§ 115 Hofmarschall August Christian [674]

    Die Marschallin Maria Elisabeth von Blücher gab ihren einigen Sohn August Christian (geb. am 9. März 1687) früh an den Gottorpschen Hof, mit welchem ihre Familie, wie wir gesehen haben, viele Beziehungen hatte. Er ward dort Hof- und Jagdjunker und zugleich Cornet bei der Garde. Späterhin diente er als Leutnant und hernach als Kapitän bei dem Bauditzschen und von der Natte'schen Regiment und nahm Teil an den Kriegszügen in Brabant und in Pommern. 1711, am 22. Oktober, empfing er von der Mutter die vom Vater ererbten Güter Kittendorf und Klausdorf unter ziemlich schweren Bedingungen. Der Wert derselben ward freilich nur auf 23.500 Rthlr., Schulden 5600 Rthlr., und die Erbportionen der drei Schwestern so viel, daß der Kapitän im Ganzen 24.000 Rthlr. Zu verzinsen übernahm. Die Mutter überwies er Klausdorf als Witwensitz. Die anderen Verpflichtungen zu erfüllen ward ihm dadurch erleichtert, daß seine Gemahlin Oelgard Sophie v. Pederstorff, die Tochter Ernst Wilhelm v. Pederstorff auf Ziesendorf und der Oelgard geb. v. Plessen aus dem Hause Cambs, ihm bei der Hochzeit am 20. Mai 1712 ein ansehnliches Vermögen zubrachte. Der Hauptmann v. Blücher besaß seine beiden Güter nur noch zu Pfandrecht; es war ihm darum gar sehr daran gelegen, das Einlösungsrecht den dazu Berechtigten abzukaufen. Mit Klausdorf schien diese gelingen zu wollen. Der Erbe des Lehns, der damalige Kammerjunker Kord Jürgen v. Kospoth, verkaufte ihm am 31. Dezember 1711 sein Recht an Klausdorf um einen Zuschuß von 2000 Rthlrn. zu jenen 4000 Rthlrn. um welche er das Gut hätte einlösen dürfen. Aber der fürstliche Konsens erfolgte nicht, und Blücher konnte nach längeren fruchtlosen Verhandlungen froh sein, daß sein Erbkauf 1715 in einen Pfandkauf auf 12 Jahre verwandelt ward. Doch verfuhr er ziemlich frei mit dem Gute, indem er 1720 die zu demselben gehörenden Hufen in Marin an Jacob Ernst v. Holstein zu Klink und Möllenhagen mit Vorbehalt de fürstlichen Konsenses, der aber auch erfolgte, erblich verkaufte.
    Kittendorf erblich zu erwerben mochte sich keine Aussicht bieten; doch erreichte der Hauptmann v. Blücher 1715, daß der Pfandkontrakt bis 1723 verlängert ward.
 Die nächsten Jahre waren für Mecklenburg recht stürmisch; es waren Zeiten wo der Herzog Karl Leopold im heftigsten Streite mit der Stadt Rostock und mit der Ritterschaft lag. Der Hauptmann August Christian v. Blücher nahm an diesen Staathändeln als Deputierter der Ritterschaft im Amte Stavenhagen einen sehr lebhaften Anteil; es ergingen daher auch über ihn die schweren Bedrängnisse, welche der erzürnte Herzog über seine Widersacher verhängte. Im Sommer 17169 versuchten Kommandos der Russen, welche der Herzog in seinen Sold genommen hatte, sich der Landräte und anderer hervorragender Mitglieder der Ritterschaft zu bemächtigen. Es gelang dies nur bei wenigern; aber ein großer Teil der Ritterschaft, welcher sich bedroht fühlte, entfloh mit Weib und Kind aus dem Lande, nach Pommern, Wismar, Lübeck, Lüneburg usw. Zu denen, welche sich nach Lüneburg begaben, gehörte der Hauptmann v. Blücher; ihm ist dort 1717 eine Tochter geboren.
