 1781)
starb.
2) Elisabeth Oelgard, geb. zu Anfang des Jahres
1717 zu Lüneburg. Sie ward am 8. März 1737 mit Ernst
Ludwig v. Blücher auf Sukow verheiratet.
3) Oelgard Sophie, geboren im März 1718 zu
Kittendorf, starb ebendaselbst unvermählt am 5. März 1744.
In der zweiten Ehe wurden geboren :
4) Eleonore Lucia, geboren zu Quedlinburg am 3.
Juni 1723
5) Maria Friderike, geb. zu Quedlinburg am 17. November
1724
6) August Christian, geb. Quedlinburg am 15. Januar
1728, er starb im Kindesalter.
7) Christian August, geb. zu Quedlinburg in der
Nacht vom 20. auf den 21. Februar 1731, gestorben (zu Malchow ?) 1735
Als der Hofmarschall nach dem Ablaufe seiner Dienstzeit
als Klosterhauptmann 1740 dauernd nach Kittendorf zurückkehrte, begleiteten
ihn außer seiner Frau also nur noch drei Töchter. Von diesen
verheiratet er am 3. April 1742 die jüngste, Marie Friderike, mit
dem Kammerjunker Georg Ludwig v. Oertzen auf Lübberstorf. Die älteste
Oelgard Sophie verstarb (unvermählt), wie bemerkt, am 5. März
1744. Nachdem der Hofmarschall am 15. Juni 1750 wiederum Witwer geworden
war, fasste er ernstlich den Entschluß, sich von der Verwaltung seines
Gutes zurückzuziehen. Er ließ daher, nachdem am 16. April 1751
ein Erbvertrag geschlossen war, am 28. seine beiden Schwiegersöhne,
Ernst
Ludwig v. Blücher auf Sukow und den Kammerjunker Georg Ludwig
v. Oertzen um das Gut Kittendorf mit Klausdorf, Mittelhof und dem (von
ihm selbst angelegten) Vorwerke Övelgünne kaveln. Das Los entschied
für v. Oertzen, den der Schwiegervater sofort in das Gut einwies.
Der Hofmarschall und seine unverheiratete Tochter
Eleonore verblieben auch fortan zu Kittendorf. Er erlebte hier noch, das
am 17. Februar 1760 seine Tochter Marie Friderike, die Frau v. Oertzen,
starb. Er folgte ihr ein Jahr später nach, am 23. Februar 1761.