    Im Frühling 1718 finden wir ihn wieder auf Kittendorf. Damals, am 31. März, starb seine Gattin im Wochenbette. Sie hinterließ ihm zwei Töchter, von denen die älteste erst 1 ¼ Jahre zählte. Zu deren Pflege siedelte die Großmutter wieder von Klausdorf nach Kittendorf über.
    Bald sollten dieser aber noch weiterer Mühen zufallen. Denn als der Herzog Karl Leopold, wie schon oben erwähnt ist, von den einzelnen Gutsbesitzern einen eidlichen Revers begehrte, durch welchen sie sich von dem Engeren Ausschuß lossagen sollten, da entwich der Hauptmann v. Blücher nach Pommern. In Folge dessen ward Kittendorf gleich anderen Rittergütern im Mai 1718 von herzoglichen Kommissarien in Beschlag und Verwaltung genommen. Die Marschallin suchte die Aufhebung des Sequesters und der drückenden „Portionen“ (für das Militär) dadurch zu erwirken, daß sie vorstellte, das Gut gehöre im Grunde ihr, ihren jüngeren Kindern und ihren Enkelinnen für ihre Forderungen; aber es ward ihr vor weiterer Entscheidung jenes Revers gleichfalls vorgelegt. Diesen unterzeichnete sie freilich, jedoch mit der Klausel: Sie ließe sich alles gefallen, wofür Ihro Durchlaucht die Schriften des Engeren Ausschusses halten wolle, weil sie eine Dame von Sachen, die über ihren Verstand gingen, nicht zu urteilen vermöge; übrigens werde sie, so lange sie des herzoglichen Schutzes genieße, sich als eine gehorsame und getreue Untertanin aufführen. Die „unnöthigen und ihr unabständigen Formalien“ wies die Regierung zurück; die Marschallin gab aber auch nicht nach. So blieb Kittendorf, und anscheinend auch Klausdorf, unter der herzoglichen Verwaltung und unter dem Druck der Verpflegungsgelder, bis im Jahre 1719 die Reichsexekutions- truppen das Land besetzten, und die herzoglichen Administrationen der mit Beschlag belegten Rittergüter aufhörten. Der Hauptmann kehrte nun einstweilen nach Kittendorf zurück.
    Nach wenigen Jahren verödeten aber die Herrenhäuser zu Kittendorf und Klausdorf wieder. Die Hofmarschallin starb nämlich 1724 auf ihrem Witwensitze zu Klausdorf, und ihr Sohn, der Hauptmann, übernahm das Amt eines schleswig-holsteinischen Hofmarschalls bei der damaligen Äbtissin zu Quedlinburg, der holstein-gottorpischen Prinzessin Marie Elisabeth, in deren Umgebung, wie wir schon wissen, bereits seine Schwester Anna Lucia v. Blücher als Hofdame lebte. Der Hofmarschall gründete sich hier in Quedlinburg ein neues Haus, indem er sich 1722 aufs Neue vermählte. Seine zweite Gattin war Anna Elisabeth v. Löser, die Witwe Otto Werner v. Steubens (aus Gerbstädt ?), eine Tochter Kurds v. Löser auf Hainichen und der Eleonore Katharina v. Zaschnitz aus dem Hause Priestäblich.
    Indessen, so angenehm sich auch die Verhältnisse des Hofmarschalls in Quedlinburg gestalten mochten, auf die Dauer fesselten sie ihn nicht; vielmehr zog es ihn nach Mecklenburg zurück. Zunächst mag die Schwierigkeit, aus so weiter Ferne seine Güter zu verwalten, ihn dazu bewogen haben, sein Hofamt nach etwa zehnjähriger Führung desselben aufzugeben; wahrscheinlich war aber auch sein lebhaftes Interesse für die ständischen Angelegenheiten nicht ohne Einfluss auf diesen Entschluß. Im November 1733 nahm er an den Landtage zu Rostock teil und hat dort auch am 20. November die ritterliche Union mit unterzeichnet. Er übernahm damals die Stelle eines Malchower Klosterhauptmanns. Auf dem Landtage 1734 ward er Mitglied der ständischen Committe, welche eine genauer Information von der Beschaffenheit aller mecklenburgischen Klöster einziehen sollte und sich dieser Aufgabe 1738 in einem umständlichen Bericht sehr zur Zufriedenheit ihrer Standesgenossen entledigte. Auch auf den Landtagen von 1736 und 1737 war der Hofmarschall in Klosterangelegenheiten tätig. Am 4. November 1740 legte er sein Amt als Klosterhauptmann nieder, und seitdem scheint er sich von der ständischen Tätigkeit mehr zurückgezogen zu haben.
    Vielleicht nötigte ihn dazu sein körperlicher Zustand. Wenigstens wissen wir aus seinen späteren Lebensjahren, daß er von einer schweren Lähmung heimgesucht ward, die ihn des Gebrauches seiner Füße ganz beraubte und ihn nötigte, sich in einem Rollwagen fahren zu lassen.
    Dazu kamen schwere Verluste in seiner Familie. Von beiden Frauen hatte ihm die erste drei, die zweite vier Kinder geschenkt, die meisten derselben aber sah er dahinsterben :
    Aus der ersten Ehe stammen :
    1) Joachim Ernst, der im zarten Alter (vor 1781) starb.
    2) Elisabeth Oelgard, geb. zu Anfang des Jahres 1717 zu Lüneburg. Sie ward am 8. März 1737 mit Ernst Ludwig v. Blücher auf Sukow verheiratet.
    3) Oelgard Sophie, geboren im März 1718 zu Kittendorf, starb ebendaselbst unvermählt am 5. März 1744.
    In der zweiten Ehe wurden geboren :
    4) Eleonore Lucia, geboren zu Quedlinburg am 3. Juni 1723
    5) Maria Friderike, geb. zu Quedlinburg am 17. November 1724
    6) August Christian, geb. Quedlinburg am 15. Januar 1728, er starb im Kindesalter.
    7) Christian August, geb. zu Quedlinburg in der Nacht vom 20. auf den 21. Februar 1731, gestorben (zu Malchow ?) 1735
    Als der Hofmarschall nach dem Ablaufe seiner Dienstzeit als Klosterhauptmann 1740 dauernd nach Kittendorf zurückkehrte, begleiteten ihn außer seiner Frau also nur noch drei Töchter. Von diesen verheiratet er am 3. April 1742 die jüngste, Marie Friderike, mit dem Kammerjunker Georg Ludwig v. Oertzen auf Lübberstorf. Die älteste Oelgard Sophie verstarb (unvermählt), wie bemerkt, am 5. März 1744. Nachdem der Hofmarschall am 15. Juni 1750 wiederum Witwer geworden war, fasste er ernstlich den Entschluß, sich von der Verwaltung seines Gutes zurückzuziehen. Er ließ daher, nachdem am 16. April 1751 ein Erbvertrag geschlossen war, am 28. seine beiden Schwiegersöhne, Ernst Ludwig v. Blücher auf Sukow und den Kammerjunker Georg Ludwig v. Oertzen um das Gut Kittendorf mit Klausdorf, Mittelhof und dem (von ihm selbst angelegten) Vorwerke Övelgünne kaveln. Das Los entschied für v. Oertzen, den der Schwiegervater sofort in das Gut einwies.
    Der Hofmarschall und seine unverheiratete Tochter Eleonore verblieben auch fortan zu Kittendorf. Er erlebte hier noch, das am 17. Februar 1760 seine Tochter Marie Friderike, die Frau v. Oertzen, starb. Er folgte ihr ein Jahr später nach, am 23. Februar 1761.

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